Der Drachenfels putzt sich heraus

Königswinter (dpa/tmn) - Einst galt der Drachenfels bei Bonn als Gipfel der Rheinromantik. Dann folgte ein langes Tief als Kaffeefahrten-Ziel. Jetzt versucht der „meistbesuchte Berg Europas“ einen Neuanfang.

Manches all zu Vertraute muss man erst durch die Augen des Fremden sehen, um es wieder schätzen zu können. Der Drachenfels in Königswinter bei Bonn gilt als der meistbestiegene Berg Europas. In den 70er und 80er Jahren verkam er jedoch dermaßen zum Ausflugsziel für Stammtische und Kegelklubs, dass er zum Synonym für Spießigkeit wurde. Bei seinem Namen dachte man unwillkürlich an „WC 50 Pfennig“ und „Draußen nur Kännchen“.

Dabei war der Drachenfels einst der Gipfel der Romantik. Um das nachzuempfinden, muss man sich nur die Aquarelle des englischen Landschaftsmalers William Turner (1775-1851) ansehen. In zarten Farben erhebt sich der Fels dort als mythischer Ort über dem Strom. Seit der Dichter Lord Byron zu Beginn des 19. Jahrhunderts den „castled crag of Drachenfels“ besungen hatte, war er eine der größten Touristenattraktionen Europas.

So richtig echt sind nur der Fels selbst und die Burgruine obendrauf. Schloss Drachenburg dagegen, das „Neuschwanstein vom Rhein“, ist ein Fake, außen neugotisch, innen Barock. Eine Millionärsfantasie. Unglaublich, dass der Abriss dieses rheinischen Märchenschlosses in den 60er Jahren nur durch energische Proteste von Privatleuten und Denkmalschützern verhindert wurde. Die Restaurierung für 30 Millionen Euro zog sich jahrzehntelang hin. Seit Frühjahr 2010 ist das Schloss nun wieder zu besichtigen.

Noch manches andere lässt den Drachenfels als Mutter aller Freizeitparks erscheinen: Da ist die Zahnradbahn, die seit 1883 bis knapp unter den Gipfel führt. Wer dagegen den Aufstieg auf den bestens ausgebauten und beschilderten Wanderwegen wagt, stößt immer wieder auf Attraktionen aus Großmutters Zeiten: Da sind die altertümlichen Märchen-Dioramen, die auf einen Münzeinwurf hin mit knarzender Stimme zu reden beginnen. Da ist eine Felsengrotte mit Weiher und moosbewachsenem Drachen, 13 Meter lang, und da ist die 1913 zum 100. Geburtstag Richard Wagners errichtete Nibelungenhalle. Der Überlieferung zufolge markiert sie den Punkt, an dem Siegfried den Drachen zur Strecke brachte. Passend dazu findet sich hier ein Reptilienzoo. So ganz passt er aber vielleicht doch nicht: Hat sich wirklich jemand den Siegfried-Drachen wie einen Alligator aus den Everglades vorgestellt?

Dann das Gipfelerlebnis. Sehr wetterwendisch. Mal schaut man bis zum Kölner Dom, mal liegt selbst der Rhein unter Nebel verborgen. Wenn es nicht gerade Sonntagnachmittag ist, kann es sehr still sein auf dem Drachenfels. Zurzeit wird allerdings heftig gewerkelt: Im Januar wurde das monströse Beton-Restaurant aus den 70er Jahren abgerissen. „Das Ungetüm vom Drachenfels“ wurde es genannt. Andreas Pätz von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Königswinter sagt, dass der Drachenfels „den Charme der 70er Jahre abstreifen“ soll. Das neue Restaurant wird ein Glaskubus.

Der Drachenfels hat noch immer ein beachtliches Potenzial. Die angeblich drei Millionen Besucher jährlich, von denen lange die Rede war, sind zwar ebenso eine Sage wie die Mär vom „Hausberg Hollands“. Aber 400 000 Besucher jährlich, fast allesamt Deutsche, sind ja auch nicht gerade schlecht für einen Berg, der gerade 321 Meter hoch ist.

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