Paris - Stadt der Diebe statt Stadt der Liebe?

Paris (dpa) - Der Bittschrift-Trick, die Ring-Abzocke, der schnelle Griff am Geldautomaten: Die meist jugendlichen Taschendiebe von Paris sind gut versiert in ihrem Geschäft. Ihre bevorzugten Opfer: Touristen.

Ein heißer Hochsommertag vor der Pariser Oper: Eine Gruppe von fünf osteuropäischen Mädchen stürzt sich auf nichtsahnende Touristen: „Bitte unterschreiben“, betteln sie in gebrochenem Englisch und wedeln mit fotokopierten Blättern - eine Petition für taubstumme Straßenkinder und Waisen. Bestenfalls Abzockerei, schlimmstenfalls ein Ablenkungsmanöver, meint Polizeihauptmann Renaud Gauthier vom 9. Pariser Bezirk. Ein Komplize klaut die Brieftasche, während das Opfer mit den Bittstellerinnen beschäftigt ist.

Es ist nur eine von vielen Maschen, mit denen die Banden Touristen - vor allem einkaufsfreudige Besucher aus China - aufs Korn nehmen, sagt Gauthier. „Da drüben, das Mädchen, sie versucht den Ring-Trick.“ Er zeigt auf eine junge Frau, die Touristen einen Ring aufdrängen will: Behauptet, ihn am Boden gefunden zu haben und fordert Finderlohn.

Auf der anderen Straßenseite versuchen zwei hochgewachsene Jugendliche, Menschen am Geldautomaten abzulenken. Einer drückt dann die Taste „Maximalbetrag“ und ist mit den Banknoten auf und davon.

Gauthier kennt die Verdächtigen. Viele kommen jeden Tag aus Lagern am Stadtrand. Die 16-jährige Marie aus Rumänien ist eine von ihnen. Sie ist schwanger, sieht viel älter aus. Sie lebt in einem Wohnwagen in der tristen Hochhaus-Vorstadt Courneuve. Die Petitionen bringen „mal hier, mal da 10 oder 15 Euros“, wie sie sagt. Genug für Essen. Wie viel noch mit Diebstählen reinkommt, bleibt unklar.

Etwa 200 000 bis 300 000 Touristen sind jeden Tag in Paris unterwegs. Jahrzehntelang hörte man die Warnungen vor Taschendieben vor allem in der Métro. Die Diebe werden aber immer dreister: Im April streikte das Personal des weltberühmten Louvre-Museums für einen Tag. Sie protestierten gegen die aggressiven Banden minderjähriger Taschendiebe, die die Heimstätte der Mona Lisa unsicher machen. Durch verbesserte Sicherheitsmaßnahmen ist seitdem die Zahl der Diebstähle stark gesunken.

Aber die Banden suchten sich einfach ein anderes Revier. Sie schlagen immer öfter in den Außenbezirken zu, wo chinesische Touristengruppen absteigen. Und in mindestens zwei Fällen wurden Reisebusse, die zwischen Paris und dem Flughafen Charles de Gaulle im Stau standen, ausgeraubt.

Ist Paris überhaupt noch sicher? „Starker Anstieg von Raubüberfällen auf China-Touristen mit dickem Portemonnaie“, titelte etwa die Hongkonger „South China Morning Post“. Paris werde in Zukunft als „Stadt der Raubüberfälle statt Romantik“ bekannt sein, schrieb ein User des chinesischen Kurznachrichtendienstes Sina Weibo.

Angesichts solcher Aussagen klingeln die Alarmglocken der Tourismuswirtschaft. Frankreich zählt auf die Besucher aus Fernost. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Touristen aus China um mehr als 23 Prozent auf 1,4 Millionen. „Bislang gibt es keine Stornos von Gruppen aus China oder Japan“, sagt ein Sprecher der Tourismusbehörde. Die Situation sei nicht so katastrophal wie in manchen Medien beschrieben, meint auch der Polizeichef des 9. Arrondissements, Laurent Mercier. „Aber manchmal gibt es diesen Anflug von Panik, und dem muss man sofort entgegentreten.“

Im Juni berieten sich Polizei, Tourismusindustrie, Hoteliers mit asiatischen Reiseveranstaltern. Sagt euren Kunden, sie sollen nicht so viel Bares in ihren Bauchtaschen mit sich rumschleppen, lautete ein Ratschlag. Die Polizei verstärkte zudem ihre Präsenz rund um Sehenswürdigkeiten.

An der Oper etwa sorgen Zivilstreifen und Überwachungskameras für mehr Sicherheit. Wird ein Verdächtiger geschnappt, ist er oder sie allerdings schnell wieder auf freiem Fuß: weil meist minderjährig und ohne Ausweispapiere. „Wir nehmen immer wieder die gleichen Leute fest“, beschwert sich der Polizist Gauthier. Wenn Touristen sich des Risikos besser bewusst würden, könnte den Dieben die Lust auf Paris vergehen, hoffen die Polizisten.

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