Königreich der Musik: Aus Memphis kommen drei Musikstile
Memphis (dpa/tmn) - Die Stadt hat einen King hervorgebracht, der als Lastwagenfahrer anfing: Elvis Presley, der im Januar 80 geworden wäre, hat Memphis weltberühmt gemacht. Aber es gibt noch mehr zu sehen am Mississippi, zum Beispiel jede Menge Weltgeschichte.
Jerusalem mag die Welthauptstadt von drei Religionen sein, dafür ist Memphis die Wiege von drei Musikstilen. Blues und Soul wurden hier geprägt, vor allem aber der Rock 'n' Roll nahm in der Stadt in Tennessee seinen Anfang. Dabei hat man hier am Mississippi den größten Ruhm einem Mann zu verdanken, der gar nicht hier geboren wurde: Elvis Presley. Er prägt nach wie vor Memphis - und lockt jährlich Millionen Touristen an. Der 80. Geburtstag des „King“ im Januar wird hier gefeiert, als wäre er ein Heiliger.
„Er war der King. Und er ist es noch“, sagt Brandon Cunning. „Stunning Cunning“ ist selbst Musiker und verehrt Presley, der mit 13 mit seinen Eltern nach Memphis zog. „John Lennon hat mal gesagt, dass vor Elvis nichts gewesen sei. Und so war es auch. Er hat die Welt revolutioniert und die Folgen spüren wir noch heute. Jeden Tag.“
Cunning spielt abends in der Beale Street. Die wurde vor kurzem zur belebtesten Straße der USA nach der Bourbon Street in New Orleans gewählt. Hier reiht sich ein Club an den anderen, und von irgendwo her kommt immer Livemusik, selbst mitten am Tag. B.B. King's Blues Club ist einer der bekanntesten Läden hier und hat geholfen, Memphis wieder nach oben zu bringen.
„Nach dem Attentat auf Martin Luther King ging es uns verdammt dreckig“, sagt Clubmanager Thommy Peters. „Damals standen Panzer hier in der Beale Street und der Mord hat unsere Stadt über Jahrzehnte gelähmt.“ Erst in den Neunzigern sei es wieder aufwärts gegangen. „In kaum einer anderen Stadt der USA leben heute Schwarze und Weiße so harmonisch zusammen“, sagt Peters. „Und ich meine wirklich zusammen, nicht nebeneinander. Und das liegt an der Musik.“
Das Studio, in dem Elvis seine erste Aufnahme machte, gibt es noch. Im Sun Studio nahmen auch B. B. King, Ike Turner und Johnny Cash ihre frühen Platten auf. „Sam Phillips war eigentlich Radiomoderator. Aber die Musik war ihm zu langweilig und so eröffnete er sein eigenes Tonstudio“, erklärt Lhana Deering. Die Musikerin macht ihre Aufnahmen in dem Studio - nachts. Tagsüber gehört es den Touristen. Wer will, kann sich mit dem Mikrofon fotografieren lassen, in das Elvis sang.
Das „Hotel Chisco“ ist heute längst kein Hotel mehr, und das Haus sieht baufällig aus, aber es ist auch eine Wallfahrtsstätte. Von hier aus machte Dewey Phillips eine Radiosendung und legte im Juli 1954 „It's alright“ von einem Lastwagenfahrer namens Elvis Aron Presley auf. Er bekam mehr als 200 Anrufe und sogar Telegramme: Nochmal! 14 Mal spielte er den Song in der Nacht und brach eine Weltrevolution los.
Mit dem Ruhm kam das Geld und Elvis kaufte Graceland. „Das hat 100 000 Dollar gekostet“, sagt Cunning. Damals war das viel, Geld und Elvis steckte noch die gleiche Summe in einen Umbau. Das Ergebnis ist ein maßgeschneidertes Haus, das viel über Elvis sagt - und über seinen Geschmack.
