Bauboom in Prora - Feriendomizile in NS-Hinterlassenschaft

Prora (dpa) - Tristesse in betongrau, zerschlagene Fensterscheiben und Graffiti an den Wänden: Wenn Ulrich Busch heute „sein Projekt“ Prora auf der Insel Rügen besucht, ist von dieser vor zehn Jahren sichtbaren Morbidität des Ortes nur noch wenig übrig.

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Auf einer Länge von einem Kilometer drehen sich in diesem Sommer an der von den Nationalsozialisten als „Seebad der 20 000“ geplanten „Kraft durch Freude“-Anlage Baukräne, dröhnen Betonfräsen, arbeiten sich gar Abrissbagger durch das Mauerwerk.

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Urlauber warten vor Verkaufbüros auf Beratungstermine, die mit Möglichkeiten zur Abschreibung für denkmalgeschützte Gebäude (AfA) und Finanzierungs- und Vermietungsmodellen zum Kauf einer Ferien- oder Eigentumswohnung locken: Goldgräberstimmung am Ostseestrand.

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Busch war der erste Eigentümer, der 2006 vom Bund zwei der fünf halbwegs intakten Blöcke des Monumental-Kolosses erworben hatte: 36 Hektar beste Strandlage für 455 000 Euro. Skeptiker schalten ihn, den Sohn des bekannten Arbeiterlied-Barden Ernst Busch (1900-1980), damals als Träumer mit dem Hang zu Selbstüberschätzung. Doch Busch gelang, was vorher keiner schaffte. Der heute 50-Jährige konnte bei der Gemeinde Baurecht für beide Blöcke mit Ferien- und Eigentumswohnungen sowie Hotelappartments erwirken. Insgesamt könnten bis zu 3000 Betten in der Nazi-Hinterlassenschaft Prora entstehen - so sehen es die Planungen vor.

Am 2. Mai 1936 ließ der Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Robert Ley, auf Geheiß Hitlers in der Prorer Wiek zwischen Binz und Sassnitz den Grundstein für das Mega-Feriendomizil legen. Die auf 4,5 Kilometer Länge konzipierte Anlage sollte die Deutschen neben anderen KdF-Projekten (KdF = Kraft durch Freude) wie des Urlaubsschiffes „Wilhelm Gustloff“ im gemeinsamen Erleben der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ auf Systemtreue trimmen. Zur Inbetriebnahme als Massenferienobjekt kam es allerdings nie. Mit Kriegsbeginn wurden die Arbeiten in Prora eingestellt. Nach Kriegsende nutzte die NVA das Gebäude, bis 1996 die Bundeswehr. Noch heute ist die Anlage weitgehend erhalten.

Eine Studie (S.T.E.R.N-Studie) im Auftrag des Bundes, dem damaligen Eigentümer, gab 1997 die weitere Entwicklung vor. Die Gesamtanlage wurde unter Denkmalschutz gestellt, vier Blöcke verkaufte der Bund an Privatinvestoren. Ein Block ging an den Landkreis, dort betreibt das Deutsche Jugendherbergswerk seit 2011 eine Unterkunft mit 400 Betten.

Die ersten Besitzer bezogen bereits 2014 ihre Wohnungen. Busch, der inzwischen in den Niederlanden lebt, hat heute eigenem Bekunden nach kein Eigentum mehr in Prora. Er sei heute als „freier Projektentwickler“ für die Prora Solitaire GmbH tätig, der sechs von zehn Aufgängen im 450 Meter langen Block II gehören. „Ausreichend Arbeit für mindestens zwei weitere Jahre“, sagt Busch. Nachdem 2010 der Weg für den Umbau frei war, trennte er sich scheibchenweise von seinen zwei Blöcken, in denen jeweils ein Hotel mit je 300 Betten sowie 200 Eigentums-und Ferienwohnungen entstehen durften.

Mit jedem Weiterverkauf in den vergangenen Jahren stieg der Wert der Immobilie. Wohnungsinteressenten zahlen heute zwischen 3000 bis 6600 Euro pro Quadratmeter. Eine größere und luxuriös ausgestattete Wohnung kostet inzwischen so viel, wie Busch 2006 an den Bund für zwei Blöcke zahlte - rund 450 000 Euro.

Er selbst sieht sich heute als „Visionär“. Jeglichen Vergleich, mit dem Ferienprojekt das zu vollenden, was die Nationalsozialisten nicht schafften, weist er zurück. „Ich sehe das anders. Eher als den Sieg über den Faschismus und die Nazi-Zeit“, sagt Busch. „Aus einem Gebäude, das für die Gleichschaltung und Uniformität der Massen gedacht war, ist ein individuelles Wohnkonzept geworden.“ Die Geschichte sei ein Teil, aber man schreibe Geschichte weiter - und zwar zu den heutigen Bedingungen.

„Aus persönlichen Gründen“ lebt Busch heute in den Niederlanden. Alle zwei Wochen zieht es ihn nach Rügen. Mit einem stolzen Gefühl schaue er auf das, was inzwischen erreicht sei. „Aus einem Ort, der 20 Jahre brach lag, ist ein Juwel an der Küste geworden“, sagt Busch.

Ärger bereitet Busch unterdessen ein anderes Immobilienobjekt: Am 3. September wird Busch am Landgericht Rostock sein müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und zwei weiteren Investoren Subventionsbetrug im Zusammenhang mit dem Umbau einer Binzer Pension zu einem Hotel vor. Sie sollen zwischen 2005 und 2007 dem Land gegenüber falsche Angaben gemacht und rund 700 000 Euro Fördermittel zu Unrecht erhalten haben. Das Gericht hat neun Verhandlungstermine angesetzt. Busch selbst hält sich für unschuldig. „An den Vorwürfen ist nichts dran.“ Das Binzer Hotel gibt es heute in der Form nicht mehr. Es wurde zu Eigentumswohnungen umgewandelt.

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