Reisen Schönheiten an der Ostsee
Binz auf Rügen bietet eine beeindruckende Bäderarchitektur mit weißen Villen sowie viele attraktive Herbstangebote.
Ein kräftiger Wind zerrt an der Kleidung und wirbelt durch die Haare, als die Wanderung über die dicken Holzbohlen hinaus Richtung Ostsee geht. Wellen klatschen an die Pfeiler der Seebrücke, brechen sich, glucksend rollt das Wasser weiter Richtung Strand. Grün-grau schimmert der Meeresboden, der Wind wird stärker, als die Spaziergänger am äußersten Ende ankommen und vor sich die Weite der Ostsee erblicken.
Mit 370 Metern ist die Seebrücke in Binz die längste Rügens und eine der schönsten an der deutschen Ostseeküste. Wer sich umdreht und Richtung Strand blickt, sieht im Sonnenschein rechts und links eine Perlenkette weißer Schönheiten erstrahlen. Liebevoll restaurierte Bauten der Bäderarchitektur ziehen sich die barrierefreie Promenade entlang — beeindruckend wie damals, kurz nach ihrer Einweihung vor mehr als 100 Jahren. Ein Schmuckstück reiht sich ans andere. In vielen sind Hotels oder Ferienwohnungen unterbracht, in manchen Restaurants, Cafés oder kleine Läden.
25 Jahre nach der Grenzöffnung ist von den maroden, heruntergekommen Gebäuden, die am Ende des DDR-Staates kurz vor dem Zusammenbruch standen, nichts mehr zu sehen. Die Villa Salve ist seit 1899 eine Institution in Binz. Sie öffnete nach der Wende und umfangreicher Sanierung als erste wieder für Gäste. Gräfin Kreis ließ die schneeweiße Villa mit Türmchen und einer großen Terrasse damals direkt an der Promenade errichten — mit Blick auf die Ostsee.
Zu DDR-Zeiten wurde aus der Villa zuerst ein Ferienheim, dann ein Sanatorium und schließlich ein Kindergarten. Nach der Wende kaufte das Ehepaar Schewe das heruntergekommene Gebäude, um dort ein Hotel mit Restaurant unterzubringen. Harald Schewe: „Wir mussten mit dem Umbau schnell fertig werden, um Einnahmen zu erhalten, damit wir die hohen Kredite bezahlen konnten. Sieben Monate haben wir mit den Handwerkern rund um die Uhr gearbeitet.“
Weil die neuen Eigentümer alles möglichst detailgetreu wieder herrichten wollten, fuhr Harald Schewe mit alten Fotos im Gepäck ins italienische Carrara. In einer Marmorwerkstatt ließ er dort die Aphrodite vom Dachfirst restaurieren und die bröckelnden Löwen am Eingang reparieren. Auch die Möbel wurden in Italien stilgetreu nachgebaut. Die Eröffnung des Hotels mit Restaurant, Cocktailbar und großer Terrasse im Sommer 1993 war ein Großereignis: Binz freute sich über den ersten „gastronomischen Leuchtturm“.
Helmut Kohl war dort schon zu Gast, die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit und Kronprinz Haakon, Ministerpräsidenten, Schauspieler und Sportler. Auch Angela Merkel kommt mehrmals im Jahr nach Binz auf Rügen in die Villa Salve. Zum Essen oder zum Übernachten. Sie hat keine weite Anreise: Es ist ihr Wahlkreis.
Wenn Hausherr Harald Schewe und Ehefrau Regine erzählen, erfährt man viele interessante Details aus der Welt der Wichtigen und Berühmten. Auch für Toni Münsterteicher, Koch und Küchenmeister der Strandhalle, war es alles andere als einfach, die Strandhalle zu einem weithin bekannten Restaurant aufzubauen. Von außen eher unscheinbar, erwartet die Besucher in der Halle mit dem Dielenboden und dem hohen, giebelartigen Holzdach ein Gewirr aus unterschiedlichsten Möbeln wie in Omas Wohnzimmer. Und eine leckere Küche, bei der nur absolut frische regionale Produkte aus der Region auf den Tisch kommen. „Wir bieten fein-bürgerliche Küche, groß-bürgerliche Portionen zu klein-bürgerlichen Preisen“, beschreibt der gebürtige Ostwestfale aus Stukenbrock mit einem Lächeln sein Programm. Sein Dorsch mit Kartoffelkruste in Senfsauce ist der Renner.
Der Liebe wegen zog Toni Münsterteicher vor 18 Jahren nach Binz und heiratete seine Frau Jana, die für den Service im Restaurant zuständig ist. Die Strandhalle ist heute eine Institution, und Toni Münsterteicher inzwischen ein Prominenter. „Als wir 1996 die Strandhalle kauften, alles herausrissen und erneuerten, waren von hier bis zur Seebrücke nur Ruinen. Und unser Restaurant war am Ende der Welt“, erinnert sich der Küchenmeister. Heute stehen dort viele hübsch sanierte Häuser.
Im Herbst und Winter lohnt sich ein Besuch in Binz, der touristischen Hauptstadt auf Deutschlands größter Insel, besonders: Es wird in der Nachsaison deutlich ruhiger, viele Hotels locken mit attraktiven Angeboten. Die Granitz — ein 1000 Hektar großer Laubwald am Rande der Stadt — färbt sich golden und ist ein Paradies für Wanderer.
Die kilometerlangen Strände mit weißem, feinpudrigen Sand locken auch in der kühleren Jahreszeit gesundheitsbewusste Touristen zu Spaziergängen am Wasser. Hotels bieten die unterschiedlichsten Wellness-Angebote für Urlauber: Ayurveda, Algen, Bali-Spa, Rügener Heilkreide — die Möglichkeiten sich verwöhnen zu lassen, sind vielfältig.
Für Freunde von Meeresluft und Natur hat die Kurverwaltung kürzere Wanderungen und Tagestouren zusammengestellt. So kann man unter kundiger Führung oder auf eigene Faust die Umgebung kennenlernen und zugleich noch etwas für die Gesundheit tun. Wer lieber etwas schneller unterwegs ist, nimmt das Fahrrad. In Binz beginnen einige der schönsten Radwege, die über die Insel Rügen und an der Bäderküste entlang führen. Vermieter in der Stadt und viele Hotels verleihen Fahrräder und moderne E-Bikes an die Feriengäste.
Der Autor reiste mit Unterstützung der Kurverwaltung des Ostseebades Binz.