Krimireisen in Bayern: Mörderisch schönes Allgäu

Blutrote Geheimnisse: Unterwegs auf den Spuren des kauzigen Kommissars Kluftinger.

Es lächelt der See, aber zum Bade lädt er nicht. Zu viele Geheimnisse ranken sich um das türkise Gewässer bei Füssen, das rundum dunkler Tann einschließt wie eine grüne Wand. In jüngster Zeit hat es der Alatsee sogar zu Krimi-Ehren gebracht.

Und die bescheren ihm neugierige Touristen, die auf den Spuren des kauzigen Allgäuer Kommissars Kluftinger unterwegs sind. Am besten mit Erih Gössler, die im "Außendienst" ihre Aufgabe sieht.

Zur "Seegrundführung" hatte die dunkelhaarige Reisebegleiterin mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen die Ideen beigesteuert. Doch bevor sie an die Ausarbeitung gehen konnte, musste sie das Buch des Allgäuer Autorenduos Volker Klüpfel und Michael Kobr erst einmal lesen.

Das Rätsel um einen toten Taucher am geheimnisumwitterten Alatsee ist so recht nach dem Geschmack der Kluftinger-Fans. Gemächlich tapsend wie Braunbär Bruno treibt Kluftinger seine Allgäuer Ermittlungen voran. Gestalten sich die Ermittlungen anfänglich unerwartet zäh, so führen bald alle Hinweise auf den Grund des Alpengewässers und seines blutroten Geheimnisses.

Bei Erih Gösslers abendlichen Führungen tauchen die Touristen mit Wonne ein in die Rätsel rund um das schaurig-schöne Gewässer. Der Alatsee: Blutrote Wolkennebel, eisige Kälte, teuflischer Schwefelgestank. Kein Wunder, dass die Altvorderen den See mieden wie das Tor zur Hölle.

Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese entlegene Landschaft mit dem Saum von schroffen Bergspitzen von Sommerfrischlern mit Botanisiertrommeln und Schmetterlingsnetzen erobert. Im Dritten Reich dann wurde der See zur Sperrzone. Wernher von Braun war hier und die Gerüchteküche kochte.

Angeblich wurde im See die letzte Wunderwaffe getestet. Womöglich liegt auch tief unter den tödlichen Purpurwolken ein Schatz, den die Nazis vor den Alliierten versteckt hatten. Jedenfalls sperrten die Amerikaner nach dem Krieg den See noch weitere neun Jahre ab. Was genau sie suchten, weiß man bis heute nicht.

Die mysteriösen Vorgänge um den See haben den Journalisten Volker Klüpfel und den Lehrer Michael Kobr zu ihrem dritten Krimi "Seegrund" inspiriert - und Erih Gössler zu ganz besonderen Führungen rund um den See.

So manches hat auch sie erst durch den Krimi entdeckt, wie die kleine Hütte am See, aus der Kluftinger bei seinen Ermittlungen Rauch aufsteigen sah. Ihr Gefolge lauscht mit angehaltenem Atem, wenn die Führerin aus dem Krimi liest und auch wenn sie nebenbei aus Füssens sagenhafter Geschichte erzählt. Und als sich Erih Gössler vor aller Augen noch in eine veritable Hexe verwandelt, die mit schriller Stimme vom Fluch der drei Schwestern erzählt, die Männer ins Gewässer locken und vom heulenden Schlüsselmönch, der in den Wäldern umgeht, bekommen nicht nur Kinder eine Gänsehaut.

Die Kluftinger-Touren werden noch authentischer, wenn Klüpfel Senior aus den Krimis liest. Beim Anblick des grauhaarigen Allgäuers mit dem prächtigen Schnauzer, den Haferlschuhen und der Krachledernen sehen die meisten den "Klufti" vor sich.

Jedenfalls sind Vater Klüpfel und der Kommissar inzwischen intime Freunde - so wie das ganze Dorf sich in den Krimis wieder zu finden scheint. Das "Kreuzkruzifix", das der grantelnde Ermittler gerne ausstößt, nimmt man dem Senior ebenso ab wie das Schnauben wie ein Walross. Die schauspielerischen Fähigkeiten hat Peter Klüpfel schon seit 1952 entwickelt, als er das erste Mal auf der Freilichtbühne dabei war.

"Als Altusrieder macht man da einfach mit", sagt er und man glaubt es ihm aufs Wort. Das ganze Dorf spielt offensichtlich nicht nur auf der Freilichtbühne mit, sondern auch bei seinen Führungen auf Kluftinger-Spuren.

Auf dem Friedhof, wo der Kommissar im Krimi "Milchgeld" einen Verdächtigen verfolgte, treffen die Kluftinger-Fans zwar nicht auf Täter, aber auf eine zweite Gruppe, die ebenfalls dem Charme des kauzigen Allgäuers erlegen ist. Für einen Film hat Vater Klüpfel hier schon mal den Kluftinger gemimt.

"So 20 Mal", erinnert er sich, musste er dabei "über den Friedhof kreisen, danach hab’ i alles nur noch verschwommen gesehen." So geht’s, wenn man einen berühmten Sohn hat. Bei seinen Führungen hat er’s leichter. Da zeigt er einfach, was er für wichtig hält: das Blasius-Deckengemälde in der Rokoko-Kirche, die alte Schule, wo heute der Gesang- und Musikverein residiert und in der Kluftinger mit seiner "Scheiß-Trommel" kaum durch die Tür kommt, die toskanisch inspirierte Langhammer-Villa im Viertel der "Neigschmeckten", wo er als Kind die Kühe hütete.

So 15 Kluftinger-Touren im Jahr macht Papa Klüpfel, und wenn der Andrang zu groß wird, hilft Tochter Martina aus. Natürlich kennt er die Hintergründe der Krimis (fast) so gut wie die Autoren selbst. Die Tatsache etwa, dass der Tatort in Milchgeld nicht das Milchwerk Altusried war ("das trauten die sich damals net") und dass die beiden Verfasser nach dem Erfolg des Buchs vom Altusrieder Milchwerk zu einer Lesung eingeladen wurden.

Früher, als Kluftinger und Klüpfel Senior Kinder waren, berichtet der kundige Führer, seien drei Polizisten im Polizeipräsidium stationiert gewesen. Bis heute seien noch Gefängniszellen im Keller des Hauses erhalten. "I weiß’ net, warum wir damals drei Polizisten hatten", wundert sich Vater Klüpfel, "Wir sind doch heut’ viel krimineller als damals die Leit’."

Sonst hätte der Klufti ja auch nix zu tun.