Eine Friedensbewegung: Interrail gestern und heute

Berlin (dpa/tmn) — Mit großen Rucksäcken stehen sie am Bahnhof. Häufig in Gruppen. Ein Ticket und eine Mission verbindet sie alle: Interrailing durch Europa. Seit 44 Jahren gibt es das Angebot, entstanden durch eine Werbeaktion zum 50. Geburtstag des Eisenbahnverbands UIC.

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Aber ist das Reisen mit dem Interrail-Ticket heute anders als früher? „Ob heute oder damals - das Interrailing ist immer noch ein Erlebnis“, sagt David Scheibler, Autor des „Zugreiseblog“.

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Natürlich hat sich mit der Zeit einiges verändert. Liest man Reiseberichte der ersten Interrailing-Generation, kann man das Gefühl bekommen, dass die Reise mit der Bahn quer durch Europa heute kein Abenteuer mehr ist. Aber das ist falsch, meint Scheibler. „Wer heute eine Europatour mit dem Zug macht, wird genau das gleiche Abenteuer- und Freiheitsgefühl spüren wie die alten Generationen. Auch wenn es heute vielleicht anders ist als früher.“

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Aber was genau ist anders? Es fängt mit dem Angebot an. Heute gibt es nicht mehr nur einen Global- oder Zonenpass wie noch am Anfang. Es gibt viele verschiedene Pässe, die sich mit individuellen Reisearten kombinieren lassen.

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Der Preis ist ein wichtiger Punkt. Der ganz klassische Global Pass kostet junge Erwachsene für einen Monat unbegrenztes Zugfahren 479 Euro. Wer kann sich das als Student, Schüler oder Auszubildender mal eben leisten? „Die Tickets sind teuer geworden“, bestätigt Wolfgang Klein, Autor des Interrail-Reiseführers „Preiswert durch Europa“. Er ist Ende der 1980er zum ersten Mal mit dem Interrailticket vereist. „Gerade in den Zeiten von Billigfliegern und -bussen hat das Interrailticket starke Preiskonkurrenz.“

Und das erkennt man auch an den Verkaufszahlen. „Nach dem Fall der Mauer, Anfang der 90er, wurden weit über 400 000 Tickets gekauft. Heute sind es viel weniger.“ Genauer: Nach Auskunft der Deutschen Bahn wurden im vergangenen Jahr 250 341 Tickets verkauft. Die größte Gruppe bilden immer noch junge Erwachsene unter 26 Jahren. „Wir konnten uns damit über einen Verkaufsrekord seit der Neustrukturierung 2007 freuen“, sagt Michael Peterson, Marketing-Vorstand Fernverkehr.

Andererseits wurde das Reisen mit dem Ticket aber auch eingeschränkt, berichtet Wolfgang Klein aus seinen Erfahrungen. „Viele Bahngesellschaften denken offenbar: Langhaarige Rucksackträger bringen kein Geld. Also hat sich das Angebot radikal verändert.“ So muss man heute zum Beispiel die Plätze in vielen Zügen reservieren. „Früher konnte man ganz spontan in den nächsten Zug steigen. Heute muss man mehr planen.“

Auch Scheibler sieht einige negative Veränderungen. Vor allem den Wegfall vieler Nachtzüge bedauert er. „Das war früher entspannter. Man ist abends in den Zug gestiegen und morgens in einer anderen Stadt aufgewacht.“ Viele Interrailer haben das so gemacht. „So konnte man sich das Geld für das Hostel sparen.“ Zudem kritisieren beide Autoren die Aufschläge für die Hochgeschwindigkeitszüge. „Die Verbindung Paris-Brüssel kostet 20 bis 30 Euro extra. Da ist ja schon fast ein normales Ticket günstiger“, sagt Klein. Somit bleibt den Interrailern nur noch das langsame Reisen. Für Scheibler ist aber genau das das Reiseerlebnis. „Wer eine Stunde fliegt, wird nicht viel erleben. Wer dagegen acht bis neun Stunden im Zug sitzt, lernt das Land und viele Leute kennen.“

Letztendlich ist der Kerngedanke von Interrail aber immer noch derselbe. „Es ist die größte Friedensbewegung Europas“, sagt Klein. „Dass junge Menschen aufbrechen, andere Menschen, Sprachen und Kulturen kennenlernen.“