Das alte China: Wuzhen wäre gern Weltkulturerbe

Wuzhen (dpa/tmn) - China verändert sich rasend schnell, viel Altes muss dem Neuen weichen. Doch in Wuzhen wird die idyllische Vergangenheit mit Ententeichen, Holzhäusern und Teestuben konserviert - und die Großstädter kommen und staunen.

Eben noch schnurrte der Wagen auf einer sechsspurigen Autobahn durch Hochhaus-Schluchten, eine Viertelstunde später fährt man durch weites, plattes Land. Die Skyline von Shanghai weicht Feldern und Wiesen mit eingezäunten Ententeichen und mäandernden Wasserläufen. Durch das Jangtse-Delta geht es nach Südwesten, Richtung Hangzhou und Suzhou, Millionen-Städte, die gern in Rundreisen eingeflochten werden. Das Ziel aber ist Wuzhen, 50 Kilometer entfernt von Hangzhou und weit weniger berühmt.

Anders als Hangzhou und Suzhou ist Wuzhen eine kleine Stadt mit rund 12 000 Einwohnern und einem historischen Kern, der die Jahrhunderte nahezu unverändert überdauert hat. Vor zehn Jahren beschlossen die Behörden, Alt-Wuzhen zu konservieren, zu renovieren, als Weltkulturerbe anzumelden und für den Tourismus zu erschließen. Inzwischen ist es einer der bedeutendsten historischen Orte Chinas, ein beliebtes Tagesziel für Ausflügler. Am besten bleibt man aber ein, zwei Nächte, um die Atmosphäre des Städtchens richtig zu genießen.

Bei der Ankunft wirkt der Ort zunächst wenig idyllisch: Eintönige Neubauten, die an DDR-Platte erinnern, ein Riesenparkplatz voller Autos und Busse, eine große Eingangshalle mit vielen Schaltern. Doch die Formalitäten sind schnell erledigt, die Schranken rasch passiert. Zwei Bootsleute paddeln die 20, 30 Neuankömmlinge auf einer kleinen Fähre zum alten Wuzhen-West, auch Xizha genannt, hinüber. Ein Fünf-Minuten-Zeitsprung in die Epoche der Qing-Dynastie (1644-1911).

Das Wasserdorf, durchzogen von Kanälen, Flüsschen und schmalen Gassen, hat sich sein altes Flair bewahrt. Zwar wurden die Bewohner von Xizha umgesiedelt, ihre Jahrhunderte alten Häuser aus Zedernholz zu Pensionen und Geschäften umfunktioniert. Doch ihr Aussehen ist ganz das alte: Hier eine duftende Bäckerei, dort ein Teeladen mit dem typischen Chrysanthemen-Tee.

Vor der Tür eines Fleischhändlers hängen Enten bratfertig präpariert neben Schinken und Schweinefüßen. Ein Laden bietet handgeschmiedete Messer, auf einem Hof lagern riesige Tonkrüge mit Sojasaucen - und in unzähligen Garküchen und Teestuben wird der Gast von den einstigen Einwohnern bedient. Am Ortsrand findet man eine Theaterbühne und ein großes Haus mit Garten, Teich und Steinskulpturen, wie es Wohlhabende einst bewohnten.

Kein Autolärm stört die dörfliche Ruhe. Bewohner und Besucher gehen zu Fuß und überqueren dabei immer wieder Brücken aus Holz und Stein, mit Rund- und Spitzbögen. An die 70 sollen es sein. Oder man nimmt eines der Taxi-Boote, die über die unzähligen Wasserwege gerudert werden. Gondoliere Ma erzählt, dass er an guten Tagen bis zu 20 Mal auf Tour geht. Einer der Bootsanleger liegt bei der White Lotus Pagode, einem siebenstöckigen Turm, der 51 Meter aufragt und wie ganz Wuzhen abends spektakulär beleuchtet wird.

Auch in Ost-Wuzhen (Dongzha), dem touristisch länger erschlossenen Teil, geht der Puls des Lebens langsam. Und der Besucher passt sich an, nimmt sich Zeit für die traditionelle Blau-Druck-Manufaktur, deren frisch gefärbte Stoffbahnen im Wind flattern; für die Winzerei, die jedes Jahr an die 36 000 Tontöpfe mit San-Bai-Wein füllt; für eine Vorstellung in Master Yu's Schattenspiel-Pavillon. Oder für das museale Geburtshaus des Schriftstellers Mao Dun und das Bettenmuseum - stille Refugien, weit weg von der Geschäftigkeit in den Gassen.

Die meisten Häuser reihen sich am Wasser aneinander, auf Pontons sind sie mit Pfählen im Flussbett verankert. Die Menschen leben in Holzhäusern mit ausladenden Ziegeldächern und Veranden, auf die man während einer Bootsfahrt einen Blick werfen kann.

Die Einheimischen scheinen sich hin und wieder durch die Touristen in ihrem Frieden gestört zu fühlen. Ein Transparent an einem Balkon entpuppt sich als Beschwerde über die allzu vielen und allzu neugierigen Besucher aus den nicht sehr fernen Hochhaus-Schluchten.

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