Das Wohnzimmer sieht fast normal aus. Nur die zwei großen Pfauen auf dem gläsernen Raumteiler sind Geschmackssache. Am Fenster steht ein überlanges weißes Sofa, das ein Lieblingsplatz des King gewesen sein soll. Gegenüber ist die Essecke. Obwohl die Küche in Eiche rustikal ausgelegt ist, war sie mit den modernsten Geräten ausgestattet. Auch einen Fernseher gab es dort.
Und im Keller ein Fernsehzimmer. Drei TV-Geräte sind nebeneinander in die Wand eingelassen. Der ganze Raum ist mit gelbem Leder verkleidet, auch die kleine Bar. Im Gegensatz zum Billardzimmer, wo selbst die Decke mit buntem Tuch ausgeschlagen ist. Im Dschungelraum läuft der Wasserfall nicht mehr, aber ein dicker grüne Teppich bedeckt Fußboden, Wände und Decke - wegen der Akustik. Hier nahm Presley sechs Songs seines letzten Albums auf.
Elvis' Autos, darunter der berühmte rosa Cadillac, den er seiner Mutter schenkte - stehen in einem Extramuseum. Dort, nur ein paar Meter weiter, finden sich auch die beiden Flugzeuge, die er besaß. Die „Lisa Marie“ war eine Convair, in die gut 100 Passagiere passten.
Graceland ist ein perfekt organisiertes Millionenunternehmen. Ein Disneyland des Rock'n'Roll. Gleich gegenüber dem Anwesen sind mehrere Restaurants und elf Souvenirläden, die alle das Andenken an Presley vermarkten. Und alles dreht sich um einem Jungen, der arm aufwuchs.
Armut war auch der Grund für einen Streik der vor allem schwarzen Arbeiter der Stadtreinigung von Memphis. Unterstützung bekamen sie von einem Friedensnobelpreisträger: Martin Luther King. Am 4. April 1968 ging er abends auf den Balkon seines einfachen Motels. Plötzlich traf ihn ein Schuss. Eine Stunde später wurde er für tot erklärt.
Das „Lorraine Motel“ ist heute das Museum der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und wurde gerade für 17 Millionen Dollar umgebaut. Es schildert den Kampf der Schwarzen von ihrer Versklavung vor 400 Jahren bis heute. So erinnert zum Beispiel ein Bus, ein Wrack nur, das durch geschickten Lichteinsatz zu brennen scheint, an das Jahr 1961, als Wahlhelfer von Rassisten angegriffen wurden. Und über dem Bild des Polizeichefs von Birmingham in Alabama, Eugene „Bull“ Conor, steht sein Zitat: „Ich pfeife auf das Recht. Wir hier unten machen unser eigenes Recht.“ Seine Antwort auf Kings Gewaltlosigkeit waren Wasserwerfer, Hunde und Knüppel.
„So war die Zeit damals. Und es ist erst 50 Jahre her“, sagt James Thompson. Er hat vor 56 Jahren Geschichte geschrieben - dabei ist er selbst erst 65. „Wir hatten damals auf dem Spielplatz uns gegenseitig Küsschen zum Abschied gegeben. Dummerweise war eines der Mädchen weiß.“ James und sein siebenjähriger Freund, natürlich auch ein Schwarzer, wurden verhaftet: Vergewaltigung! Erst nach monatelangem, weltweiten Protest wurden die beiden Kinder freigelassen.
„The Kissing Case“ wird heute von Jurastudenten behandelt und ist Teil der Ausstellung im völlig überarbeiteten Bürgerrechtsmuseum in Memphis, Tennessee. James war da und hat sie sich angeguckt. „Ich bin stolz auf dieses Land“, sagt er. „Stolz darauf, dass es sich der Vergangenheit stellt und auch, dass es einen schwarzen Präsidenten wählen konnte. Man muss ihn nicht mögen, aber er wurde gewählt. Und wer das damals erlebt hat, weiß, was das heißt.“