Flußkreuzfahrt in Thailand: Die Götter schwimmen mit

Unter deutscher Leitung auf einem Teakholzboot durch Thailand und Laos schippern.

Düsseldorf. Zwei Bananen, eine Orange, Margeritenblüten. Co-Kapitän Simmani Khao balanciert das Tellerchen an Deck nahe der Reling, und mit einem Satz fliegen Obst und Blumen plötzlich in den Fluss. Die Margeriten sieht man noch auf den bräunlichen Wellen tanzen.

Dies war jedoch weder ein Missgeschick noch Abfallbeseitigung, sondern eine notwendige Maßnahme, um die weitere Sicherheit des Flusstrips zu gewährleisten — eine Opfergabe für die Mekong-Götter, womöglich sogar für die sagenumwobene Naga-Schlange, die — wie das Ungeheuer von Loch Ness in Schottland — in den Tiefen des Mekongs in Asien leben soll.

„Ohne Opfergabe fahren wir nicht los“, sagt Kapitän Khao und wirft den Göttern jeden Morgen während des sechstägigen Trips ein Tellerchen mit lokalem Frischzeug zu. Die beiden Kapitäne schlafen in Doppeldecker-Betten in einer offenen Kajüte direkt hinter dem Steuerrad, Passagiere dürfen sich das Idyll gern angucken.

Auf einer Mekongreise kommen Crew und Gäste sich wohl wie auf keiner anderen Flusskreuzfahrt nahe. Der familiäre, interkulturelle Umgang miteinander ist geradezu Markenzeichen der ungewöhnlichen und exotischen Bootstour.

Sechs Tage, 250 Kilometer, ein dreistöckiges Holzschiff in der Form eines Schuhkartons, 40 Meter lang, acht Meter breit, mit Sonnendeck und gedrechselter Holzgirlanden-Reling. 16 Passagierkabinen, 17 Leute Besatzung. Mit durchschnittlich zwanzig Kilometern pro Stunde tuckern die luxuriösen, aber doch bodenständigen Schiffe auf Teilabschnitten des Mekongs, dem größten Strom Südostasiens. Sie sehen aus wie eine Arche Noah, fühlen sich an wie eine Privatyacht und sind eine Erfindung von Hans Engberding aus Westfalen, Gründer des Veranstalters „Lernidee“.

„Wo ist bloß das Schiff?“ Ben Göller, der junge Cruise-Direktor, sucht nach der Arche, als er mit Passagieren im Minibus am Fluss ankommt. Reisfelder, Kautschuk-Plantagen, Tabakpflanzen: Die Gegend um Udon Thani, der Provinzhauptstadt von Isaan im hohen Norden Thailands, wacht wirtschaftlich gerade auf. Wer sich über die vierspurigen Straßen wundert, dem erzählt Ben, dass die Amis sie im Vietnamkrieg gebaut haben und ihren gesamten Waffennachschub darüber organisierten.

Das Schiff muss gesucht werden, denn hier, wo der Mekong die natürliche Grenze zwischen Thailand und Laos bildet, gibt es weder Anlegesteg noch Pier. Je nach Wasserstand finden die Kapitäne ein Ankerplätzchen. Eine steile Böschung ist es diesmal, über eine ausgelegte Planke, unterstützt von 17 freundlichen Händepaaren, geht es an Bord. So hat man die ganze Besatzung von der Thai-Masseuse Miss Noy bis zur schönen Sous-Chefin Miss Soykut gleich kennengelernt.

Mal nur einen, mal hundert Meter tief, mal 50 Meter schmal, mal 15 Kilometer breit, mal reißend, dann wieder träge, mal gewunden, mal geradlinig kann der Mekong sein. Mae Khong, nennen ihn die Leute hier, Mutter aller Flüsse. Der Mekong entspringt in China und mündet in Vietnam. Auf seiner 4200 Kilometer langen Reise passiert er Myanmar, Laos, Thailand und Kambodscha und dient 60 Millionen Menschen an seinen Ufern als Lebensader.

