Macht der Seitensprung alles kaputt?
Die Beziehung hat noch eine Chance, wenn der Betrogene verzeiht und versucht, dem Partner zu vertrauen.
Hamburg. Das Vertrauen gebrochen, das Leben auf den Kopf gestellt und eine riesige Wut im Bauch - ein herausgekommener Seitensprung erschüttert eine Beziehung wie ein Erdbeben ein Haus. "Ein Seitensprung gehört zum Schlimmsten, was in einer Beziehung passieren kann", sagt der Psychologe und Psychotherapeut Ragnar Beer.
Mit großer Wut und Enttäuschung reagieren vor allem Frauen. Das zeigte eine Befragung des Instituts für Psychologie an der Göttinger Universität mit 3334 Teilnehmern. 68 Prozent der betrogenen Frauen gaben an, wütend auf ihren Partner zu sein. Unter den Männern waren es nur 47 Prozent. 40 Prozent der Frauen möchten ihren Partner dafür bestrafen, während bei den Männern nur 22 Prozent dieses Verlangen verspüren.
Die schlimmste Folge von Seitensprüngen ist Beers Ansicht nach der Vertrauensverlust - besonders dann, wenn der Ausrutscher oder die Affäre unbeabsichtigt herauskommt. Wer seinen Fehltritt freiwillig eingesteht, kann in diesem Punkt noch einiges retten. "Zwar wird das Vertrauen auch bei einem gebeichteten Seitensprung erschüttert, aber weniger tiefgreifend als bei einem, der irgendwie aufgeflogen ist."
Einmalige Ausrutscher sollten unter Umständen besser nicht gebeichtet werden, sagt der Psychologe und Paartherapeut Michael Thiel. "Schweigen kann man, wenn klar ist, dass es nur versehentlich passiert ist und keine Bedeutung hat."
Doch das typische Abenteuer für eine Nacht ist die Ausnahme - darin sind sich die Experten einig. "Viel häufiger sind Affären, die über Wochen und Monate anhalten", sagt Beer. Seitensprünge sind fast immer ein Zeichen dafür, dass in der Partnerschaft etwas nicht stimmt, erklärt Thiel. "Zum Beispiel gibt es oft ein Ungleichgewicht der Mächte in Beziehungen", schildert der Paartherapeut. "Vor allem Frauen mit Kindern fühlen sich manchmal als das Aschenputtel, das sich allein um Haushalt und Familie kümmern und auf vieles verzichten muss." Ein Seitensprung kann dann Balsam für das verletzte Ego sein, weil er den Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung erfüllt.
In anderen Fällen lässt zu viel Nähe die Liebe erlahmen. Oft gibt erst der Ausrutscher den Anstoß für einen längst überfälligen Neubeginn. "Das funktioniert aber auf keinen Fall bei einem beabsichtigten Seitensprung", warnt Thiel. "Der Plan ,ich gehe fremd, um meine Partnerschaft zu retten’ geht nicht auf."
Wer von einem Seitensprung des Partners erfährt, fühlt sich in der Regel zunächst als Opfer. Doch nach Ansicht der Experten ist es wichtig, sich von dieser Sichtweise zu lösen. "Auch wenn der eine Partner sich für den Seitensprung entschieden hat und damit die Verantwortung für die Folgen trägt, so hat der Betrogene meist auch dazu beigetragen, dass es in einer Beziehung so weit kommt", sagt Christoph Kröger, Psychologe an der Universität Braunschweig.
Hilfe Folgende Tipps gibt der Gestalttherapeut Harry Boeken zur Vertrauensbildung:
Einlasssen Zuerst müssen sich beide darüber klar sein, dass jeder für sich selbst entschieden hat, sich nochmals auf den anderen einzulassen. So muss jeder auch für sich selbst die daraus folgenden Konsequenzen tragen.
Voraussetzungen Vertrauen kann nicht erzwungen werden und kann auch nicht eingefordert werden.
Erfahrungen Neues Vertrauen entsteht durch gemeinsame Erfahrungen, die von beiden Partnern als gut definiert werden. Deshalb sollte man sich viel Zeit für einander nehmen. Eine ehrliche, schonungslose, gemeinsame Bewertung der aktuellen Erfahrung unterstützt ebenfalls die Vertrauensbildung.
Gespräche Vertrauensbildung braucht viel Zeit, Geduld und viele Gespräche. Sie ist auch oft verbunden mit weiteren Verletzungen, Wut, Enttäuschungen, die aber das Gespräch nicht abreißen lassen dürfen. Oft ist eine Paartherapie sinnvoll.