Die Fahrt als Erlebnis: Wie die Busreise hip wurde
Berlin (dpa/tmn) - Busreisen hatten lange Zeit ein verstaubtes Image. Vor allem durch die neuen Fernbusse wandelt es sich jedoch. „Der Bus ist im Zeitgeist angekommen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer im Interview.
Schulklassen und Senioren: Das waren lange Zeit die typischen Zielgruppen von Busreisen. Auch heute noch machen sie einen großen Teil der Kunden aus. Doch es ändert sich gerade einiges: Die Fernbusse ziehen auch anderes Publikum an. Und das dürfte sich in den kommenden Jahren bei den Busreisen niederschlagen, sagt Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) im Interview. Folglich ändert sich auch das Angebot der Busreiseveranstalter. Der Trend geht zu themenbezogenen Fahrten - von der Gourmetreise bis zum Musicalbesuch.
Beim Thema Busreisen fällt vielen zuerst die Oma ein, die nach Italien fährt, oder die Klassenfahrt. Trifft dieses Image noch zu?
Leonard: Nein, da tut sich gerade sehr viel. Busreisen sind sehr beliebt. Sie sind nicht wegzudenken. Aber richtig ist auch, dass die klassische Zielgruppe bei einer Busreise über 60 Jahre alt ist. Das Durchschnittsalter liegt bei 56 Jahren. Auf der anderen Seite gibt es viele Jugendliche, die sehr begeisterte Busreisegäste sind. Der Anteil der 14- bis 29-Jährigen liegt bei 24 Prozent. Durch die neuen Fernbuslinien gewinnen wir ein neues Publikum.
Wie sieht die typische Busreise aus?
Leonard: Viele Busreisen sind Tagesfahrten. Allerdings dauert die durchschnittliche Urlaubsreise mit dem Bus 9,3 Tage. Typisch sind auch die einwöchigen Fahrten.
Und wohin fahren die Deutschen am liebsten?
Leonard: In der gesamten Touristik ist Deutschland das beliebteste Ziel der Deutschen. Das ist auch bei Busreisen der Fall. Berlin liegt hier vor Bayern und Hamburg. Bei den Busreisen ist im Ausland Italien am gefragtesten. Auf den weiteren Plätzen folgen Österreich, Frankreich, Polen und Kroatien.
Hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?
Leonard: Da gab es kaum Veränderungen. Aber es gibt einen großen anderen Trend - hin zu themenbezogenen Fahrten. Das kann ein Musicalwochenende sein oder eine Gourmetreise, bei der die Gruppe in mehreren Sterne-Restaurants bekocht wird. Und es gibt sogar Anbieter die selbst Gourmetbusse haben, wo schon in den Bussen gekocht werden kann. Die Fahrt wird heute immer mehr zu einem Erlebnis.
Warum entscheiden sich die Urlauber für eine Busreise?
Leonard: Der Hauptgrund ist die Geselligkeit. Viele Menschen wollen einfach nicht alleine reisen. Daneben ist der Bus ein sehr flexibles Reisemittel - und der Preis stellt natürlich immer noch ein wichtiges Argument dar. Wobei er nicht mehr ganz so wichtig ist wie früher. Die Leute erwarten etwas für ihr Geld.
Was?
Leonard: Vor allem ein attraktives Programm vor Ort, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freizeit und Gruppenaktivitäten. Eine gute Organisation ist wichtig, ein qualifizierter Reiseleiter, guter Service, ein komfortabler Bus.
Haben sich die Erwartungen an den Bus geändert?
Leonard: In den neuen Fernbussen steckt einiges drin, was sich in den kommenden Jahren sicher auch in den Reisebussen durchsetzen wird - allen voran kostenloses WLAN.
Welche Rolle spielt der Busfahrer?
Leonard: Der Fahrer ist einer der wichtigsten Faktoren. Laut Umfragen erwarten die Reisenden einen umsichtigen, kompetenten Fahrer, der auch in die Reiseplanung involviert ist, wenn es keinen extra Reiseleiter gibt.
Wie groß ist das Segment Busreise?
Leonard: Wir haben jährlich 79 Millionen Passagiere im Gelegenheitsverkehr. Dazu zählt aber auch der Anmietverkehr, wenn sich zum Beispiel der Kegelverein einen Bus für den Jahresausflug mietet. Statistisch gesehen unternimmt jeder Bundesbürger also eine Busreise pro Jahr. Laut Reiseanalysen sind es zwölf Prozent der Bevölkerung, die jährlich mit dem Bus verreisen. Die Passagiere sind verstärkt Wiederholungstäter. Die Länge der Reisen nimmt ab, die Deutschen machen mehrere kürzere Reisen. Das kommt auch der Bustouristik zugute.
Was sind die Hauptkonkurrenten für den Bus?
Leonard: Der Bus steht auf Platz drei, also noch vor der Bahn. Hauptkonkurrent ist aber der Pkw mit 46 Prozent aller Reisen. Die Billigflieger werden ein immer stärkerer Konkurrent.
Sie haben die Fernbusse angesprochen. Was bringen diese für das ganze Segment Busreisen?
Leonard: Der Fernbus ist ein riesiger Erfolg. Der Markt ist seit mehr als einem Jahr liberalisiert. Der Zuspruch zeigt, wie attraktiv das Produkt Bus ist. Das wird sich auch auf das Segment Reisebusse auswirken. Ich bin überzeugt, dass wir durch die Fernbusse auch eine jüngere Zielgruppe und noch mehr Familien in Reisebusse bringen werden. In den Fernbussen sitzt die Generation zwischen den Schülern und Senioren. Der Bus ist im Zeitgeist angekommen. Er ist einfach eine günstige und bequeme Alternative. Viele sind von den Mitfahrzentralen zum Bus umgestiegen.
Bei aller Euphorie: Wo gibt es denn noch Probleme bei den Fernbussen?
Leonard: Das größte Problem für die Entwicklung des Marktes sind die Busterminals. Die Attraktivität des Produkts Fernbus steht und fällt mit den Stationen. Bei den Bussen lässt sich nicht mehr viel verändern, die sind auf dem neuesten Stand und absolut modern. Viele Städte hinken bei den Busstationen noch ziemlich hinterher. Bislang können nur zwei Städte, Hamburg und Mannheim, eine Haltestelle vorweisen, die den Anforderungen der EU-Fahrgastverordnung entspricht. Das betrifft vor allem die Barrierefreiheit, aber auch die Ausstattung mit sanitären Anlagen oder Auskunftsmöglichkeiten.