Reisen Nordspanien: Zu Besuch beim Käsebauern
Auf den Almen rund um den Nationalpark Picos de Europa in Nordspanien entstehen seltene Käsesorten. Doch die Tradition ist bedroht.
„Wenn nur die Wölfe nicht wären! Dann würden wir hier oben im Paradies leben“, sagt Manuel Antonio Valle. „Früher sind wir oft im Schlafanzug rausgerannt, um das Vieh zu beschützen.“ Der Landwirt lässt seinen Blick über die saftigen Wiesen, die Jahrhunderte alten Steinhäuser und seine neu errichtete Käserei schweifen. Valles Alm liegt an den Hängen der Picos de Europa, eines wilden Kalkgebirges in der nordspanischen Provinz Asturien. Die Region ist berühmt für ihren Käse, der von Restaurants in ganz Spanien nachgefragt wird, rund 30 Sorten sind offiziell registriert.
Der Cabrales zum Beispiel, ein würziger Blauschimmelkäse. Oder der trockene „A fuega l’Pitu“. „Den haben früher erstmal die Hühner probieren müssen — wenn sie husteten, war er trocken genug“, erzählt Valle lachend. Der 60-Jährige stellt Gamonedo her, einen Käse aus Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch, der vor dem Ausreifen leicht geräuchert wird. Valle schwärmt von der Sommersaison auf der Alm, vom nächtlichen Sternenhimmel und der gesunden Ernährung. „Für die ältere Generation ist das Leben hier nicht hart, weil wir es gerne machen. Aber die Jugend will nicht für mehrere Monate in den Bergen leben und um fünf Uhr aufstehen, um Käselaibe zu wenden.“
Nur noch wenige Landwirte im Rentenalter hält die Produktion aufrecht. Im vergangenen Jahr haben die Senioren eine „Hirtenschule“ ins Leben gerufen, um Nachwuchs aus anderen Regionen anzulocken. Die ersten Absolventen waren begeistert, aber sie gingen wieder. „Kein Wunder, denn niemand will ihnen Land verpachten, auf dem sie Vieh halten könnten“, sagt Valle. Der Familienzusammenhalt ist nicht stark genug, um die Tradition fortzuführen, aber vom Land trennen will sich trotzdem niemand.
Valle packt einen runden Laib Gamonedo aus, schneidet ihn in Stücke und legt dicke Scheiben Weißbrot dazu. Ein Picknick auf der Alm, und doch nur wenige Kilometer von den Stränden des Atlantiks entfernt. Einige Wanderer lassen sich einen Laib einpacken — wer weiß, wie lange es den Käse noch gibt.
Die aufwendige Produktion hat ihren Preis: Mit rund 35 Euro pro Kilo gehört der Käse zu den teuersten der Region — meistens ist er dennoch ausverkauft. Besuche auf „Majadas“, wie die Almen heißen, sollen den Tourismus in der Region weiter ankurbeln. Asturien ist ein Ziel, das viele Reisende erst beim zweiten oder dritten Spanienurlaub entdecken. Dabei steht fast ein Drittel der Provinz heute unter Naturschutz.
Als einziger Zipfel des Landes wurde Asturien nie von den Mauren erobert, Asturier sind deshalb sehr patriotisch. Zum asturischen Selbstverständnis gehört auch der Stolz auf die regionalen Produkte. So trinkt man dort im Gegensatz zum restlichen Spanien kaum Wein oder Bier, sondern Sidra, einen Apfelwein, dessen Genuss mit einem regelrechten Kult zelebriert wird. Wanderführer Fernando Ruiz macht es vor: Er hebt die Flasche über den Kopf und gießt einen langen, dünnen Strahl in das Glas, das er leicht gekippt in Hüfthöhe hält. Die Sidra wird dadurch mit Sauerstoff angereichert und bleibt einen Augenblick lang besonders spritzig.
Rogelio López, Käsehersteller
„Keine leichte Kunst“, sagt Fernando. „Viele üben das erst einmal mit Wasser in der Badewanne.“ Unter Freunden trinkt man aus einem gemeinsamen Glas, schenkt immer wieder fingerhoch nach. Eine weitere Regel besagt, dass alle Sidra-Hersteller die gleichen Flaschen benutzen und den gleichen Preis verlangen. „Dadurch kann kein Restaurant wuchern.“
Hoch in den Bergen liegt auch das Dorf Cabrales, in dem der gleichnamige Käse hergestellt wird — der bekannteste der Provinz. Die Fahrt dorthin führt durch die Schlucht des Flusses Duje. Die Abendsonne lässt die Felsen rechts und links der Serpentinen erglühen, daneben tost der Wildbach ins Tal. Bemooste Bäume krallen sich an die Steine über dem Fluss, in Tielve lädt ein altes Steinbrückchen zum Stopp ein. In Cabrales wartet schon vor einem Tor im Fels ein kleiner, schnauzbärtiger Mann, über seinem grauen Haarkranz trägt er eine Stirnlampe.
Rogelio López schließt seine Käsehöhle auf und sofort dringt ein strenger, säuerlicher Geruch heraus. Im Licht einer schwachen Lampe geht es über felsigen Boden in die Tiefe. Die Bretter der Regale an den Wänden biegen sich unter der Last hunderter Käselaibe: manche bläulich, andere gelblich gefärbt. Zwölf Grad sind es und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit, beste Bedingungen für den Schimmel. López verteilt kleine Kostproben, der Geschmack ist ebenso stark wie der Duft — das gefällt nicht jedem Gaumen. Der Cabrales wird deswegen auch gern in Soßen verwendet, in denen er von seiner Intensität verliert.
Die Käseart wurde eigentlich von Bergarbeitern erfunden, die neben der harten Arbeit in den nahe gelegenen Kohleminen noch etwas Vieh hielten. Wie der Cabrales berühmt wurde, weiß López nicht mehr: „Zeitweise gab es mehr als 40 Hersteller, heute sind wir nur noch fünf — und alle älter als 50 Jahre“, klagt er. Die Wölfe sind Schuld, dass der Cabrales heute nur noch aus Kuhmilch besteht. Die Raubtiere rissen zu viele Schafe und Ziegen. Seit den 90er-Jahren sind die einst ausgerotteten Wölfe zurück, bis zu 30 Rudel sollen durch die Picos de Europa streifen. Doch zumindest Manuel Valle kann wieder ruhiger schlafen: Der Nationalpark hat ihm elektrische Zäune zum Schutz spendiert. Kein nächtliches Ausrücken im Schlafanzug mehr. Der Autor reiste mit Unterstützung des spanischen Fremdenverkehrsamtes.