Zu wenig Pfunde: Risiko für die Gesundheit

Frankfurt/Main (dpa) - Es gibt sie tatsächlich, die „schlechten Futterverwerter“. Nur wenn sie viel essen, halten sie ihr Gewicht - haben sie Liebeskummer, Stress oder Grippe, nehmen sie deutlich ab.

Experten warnen vor den medizinischen Folgen des Untergewichts.

„Deine Probleme möchte ich haben!“ Wer unter Untergewicht leidet, erntet eher Neid denn Mitleid. Dabei ist gesund zuzunehmen genauso schwer wie gesund abzunehmen, wissen Mediziner und Ernährungsexperten - vielleicht sogar schwerer. Denn die Ursachen sind komplexer und die Lösung weniger simpel. Betroffen sind in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen.

„Es würde nichts helfen, den Betroffenen zu sagen: Mach das Gegenteil von dem, was andere tun, um zuzunehmen“, sagt Kerstin Bernhardt, Ernährungsberaterin mit Spezialgebiet Mangelernährung. Iss viel Fettes und richtig Süßes. Und iss vor allem doppelt so viel. „Ein solcher Rat wäre nicht nur sehr ungesund, er wäre auch unnütz oder sogar schädlich“, weiß die Ökotrophologin, denn das ist ja genau das Problem der zu Dünnen: Sie wollen oder sie können nichts essen oder sie essen wie ein Scheunendrescher, aber es schlägt nicht an.

Es gibt sie tatsächlich, jene „schlechten Futterverwerter“ aus dem Volksmund, die essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen. „Das ist vor allem eine genetische Veranlagung, die man nicht beeinflussen kann“, weiß Susanne Nowitzki-Grimm, Autorin des Buches „Mensch, bist Du dünn! Ein Programm für Leute, die gerne ein paar Kilo mehr auf die Waage bringen würden“. Gute Futterverwerter deponieren die meiste Energie, die sie mit der Nahrung aufnehmen, als Fett im Körper. Schlechte Futterverwerter verpulvern diese Energie in Form von Wärme.

Das klingt nur für übergewichtige Menschen erstrebenswert. Vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet ist das problematisch. „Untergewicht geht meist einher mit einer Unterversorgung an essenziellen Nährstoffen und/oder Spurenelementen“, betonen die Autoren des Deutschen Ernährungsberatungs- und Informationsnetzes. Das begünstigt unter anderem die Entstehung von Osteoporose, beeinträchtigt die Muskelfunktion, erhöht die Krankheitsanfälligkeit, verschlechtert die Wundheilung.

Zugegeben, es ist ein Minderheitenproblem in einer Gesellschaft, in dem Übergewicht permanent beklagt und bekämpft wird. 1,5 Prozent der Frauen und 0,4 Prozent der Männer sind laut Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung untergewichtig. Laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes sind es sogar vier Prozent der Frauen und ein Prozent der Männer. Als untergewichtig gilt laut Weltgesundheitsorganisation, wer einen Body-Mass-Index (BMI) unter 18,5 hat. Ein 1,60 Meter großer Mensch, der etwa 60 Kilo wiegt, hat einen BMI von 23,4. Als ideal gilt ein BMI zwischen 20 bis 25.

Häufig betroffen sind alte Menschen, die keinen rechten Appetit mehr haben oder vielleicht nicht mehr gut kauen können. Auch durch eine schwere Krankheit oder eine Chemotherapie können Patienten viel Gewicht verlieren. Manchmal liegt auch ein verstecktes medizinisches Problem vor, zum Beispiel eine Stoffwechselstörung. Aber auch junge, gesunde Menschen können betroffen sein.

Zum Beispiel kann psychischer Stress eine Schleife auslösen, die in Untergewicht führt. „Es gibt die, die bei Kummer mehr essen und es gibt die, die bei Kummer nichts mehr essen“, sagt Diplom-Ökotrophologin Bernhardt. Liebeskummer ist ein Klassiker. Der Magen ist wie eingeschnürt, die Nerven flattern, nach zwei Bissen ist man satt. Bald fehlen wichtige Nährstoffe, es kommt zu Mangelerscheinungen, man wird entweder antriebslos oder noch nervöser - auf jeden Fall isst man noch weniger „und dann kommt man in so eine Schraube rein“.

Was also tun, wenn die Hosen schlabbern und die Knochen rausstehen, wenn die Leistungsfähigkeit ab- und die Gereiztheit zunimmt? Regelmäßig und häufig essen, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Viel Milch, Käse, Joghurt, Sahne. Speisen mit Öl anreichern. Nüsse und frisch gepresste Obstsäfte.

Nach einem mehrmonatigen „Zunehmkurs“, wie Susanne Nowitzki-Grimm ihn im schwäbischen Schorndorf anbietet, muss man lange suchen. Dabei bewerben sich weit mehr Menschen für ihre Kurse als sie Plätze anbieten kann. Die Trainerin sagt ihren Teilnehmern in Summe das gleiche wie in Abnehmkursen zu hören ist: Sie müssen Ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. Wenn es gut läuft, nehmen die Teilnehmer ein Kilo pro Monat zu. „Und dann kriegen sie eine Grippe und das Gewicht ist wieder weg.“