700. Geburtstag von Kaiser Karl IV. Prag: Ein Ausflug ins alte Europa
In und um Prag wird der 700. Geburtstag von Kaiser Karl IV. mit vielen Veranstaltungen, Festen und Umzügen gefeiert.
Prag. Wenn das keine europäische Geschichte ist: Am 14. Mai 1316 wird in Prag der böhmische Königssohn Wenzel geboren. Sein Vater, Johann von Luxemburg, schickt ihn schon mit sieben Jahren zur Erziehung an den französischen Königshof. Seine Mutter, Elisabeth von Böhmen, weint — aber nirgendwo sonst kann ein angehender König sein Geschäft lernen.
Am Hof in Vincennes regiert Karl IV., genannt „der Schöne“. Er wird Wenzels Firmpate. Fortan nennt sich auch der junge Böhme Karl der Vierte. Sein Großonkel, Erzbischof Balduin von Trier, bereitet ihn auf ein gottesfürchtiges Leben vor. In Italien wird er zum Ritter ausgebildet, in Bonn zum König des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gekrönt, in Prag zum böhmischen König und schließlich 1355 in Rom zum Kaiser.
Prag ist eine gute Flugstunde von Düsseldorf entfernt. In der „Goldenen Stadt“ und um sie herum wird in diesem Jahr alles herausgeputzt und gefeiert, was dieser kunstsinnige und weise Herrscher Böhmen, Tschechien und Europa hinterlassen hat. Das sind Kunstschätze und Bauwerke, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind von den Zerstörungen zweier Weltkriege verschont und in ihrer Ursprünglichkeit erhalten geblieben.
Der Reichtum, den Karl IV. seinem Land hinterlassen hat, ist in Kuttenberg (Kutna Hora) verdient worden. Zisterziensermönche waren im 12. Jahrhundert auf eine Silbermine gestoßen. Der Reichtum wurde in silberne Prager Groschen gegossen, das Zeugnis des Reichtums in Stein gemeißelt. So besitzt die Stadt gleich zwei gotische Kathedralen: die der Heiligen Barbara, und im Stadtteil Sedlec die Maria-Himmelfahrt-Kathedrale mit einem schaurigen unterirdischen Beinhaus.
In Sichtweite liegen auch Weinberge, die zunächst von Mönchen bebaut wurden. Aber dann kam Karl IV. ins Spiel. „Karl war nicht nur ein kluger Kaiser, sondern auch ein guter Winzer“, schildert Lukas Rudolfsky, der heute tschechischen Chardonnay und Grauen Burgunder anbaut. „Er hat Weinreben aus Burgund mitgebracht und ein Dekret erlassen, dass auf allen Südhängen um Kuttenberg Wein angebaut werden muss.“ Als 250 Jahre später die Wetterlage den Weinanbau immer schwieriger macht, verdrängt das Bier weitgehend den Wein.
Zurück zum Silber. Karl IV. ließ die Burg Karlstein erbauen, um dort den königlichen Schatz — heilige Reliquien und Kronjuwelen — sicher aufzubewahren. Als im 15. Jahrhundert Hussiten die Burg belagerten, bissen sie sich an dem Gemäuer die Zähne aus. Auch den Schweden gelang es am Ende des 30-jährigen Krieges nicht, den Kaiserpalast und seine Reichtümer zu erbeuten. Vom 7. Mai 2016 an ist in Karlstein eine Ausstellung mit 400 Exponaten aus der Zeit Karls des Vierten zu sehen, die einen Eindruck vom höfischen Lebensstil dieser Zeit geben.
Auf einem Meteoritenstein entstand im 13. Jahrhundert die mächtige Burg von Elbogen (Loket). Seinen österreich-habsburgischen Namen verdankt das malerische Städtchen, zu seinen Füßen die Eger, die sich wie ein angewinkelter Arm um den Hügel windet. Karl IV. hat dort als Dreijähriger mit seiner Mutter Elisabeth Zuflucht gefunden, als in Prag Aufstände gegen Karls königlichen Vater tobten. Am 13. und 14. August findet in Elbogen zu Ehren Karls ein großer Mittelalter-Markt statt. Die Eger fließt in die Moldau — da fällt einem die Komposition Friedrich Smetanas ein, in dem der Fluss in seinem Lauf mit prachtvollem Orchesterklang Prag erreicht. Prag — das ist Karls IV. Meisterwerk. Die Karlsbrücke, die Burgstadt Hradschin, Kirchen und Klöster, die Karlsuniversität — dort hat der Kaiser aus dem Vollen geschöpft. Im Veitsdom liegt er in der Gruft der böhmischen Könige begraben, und mit ihm seine vier Ehefrauen.
Prag feiert den 700. Geburtstag Karls mit einer Fülle von Festveranstaltungen, Gottesdiensten und Umzügen. Ein Höhepunkt ist die Ausstellung in der Waldstein-Reithalle sowie in den historischen Räumen der Universität. Diese Ausstellung wird übrigens nach Prag auch in Nürnberg gezeigt, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist einer der Schirmherren.
Ja, und dann ist da noch Karlsbad (Karlovy Vary), das weltweit mit dem Namen des Kaisers verbunden ist. Karl IV. gilt als Entdecker der warmen Quellen und verlieh dem Ort 1370 den Status einer Königsstadt. Zahlreiche Prominente wie Goethe und Casanova waren dort zur Kur. Und das Stadtbild ist — auch nach zwei bitteren Diktaturen im vergangenen Jahrhundert — ein Juwel, das seinesgleichen sucht. In der Altstadt, unter der historischen Becherovka-Likörfabrik, finden sich unübersehbar Hinweise darauf, dass Karl IV. dieser schönen Stadt auch das Bier-Brauchrecht verliehen hat. Der goldfarbene Gerstensaft im urigen Kellergewölbe trägt — natürlich — den Namen des Landesvaters. Der blinzelt den durstigen Besucher auf dem Bierdeckel an (frei übersetzt): „Ich habe gesehen, dass ihr Durst habt — deshalb bin ich zurückgekehrt.“