Wenn der Lieblingspulli eine Allergie auslöst
München (dpa/tmn) - Wenn die Armbeugen plötzlich mit juckenden, roten Pusteln übersät sind, kann daran der neue Pulli schuld sein. Manche Bekleidungstextilien enthalten eine Vielzahl von chemischen Substanzen.
Sind diese nicht fest genug im Textil gebunden, können sie während des Tragens freigesetzt werden und allergische Reaktionen auslösen. „Eine klassische Textildermatitis ist von allergischen Spätreaktionen wie Rötungen, Schuppungen und Ekzemen gekennzeichnet. Sie treten meist Stunden, manchmal auch erst Tage nach dem Kontakt mit dem Stoff auf“, erklärt Franziska Rueff, Dermatologin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Betroffen sind vor allem Körperstellen mit intensivem Kleidungskontakt: Armbeugen, Achseln, Kniekehlen, die Leistengegend oder das Gesäß. „Verstärkt wird die Reaktion durch Reibung der Stoffe auf der Haut und Schwitzen“, ergänzt die Chemikerin Silvia Pleschka vom Deutschen Allergie- und Asthmabund. Ein solches Ekzem ist äußerlich meist nur mit einem Kortisonpräparat behandelbar.
Seltener sind allergische Sofortreaktionen. „Dazu gehören Quaddeln, Rötungen, Ausschlag, Atemwegs- und Kreislaufbeschwerden bis hin zum Allergieschock“, sagt Rueff. Dann gilt es, schnell zu reagieren: „Der Betroffene sollte das Kleidungsstück sofort ausziehen, die Haut gut waschen und ein Antiallergikum einnehmen, das gegen Heuschnupfen oder Nesselfieber wirksam ist.“
Von allergischen Reaktionen sind Frauen vermehrt betroffen, da sie häufiger eng anliegende und zudem oft bunt gefärbte Kleidung tragen, sagt Pleschka. „Zu den Risikopersonengruppen gehören Allergiker, Neurodermitiker und natürlich auch hautempfindliche Menschen sowie Personen, die ein empfindliches Bronchialsystem haben und auf Gerüche oder Düfte mit einer Verengung der Atemwege reagieren.“
Für sie alle stellt sich die Frage: Welche Substanz ist der Auslöser? Das ist nur schwer zu beantworten. „Wir können heute keine Textilien herstellen, ohne dass chemische Substanzen zum Einsatz kommen“, erläutert Heinrich Planck, Direktor des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf bei Stuttgart. Egal, ob Seide, Baumwolle oder Polyester - die Fasern werden oft mit einem ganzen Cocktail aus Farbstoffen, Textilharzen und anderen Hilfsmitteln ausgerüstet. „Sie sorgen für Schönheit, Farbe, Glanz, Bügelfreiheit und Tragekomfort.“ Immer öfter werden auch Silberionen eingesetzt, um eine antimikrobielle Wirkung zu erzielen.
Welche Substanzen im Einzelnen in einem Kleidungsstück stecken, können ihm Kunden genauso wenig ansehen wie Verkäufer. Und auf dem Etikett steht es auch nicht drauf. Also sind andere Vermeidungsstrategien gefragt. Patienten mit Sofortreaktionen werden das Kleidungsstück, das die Symptome verursacht hat, umgehend beiseitelegen. Sie können zudem medizinische Tests vornehmen lassen und die infrage kommenden Substanzen mindestens eingrenzen.
Aber auch das hilft nur wenig weiter. „Wenn jemand beispielsweise auf einen bestimmten Azo-Farbstoff allergisch reagiert, erhält er zwar nach dem medizinischen Test einen entsprechenden Pass, doch damit kann der Verkäufer des nächsten Kleidungsstücks nichts anfangen“, erläutert Rueff. Textilien seien meist mit Farbgemischen behandelt, deren Einzelbestandteile nicht erkennbar sind.
Wer eine empfindliche Haut hat oder vermutet, dass er allergisch reagiert, der kann all die Produkte vermeiden, in denen vermutlich viele Chemikalien stecken. Kleidungsstücke mit Etiketten wie „bügelfrei“, „formstabil“ oder „schmutzabweisend“ sind in der Regel garantiert mit chemischen Substanzen behandelt worden.
Besonders Textilfarben sind häufig problematisch. „Es gibt Untersuchungen, wonach 49 Farbstoffe von derzeit zirka 800 eingesetzten Textilfarben als potenzielle Kontaktallergene gelten“, erklärt Pleschka. Ware mit dem Hinweis „separat waschen“ birgt ein hohes Risiko: Hier geht der Hersteller davon aus, dass Farbstoffe freigesetzt werden können. Alternativen sind ungefärbte oder mit natürlichen Farbstoffen behandelte Stoffe. Und helle Textilien enthalten weniger Farbstoff als dunkle. Wenn diese dann noch weit sind und wenig Hautkontakt haben - umso besser.
Hinweise geben schließlich auch Prüfzeichen. Labels wie „Toxproof“ oder „Oeko-Tex Standard 100“ sind eine gute Orientierung auf der Suche nach schadstoffarmer Bekleidung. Sie sagen jedoch - mit Ausnahme von Formaldehyd - nichts über die allergenen Inhaltsstoffe und ihre Gehalte in den geprüften Textilien aus. Das Prüfsiegel der Fördergemeinschaft körperverträgliche Textilien hingegen misst laut Planck die Wirkung des Textils auf die Haut. Dieses Siegel wird mittlerweile an eine ganze Reihe von Herstellern von Babykleidung, Damenunterwäsche, Strümpfen und anderen Textilien vergeben.