So entstehen die nervigen Staus
Der Stauforscher Michael Schreckenberg erklärt, wo mit viel Verkehr zu rechnen ist – und warum.
Düsseldorf. 535 000 Jahre stehen die Deutschen alle zusammen jedes Jahr im Stau. Mit Beginn der Herbstferien wird das nicht anders sein. Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen weiß, welche Stau-Typen es gibt und wie man am schnellsten wieder aus dem zähen Verkehr heraus kommt.
Michael Schreckenberg: 30 bis 60 Minuten vor Fahrtantritt kann man auf der Internetseite www.autobahn.nrw.de gucken, wo es vermutlich Staus geben wird. Ab Dezember gibt es diese Informationen auch für Handys. Natürlich sollte man Hauptverkehrszeiten vermeiden.
Schreckenberg: Abfahren lohnt sich eigentlich nie, außer bei einer Vollsperrung. Am besten bleibt man in Bewegung, also nicht die Lücke zum Vordermann immer aufschließen, denn dann ist man gezwungen, zu bremsen, wenn er bremst, und das bringt den Verkehr zum Erliegen. Auch das beliebte Wechseln der Spur bringt nichts, wie wir in Tests herausgefunden haben. Und es führt hinter einem zu noch mehr Stau.
Schreckenberg: Das Navi rät schnell dazu, die Autobahn zu verlassen. Gerade in Ballungsräumen lohnt sich das überhaupt nicht. In Tests war der, der im Stau blieb, 30 Minuten früher am Ziel, als der vom Navi Umgeleitete.
Schreckenberg: Der Kölner Ring bei Köln-Mühlheim und die A1 bei Köln-Lövenich sind wegen der Dauerbaustellen dort typische Stauzentren. Auch die A52 nach Düsseldorf hinein ist zu Messezeiten oft zu. Der stautechnisch schlimmste Tag im Jahr ist der Freitag vor Pfingsten. Überhaupt ist vor Festen und kurzen Urlauben die Staugefahr besonders groß, weil die Leute dann wenig Möglichkeiten haben, an anderen Tagen zu fahren.
Schreckenberg: Die meisten Staus entstehen durch Überlastung ganz ohne einen Unfall oder eine Baustelle: An engen Stellen wie Autobahnauffahrten verdichtet sich der Verkehr, er wird zäh fließend, und wenn dann einer stehen bleibt, gibt er eine Stauwelle nach hinten weiter, und so entsteht ein Stau nach dem anderen, der immer länger wird, solange hinten die Autos schneller in den Stau rein- als vorne wieder rausfahren.
Schreckenberg: Die Sensiblen machen 44 Prozent aus. Die verlassen bei jeder Störung sofort die Autobahn. 42 weitere Prozent sind die Konservativen. Die halten sich selbst für die Größten und ziehen immer ihre eigene Strategie durch. 1,5 Prozent von denen sind die Stoiker, die immer die gleichen Strecken fahren, egal was ist. Die kommen nach unseren Tests übrigens am schnellsten ans Ziel. Und dann gibt es noch den Taktiker (14 Prozent), der immer genau dahin fährt, wo ein Stau ist, weil er hofft, dass alle anderen den Stau umfahren und er sich so auflöst - was nicht ganz falsch ist.
Schreckenberg: Das hängt immer von der Länge des Staus ab. Wir rechnen im Schnitt mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h, damit bräuchte man für einen zehn Kilometer langen Stau eine Stunde. Der längste Stau der Welt ist übrigens in diesem Jahr am 10. Juni in Sao Paulo entstanden: Er war 293 Kilometer lang.
Schreckenberg: Es gibt verschiedene Einflüsse: In der letzten Zeit hat durch die Krise der Lkw-Verkehr um elf Prozent abgenommen. Gleichzeitig haben wir, auch durch das Konjunkturpaket, enorm viele Baustellen: insgesamt 2150 Kilometer in Deutschland. Nach der Krise werden die Benzinpreise wieder ansteigen, was wiederum zu einem Rückgang des Verkehrs führen könnte. Langfristig wird der Verkehr in Nordrhein-Westfalen durch den Bevölkerungsrückgang sowieso abnehmen.