Wie fühlt sich wahre Liebe an?
In der Pubertät haben Jugendliche viele Fragen zu Gefühlen und Verhütung. Eine Herausforderung für alle Eltern.
Köln. "Tut Sex weh, wenn man seine Tage noch nicht hat?" Stellt ein Mädchen seiner Mutter diese Frage, wundert die sich wahrscheinlich und sagt: "Wie kommst du denn darauf?". Dann ist das Gespräch zu Ende, bevor es richtig begonnen hat.
Denn hinter der Frage stand eigentlich eine ganz andere, etwa: "Ich höre andere darüber reden, aber ich weiß nicht, wann es richtig ist, Sex zu haben", erklärt die Ärztin Esther Schoonbrood, die im Auftrag der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau in Essen (ÄGGF) an Schulen mit Mädchen über die körperliche Entwicklung und Sexualität spricht.
Die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern ist in der Pubertät schwierig. Richtig kompliziert wird sie, wenn es um Sexualität geht. Denn obwohl Eltern erfahren möchten, was ihr Kind schon weiß und Jugendliche viele Fragen haben, tun sich beide schwer, darüber zu reden.
Wann hat man den ersten Samenerguss? Wie fühlt sich wahre Liebe an? Und was erwartet ein Junge eigentlich von seiner Freundin? Das sind Fragen, die Teenager besonders beschäftigen, sagt Eckhard Schroll, Leiter der Abteilung Sexualaufklärung bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln.
Gleichzeitig seien das aber die Fragen, die im Sexualkunde-Unterricht nicht beantwortet werden. "Dort erfahren die Jugendlichen nur Fakten über Schwangerschaft oder Verhütung."
Bei manchen Jugendlichen ist das Wissen zu Themen wie Verhütung groß, sagt Schroll. Bei anderen gebe es große Lücken, oder es kursierten Mythen - etwa, dass Selbstbefriedigung den Körper schwächt. Die Jugendlichen schnappen solche Informationen auf, können sie aber nicht einordnen. An dieser Stelle sind die Eltern gefragt.
Doch was sagen Eltern am besten, wenn sie vermuten, dass ihre Tochter einen Freund hat und möglicherweise bald erste sexuelle Erfahrungen sammelt? Wie finden sie heraus, ob ihr Sohn Probleme mit seinem Körper hat? Es reiche nicht zu sagen: "Wir setzen uns jetzt mal hin und reden darüber", betont Schroll. Wenn in der Familie nie über Körperlichkeit gesprochen wurde, könne man das nicht plötzlich in der Pubertät erzwingen. Solche Gespräche müssten schon bei Kleinkindern beginnen.
Gut sei, wenn Eltern mit ihren Erklärungen der Entwicklung des Kindes ein Stückchen voraus sind, sagt Schoonbrood. So sollte der Tochter von der Menstruation erzählt werden, bevor das erste Mädchen in der Klasse seine Tage bekommt. "Ist das der Fall, wird die Tochter nicht davon überrascht."
Gespräche über Sexualität und Liebe könnten sich immer wieder im Alltag ergeben. Zwei Beispiele: Gucken Mutter und Tochter einen Film mit einer Liebesszene im Bett, könnte die Mutter laut Schoonbrood beispielsweise sagen: "Ob da Liebe mit im Spiel ist? Die tun so, als ob man keine Kondome benutzen müsste und gar nicht schwanger werden kann." Dann erkenne man die Reaktion der Tochter: Möchte sie darüber reden?
Feiert der Sohn eine Party und es kommen auch Mädchen, dürfe der Vater durchaus fragen, ob eine davon interessant ist, sagt Frederik Luhmer, Sexualberater bei pro familia in Berlin. "Aber man sollte das Kind entscheiden lassen, ob es reden will."
Oft ist es Jugendlichen peinlich, über Sexualität und die eigenen Ängste zu sprechen. Das gilt vor allem für Jungs, sagt Schroll. "Die wollen cool sein und so tun, als ob sie Bescheid wüssten. Sie wissen aber genauso wenig wie die Mädchen." Fragen möchten sie nicht, weshalb sie sich heimlich informierten. Dann könne es helfen, ein Aufklärungsbuch ins Bücherregal zu stellen, rät Luhmer.
Eltern sollten jedoch auch Grenzen setzen, wenn ihnen die Fragen ihrer Kinder zu intim werden, sagt Schroll. Denn nur so lernten Jugendliche, dass es in Ordnung ist, wenn sie nicht über Intimes reden wollen. In Schulen erlebten sie oft das Gegenteil, ergänzt Schoonbrood. "Da wird so getan, als ob es keine Schamgrenze gibt."