Ein Ort zum Träumen
In Panama City Beach in Floridas Nordwesten dreht sich alles um schneeweiße Strände mit quietschendem Sand, um kristallklares Wasser und Outdoor-Aktivitäten.
„Such dir eine aus. Irgendeine.“ Eine Auswahl an Meeresmuschelschalen bedeckt den Boden des pinkfarbenen Spielzeug-Siebs, welches das Mädchen im ebenso grellrosa leuchtenden Badeanzug einer Strandbesucherin entgegenstreckt. Die meisten ihrer Schätze sind herzförmig mit vertikalen Rillen, winzig bis daumennagelgroß. Ein Exemplar sticht aus der Menge heraus: ein langes, spitz zulaufendes Schneckenhaus. „Ich sammle die immer, wenn wir hier sind, und schenke sie anderen Leuten“, sagt die Blondine, die sich kurz darauf als Georgia vorstellt. Mehrmals pro Jahr besucht die Sechsjährige gemeinsam mit ihrer großen Familie die St. Andrew Bay in Panama City Beach im Nordwesten Floridas, planscht im seichten, kristallklaren Wasser — und liest immer wieder einige der unzähligen Muschelschalen auf, die sich über den feinen, weißen Sand verteilen und die Kulisse einmal mehr malerisch machen.
Doch so beschaulich wie auf einem gepinselten Stillleben geht es an den rund zweieinhalb Kilometer langen, puderzuckerartigen Sandstränden des State Parks St. Andrew am Golf von Mexiko nicht zu. Allein das Angebot an Wassersportaktivitäten ist groß: Braungebrannte Menschen und solche, die es werden wollen, balancieren mit ihrem Ruder beim Stand-up-Paddling, schneiden im Kajak durch die flachen Wellen, fahren Jetski, schnorcheln und tauchen, ab und an begleitet von neugierigen Fischen, im türkisblauen Meer. An anderen Stellen der St. Andrew Bay, die um 1500 Piraten und spanische Eroberer besiedelten, gehen Taucher auf die Suche nach Überresten von Schiffswracks und der Ladung, um die die einstigen Freibeuter bis zum Tod gekämpft hatten.
Jenseits der Strandunternehmungen, zu denen natürlich auch Sonnenbaden sowie legere Picknicks zählen, gehört St. Andrew auch wegen seiner Naturlehr- und Wanderpfade zu den meistbesuchten State Parks in Florida. Das sumpfige Hinterland rund um den Gator Lake etwa bildet einen spannenden Kontrast zum sonnenbeschienenen Quarzsand auf der Strandseite.
In sich verschlungene Pflanzen lassen das Areal verwunschen aussehen. Libellen tanzen durch die Luft, als jonglierten unsichtbare Hände mit ihnen. Manche landen auf den schmalen Blättern des Schilfs, das aus dem stillen Gewässer ragt. Unmittelbar daneben steht ein Schild: „Alligatoren! Vorsicht: wild und gefährlich“.
„Ich weiß nichts von Unfällen mit Alligatoren“, sagt Park Ranger Amber Riley, die Touristenführungen begleitet. „Sie bleiben gern für sich und werden nur ungemütlich, wenn man sie stört. Sie können sehr schnell laufen, aber auch nur über kurze Distanzen.“ Wohler wird es den meisten Parkbesuchern trotzdem erst wieder, wenn sie eine ausreichend große Distanz zwischen sich und den Alligator-See gebracht haben — auch, wenn sich diesmal keines der Reptilien sehen ließ.
Ein Reh, das kurz vom Grasen aufschaut und sich dann wieder seiner Nahrungsaufnahme widmet, ist wesentlich angenehmer anzuschauen. Nur ein paar Schritte weiter steht ein Reiher auf dem braunen Waldboden. Menschen sieht man kaum. „Zwischen Juni und August ist Hauptsaison auf den angrenzenden Campingplätzen. „Im Frühjahr und Herbst hat man mehr Ruhe“, sagt Riley.
Rund eine Stunde Fahrtzeit von der St. Andrew Bay entfernt liegt Shell Island. Zu dieser sieben Kilometer langen, unbewohnten Insel gelangt man ausschließlich übers Wasser, traditionell per Katamaran oder Motor-Schlauchboot, in dem bis zu zwölf Personen Platz finden. Transfers mit dem „Pontoon“ offerieren zahlreiche Anbieter; wer unabhängig bleiben will, kann es aber auch selbst steuern — ohne Bootsführerschein.
Schon unterwegs begleiten das Fahrzeug für gewöhnlich zahlreiche Delfine, Möwen und handtellergroße, orangefarbene, schwarz gepunktete Schmetterlinge. „Die heißen Gulf fritillarys. Sie fliegen nach Mexiko“, sagt Pontoon-Kapitän Mike, der Touristen seit 13 Jahren einmal am Tag nach Shell Island und zurückfährt. Was an der Trauminsel am meisten beeindruckt, sind jedoch gar nicht ihre Muscheln, auch wenn es der Name suggeriert. Auch nicht ihre Pelikane, Wattvögel und Möwen, die am Wasser auf und ab spazieren und ein Auge auf die Krabben werfen. Sondern das Gefühl der vollständigen Entschleunigung: Die glitzernden Quarze des blendend weißen Sandes sind so fein, dass sie beim Auftreten quietschen. Der samtweiche Untergrund erzeugt unmittelbar den Drang, sich hinzusetzen — und den Blick dann stundenlang auf die Weite des Meeres zu richten, das sich smaragdfarben vor dem stahlblauen Himmel erstreckt.
Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Panama City Beach.