Bloß kein Tourist sein: Mehr Kontakt mit Einheimischen

Hamburg (dpa/tmn) - Essen aus der Garküche, Sightseeing mit der Rikscha, Übernachten bei Familien: Auf Reisen ist zunehmend die authentische Begegnung mit Einheimischen gefragt. Die Reiseveranstalter reagieren auf den Trend.

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Portale wie Airbnb geben die Richtung vor.

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Früher galt es als Ausweis von Weltläufigkeit, die großen Sehenswürdigkeiten gesehen zu haben: Machu Picchu, die Pyramiden, das Taj Mahal. Doch viele exotische Orte der Erde gehören heute zum touristischen Standardprogramm. Und Reisende sind erfahrener. Was verstärkt gewünscht wird, ist die Begegnung mit den Einheimischen.

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„Authentizität wird immer wichtiger“, sagt Prof. Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. „Viele Urlaubsarten sind einfach austauschbar geworden.“ Wichtiger ist das unverwechselbare Erlebnis vor Ort. Thomas Cook zum Beispiel bewirbt den nachhaltigen Gastbesuch in einem „echten“ Maya-Dorf in Mexiko. Ob Kaffeeernte in Puerto Rico, Teetrinken mit Berbern in der Wüste oder Übernachten bei kubanischen Omis: Der Kontakt zu den Menschen zählt.

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Das Angebot an Reisen mit Erlebnischarakter habe sich in den letzten Jahren vergrößert, bestätigt Petra Thomas vom forum anders reisen. Der Trend betreffe nicht nur die nachhaltigen Anbieter, sondern auch die größeren Veranstalter. „Es geht dabei um die Idee, etwas zu erleben, das nicht wiederholbar ist“, glaubt auch Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg. Begegnungen mit Menschen sind eine Möglichkeit, sich von der Masse abzusetzen: „Man ist als Tourist unterwegs, aber will auf keinen Fall so aussehen“, erklärt der Forscher.

Diesen Eindruck bestätigt Holger Baldus, Geschäftsführer von Marco Polo: „Niemand will mehr als Massentourist gelten, das ist ein No-Go.“ Der Urlauber wolle nach Hause kommen und nicht vom Hotel erzählen, sondern darüber, wie er bei der kubanischen Familie in der Küche saß.

In den meisten Fällen sind es vergleichsweise harmlose Annäherungen: „Genauso zu essen wie ein Einheimischer, das kommt super an“, erzählt Baldus. Auf einer Indien-Rundreise säßen Urlauber zum Beispiel in Old Dehli auf Plastikschemeln und probierten aus der lokalen Straßenküche. „Und dass man sich am Ende des Tages ins Hotel zurückzieht, ist auch vorbei.“ Eines der erfolgreichsten Angebote sei die Rundreise durch Kuba, bei der die Urlauber in sogenannten „Casas particulares“, also privaten Etagenhäusern übernachten.

Natürlich handelt es sich bei solchen Begegnungen vor allem um eine Inszenierung von Authentizität. „Das ist es ohne Frage“, findet Prof. Reinhardt. „Und es ist okay, dass solche Begegnungen inszeniert sind.“ Wichtig ist, dass die Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden.

Petra Thomas zählt Faktoren auf, die dafür wichtig sind: Die Planung des Treffens muss sorgfältig sein, der Gastgeber schon in der Entwicklungsphase des Programms einbezogen werden. „Und natürlich sollte der Gastgeber fair entlohnt werden und wirtschaftlich an der Umsetzung der Reise partizipieren.“ Für den Reisenden seien kulturelle Verhaltenstipps wichtig.

„Solche Reisen funktionieren nur in kleinen Gruppen“, sagt Holger Baldus. „Wenn da eine ganze Meute einfällt, geht das gar nicht.“ Dann sei die Situation nicht mehr authentisch. Bei Marco Polo sieht man für die kommenden Jahre weiteres Potenzial für solche Touren. „Das hätten wir uns vor fünf Jahren nicht vorstellen können.“

Die Begeisterung der etablierten Reiseindustrie für die neue Form des Reisens ist auch durch die Konkurrenz getrieben. Portale wie Airbnb, die Privatunterkünfte vermitteln, setzen bewusst auf den Kontakt mit ganz normalen Menschen.

Auf Individualreisen gehört es oft zum guten Stil, möglichst wie die sogenannten „Locals“, also die lokale Bevölkerung zu reisen. Die Webseite www.likealocalguide.com zum Beispiel sammelt Reisetipps von Menschen, die in einer Stadt wirklich wohnen: Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Seite www.spottedbylocals.com - bisher gibt es Empfehlungen für 58 Städte. Und www.tripbod.com wirbt damit, „Freunde am anderen Ende der Welt“ zu finden, mit denen man versteckte Orte erkunden kann.

Der Blogger Morten Hübbe, der mehr als zwei Jahre durch Südamerika reiste, empfiehlt, per Anhalter zu fahren: „Manchmal wird man von der Straße weg zu Familienfesten eingeladen, zum Essen oder zum Tee gewunken oder bekommt eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten.“ Essen sollte man dort, wo Einheimische speisen, rät Hübbe. „Statt internationaler Küche bekomme ich lokale Spezialitäten und interessierte Tischnachbarn.“

Tausend Meter über der Wüste
Jebel Hafeet: In Schlangenlinien auf Abu Dhabis höchsten Gipfel und von dort die Aussicht genießen Tausend Meter über der Wüste