Es ist überraschend still auf dem großen Fluss im Norden Thailands. Kein anderes Boot ist in Sicht, kein Lastverkehr, und auch keine Krokodile, die es hier vor 50 Jahren noch gegeben haben soll. Die Laoten sind als Wilderer bekannt: Sie haben in großer Not in Kriegszeiten so ziemlich alles aufgefuttert, was sich bewegte. Doch jetzt ist der Aufschwung auch in Laos angekommen, das lange streng kommunistisch war und als ärmstes Land im Länderdreieck Laos-Kambodscha-Thailand galt.

Man sieht die Zeichen des Fortschritts etwa im bergigen Flussdörfchen Bang Bag Bang, das die Kreuzfahrt-Passagiere in Kanus über einen Seitenarm erkunden. Ganz schön wackelig sind die kleinen Holzkanus. Doch wenn sie einmal, motorgetrieben, auf dem Fluss dahingleiten, erleben Reisende die Natur hautnah. Nur wenige Minuten dauert es bis zur Ankunft in dem typisch laotischen Dorf mit etwa 70 Familien.

Mango-, Sternfrucht- und Milchapfelbäume wachsen dort, man sieht Holzhäuser, Steinvillen mit gefliesten Terrassen, Frauen in Sarongs. Durch den Handel mit Mahagoni-Holz ist das Dorf in den vergangenen Jahren zu bescheidenem Wohlstand gekommen, obwohl das Tropenholz eigentlich geschützt ist. Die Dorfeinwohner strahlen: Endlich müssen sie nicht mehr nach der reicheren Schwester Thailand am anderen Ufer schielen. Sogar eine Bar hat bereits am Ortsausgang im Dschungel eröffnet.

Nach dem Ausflug geht es zurück aufs Schiff. Im Abendrot oder unter dem Sternenhimmel wird gemeinsam auf dem Oberdeck im Freien diniert. Asiatische Köstlichkeiten, dazu leckere Weine oder Thai-Bier: So lassen sich die vielfältigen Eindrücke des Tages bestens Revue passieren.

Die Besatzung des Flusskreuzers besteht aus Laoten, eine ethnische Gruppe, die grenzübergreifend sowohl in Thailand wie in Laos lebt. Als Lotsen sind die Laoten große Klasse, nicht nur maritim, sondern auch landeskundlich: Sie helfen den Passagieren, prachtvolle Buddha-Klöster zu entdecken, waghalsige Mediations-Felsen zu erklimmen, führen durch den Handelsmarkt von Nong Khai auf der thailändischen Seite, demonstrieren an Bord, wie Papaya-Salat à la Mekong zubereitet wird und grillen am Abschiedsabend der Kreuzfahrt für alle bei einer Sandbank-Party.

Das Boot ist vertäut, die glutrote Sonne vom Mekong verschluckt, in dem die Passagiere gerade sogar noch schwimmen durften. Ein aus dem nächsten Ort eingeladener Schamane ruft in einer „Baci“-Zeremonie, einer Art Götter-Beschwörung, die 32 Seelen an, die nach laotischer Lehre jeder in sich trägt, aber auf seinem Lebensweg hier und dort zurücklässt. Weiße Bändchen, ums Handgelenk geknotet, sollen die Seelen zurückholen.

Nach der Party sinken alle ein letztes Mal in den gemütlichen Holzkabinen auf ihre Betten, lassen sich sanft vom Mekong in den Schlaf wiegen. Alle träumen süß in dieser Nacht: Die Fluss-Götter waren Crew und Passagieren gewogen. An ihren weißen Armbändchen — und ihren entspannten Gesichtern — wird man die Mekong-Kreuzfahrer, die Asien auf dieser Reise ganz nah gekommen sind, am Flughafen von Bangkok wiedererkennen.

Tausend Meter über der Wüste
Jebel Hafeet: In Schlangenlinien auf Abu Dhabis höchsten Gipfel und von dort die Aussicht genießen Tausend Meter über der Wüste