Bier ist in Salzburg Frauensache

600 Jahre Biertradition — das verpflichtet. Vor allem Frauen, denn traditionell ist das Brauen ihr Handwerk.

Düsseldorf. Mit spitzen Fingern zupft Johanna Panholzer die Dolde einer Hopfenpflanze etwas auseinander. Dann hält sie den Besuchern der Brauerei das hellgrüne Anschauungsmaterial unter die Nase. Die so trocken wirkenden Pflanzenstücke verströmen einen feinen, blumig würzigen Duft.

„Hopfen ist beim Bier für die Stabilität des Schaums wichtig und vor allem für gute Aromen“, erklärt Panholzer. Die 59-Jährige weiß alles über Bier, und wenn sie darüber spricht, dann glänzen ihre Augen vor Begeisterung und die Informationen sprudeln nur so aus ihr heraus.

Bereits seit 13 Jahren führt die gebürtige Salzburgerin Besuchergruppen durch die Trumer Privatbrauerei, eine von zahlreichen Brauereien im Salzburger Land. „Hier bin ich mit meiner Leidenschaft für Bier genau richtig. Die Region verfügt über eine 600-jährige Brautradition. Salzburg ist ein Mekka für Bier-Fans“, erklärt sie stolz. Diese Bierkultur lässt sich bei einem Besuch in Salzburg gut erkunden. Verschiedene Brauereien laden dort zur Besichtigung ein wie beispielsweise auch das Hofbräu Kaltenhausen, die älteste Brauerei im Salzburger Land.

In der Stadt Salzburg lohnt sich ein Besuch des Bier-Museums von Stiegl, der größten Privatbrauerei Österreichs. In der Altstadt ist zudem noch eine weitere Bier-Expertin für Besucher im Einsatz. Touristen können mit „Bier-Führerin“ Martina Gyuroka auf einen Themenrundgang durch die Gassen gehen — natürlich gehört auch eine Einkehr in ein traditionelles Gasthaus dazu.

Als besonderer Bierstandort erweist sich Salzburg auch dadurch, dass die seit 2004 bestehende Ausbildung zum Diplom-Bier-Sommelier dort ihre Wurzeln hat. Auch Panholzer hat einen solchen Lehrgang absolviert. Als sie 2006 ihr Diplom in den Händen hält, ist sie eine der ersten weiblichen Bier-Sommelières.

„Bier ist von seiner Herkunft her Frauensache“, betont sie. Im Mittelalter wurde das Bier fast ausschließlich in Hausbrauereien hergestellt und war eine Tätigkeit der Frauen. Bis ins 17. Jahrhundert blieb das eine Aufgabe der Frauen, und somit waren sie die Expertinnen. Dementsprechend gehörte damals auch ein Braukessel zur Aussteuer.

Ein großes Vorbild für weibliche Bier-Kompetenz ist für Panholzer die im Mittelalter lebende Nonne und Gelehrte Hildegard von Bingen. „Sie hat als eine der Ersten über Bier und über seine Bedeutung für die Gesundheit geschrieben“, sagt Panholzer.

Und dann kommt sie wieder auf den Hopfen zurück: „Er darf als die älteste Kultur- und Heilpflanze der Menschheit gelten. Für die Herstellung von Bier werden die unbestäubten Dolden der weiblichen Pflanze verwendet, denn nur die geben Geschmack. Da haben wir auch wieder die Weiblichkeit“, merkt Panholzer augenzwinkernd an. Dann führt sie die Besuchergruppe in Obertrum in den Gärkeller, den sie als „Herzstück einer Brauerei“ bezeichnet.

Fester weißer Schaum ist in den offenen Gärbottichen zu sehen. Er scheint ein wenig mit Kakao bestäubt, als handele es sich um eine riesige Portion Cappuccino. Doch unter der weißen Schicht reift kein Kaffee, sondern das Trumer Pils heran. Um einen Blick über den Rand des blitzblanken Aluminiumbehälters zu erhaschen, müssen sich die Besucher ein wenig recken und manche auch auf Zehenspitzen stellen.

Denn sie sollen Abstand halten. Bei der offenen Gärung ist Hygiene besonders wichtig. Auf die traditionelle und anspruchsvollere offene Gärung legt man in der Privatbrauerei besonderen Wert. „Der Schaum, das ist der Kräusen, und was da so braun oben aufliegt, das sind die bitteren Harzstoffe. Die schöpfen wir ab“, erklärt Panholzer. „Das geht aber nur bei der offenen Gärung, denn sonst kommt man da gar nicht mehr dran.“

Die Besichtigung der Brauerei endet in der Besucherlounge. Die Teilnehmer sinken auf die violetten Sitzeinheiten, von denen sie durch Glasscheiben auf das Ensemble der modernen Gärbottiche und seitlich auf die Obertrumer Landschaft schauen können. Panholzer zapft frisches Pils für alle. Nach den vielen Einblicken in den Brauprozess ist es ein ganz besonderes Erlebnis, die kühle goldfarbene Flüssigkeit in die Kehle gleiten zu lassen. Panholzer schaut erfreut zu. „Bier ist einfach das Leben“, sagt die Salzburgerin und strahlt.

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