Oberpfalz: Wein aus Walhalla

Ein winziges Weinanbaugebiet liegt vor den Toren Regensburgs.

Düsseldorf. Wer denkt schon an Wein, wenn von der Oberpfalz die Rede ist? Gersten- statt Rebsaft verbindet man mit dieser Region in Bayern. Doch in einem kleinen Winkel stemmt man sich nach Kräften und im Bewusstsein einer jahrhundertealten Tradition gegen die Vormacht des Biers. Vor den Toren Regensburgs, am Ufer der Donau, kann der Weinfreund eins der ältesten Anbaugebiete entdecken — und eins, das von sich behauptet, das kleinste in Deutschland zu sein.

„Groß ist beim Regensburger Landwein nur die Vergangenheit“, erzählt Theodor Häußler. Der Weinkenner und Autor mehrerer Publikationen zum Thema führt aus, dass es keine Winzergenossenschaften, keine Flurbereinigung und noch nicht einmal eine Weinkönigin gebe. „Dafür kennen wir aber auch keine Absatzprobleme.“ Der Baierwein, so die alte Bezeichnung, wird ausschließlich in seiner Heimat getrunken. Die Weinstuben in den Winzerdörfern Bach und Kruckenberg, die direkt am Donau-Radweg liegen, sind der richtige Ort für eine Probe des herben und trockenen Tropfens.

Der Regensburger Landwein hat eine lange, wechselhafte Geschichte. „Heute sind wir froh, dass es ihn überhaupt noch gibt und er wieder neue Freunde gewinnt“, verrät Häußler.

Wahrscheinlich geht der Weinbau auf die Römer zurück. Urkundlich erwähnt wurde der Baierwein erstmalig 1271. In Klöstern wie St. Emmeram in Regensburg, wo heute Gloria von Thurn und Taxis Hof hält, wurden in der Folge Weingärten angelegt.

Das Ufer der Donau war von Kelheim bis Passau von Weinbergen gesäumt und am Wittelsbacher Hof in München rannen jährlich nicht weniger als 40 000 Liter Baierwein durch die Kehlen. Klimatische Veränderungen und zunehmende Konkurrenz sorgten dafür, dass die Anbaufläche kontinuierlich zurückging.

Heute wird allerdings mit steigender Tendenz auf rund vier Hektar — meist steilen Lagen, in denen von Hand geerntet werden muss — vorrangig Müller-Thurgau angebaut. Hier wurde die Rebsorte 1913 erstmalig in Deutschland angepflanzt. Häußler resümiert: „Es ist dem eisernen Willen weniger Winzer und Weinfreunde zu verdanken, dass bei uns die Weinkultur wieder lebendig ist.“

Die Weinberge verstecken sich geradezu an den bewaldeten Hügeln. Wer auf einem Ausflugsboot auf der Donau von Regensburg bis Bach schippert oder am Fluss entlang radelt, muss schon sehr genau hinschauen, um die Rebstöcke zu entdecken. Gegen den Hingucker der exponiert liegenden Walhalla hat der Wein wenig Chancen.

Auch an der Stelle, an denen sich seit 1842 die strahlend weiße Ruhmeshalle im Stil des Parthenons der Akropolis erhebt (mit den Büsten Dutzender berühmter und heute weniger bekannter Deutscher), wuchs früher der Wein. Nur wenige Minuten sind es von hier mit dem Rad zum Baierwein-Museum, das in einem Presshaus aus dem 14. Jahrhundert seine Sammlung zeigt.

Das Museum liegt am Fuß eines eigenen Weinbergs. Ein Lehrpfad informiert über die Rebsorten, die sich hier wohlfühlen — auch Rotweintrauben wie Dornfelder und Regent. „Wir experimentieren auch mit neuen Sorten“, erzählt Hobby-Winzer Häußler.

„Die Qualitätsbemühungen haben zu Ergebnissen geführt, zu denen der Begriff Landwein oft nicht recht passen will.“ Eine Brotzeit, schließlich ist man in Bayern, schmeckt auch mit Weinbegleitung — entweder am Museum, wo man inmitten der Reben rastet, oder auf einer Terrasse eines rustikalen Weinlokals mit Blick über die Donau.

In Regensburg wird man beim Bummel durch die Gassen der zum Weltkulturerbe gehörenden Altstadt kaum noch mit der Vergangenheit als Weinstadt konfrontiert. Nur der Name der Donaupromenade unweit der berühmten Steinernen Brücke, der Weinlände, zeigt an, dass hier einst Weinfässer verladen wurden. Und die nahe Weingasse verrät, über welchen Weg der Wein in die Stadt gekommen ist.

Man darf sicher sein, dass hinter den historischen Fassaden, die den besonderen Reiz dieser uralten Stadt ausmachen, immer Wein vorrätig war. „Wenn sich hoher Besuch ansagte, wurde er mit Weinpräsenten bedacht“, erzählt Häußler.

„Fürs Volk gab es bei Feierlichkeiten sogenannte Weinbrunnen, aus denen roter und weißer Wein flossen. Gratis, wohlgemerkt.“ Heute lädt eine große Zahl an Bars und Restaurants zum Weingenuss. Nach Baierwein fragt man hier allerdings meist vergeblich. Dass sich das in Zukunft ändert, daran arbeitet auch das städtische Gartenamt, das seit 1993 einen eigenen Weinberg bewirtschaftet. Und der liegt im Ortsteil Winzer!

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