Schottland: Die Highlander sind aus Arizona

Amerikaner lieben das Land. Deutsche auch. Auf einer Pkw-Rundreise lassen sich die Naturschönheiten bestens entdecken.

Düsseldorf. Wo früher Schädel eingehauen wurden, herrscht heute eitel Sonnenschein. In bester Laune stürmen Busladungen von Touristen aus Arizona, Texas und New Mexico allsommerlich die Highlands und pilgern auf den Spuren ihrer Vorfahren zu den Schauplätzen schottischer Geschichte.

Sie kommen nach Killiecrankie, den Ort einer sagenhaften Schlacht vor 322 Jahren, sie besichtigen Eilean Donan Castle, den Stammsitz des Clans Macrae oder fahren in Richtung Glencoe, wo hinterhältige Campbells ahnungslose MacDonalds massakriert haben.

Und auch wenn die Nachfahren der MacLeods, Mackintoshs und Camerons mit Streitereien heute nichts mehr am Hut haben — geschossen wird mitunter trotzdem: „Ja, wir gegen die Schotten“, sagt Nancy Tompkins (Foto) begeistert. Sie begleitet eine Gruppe amerikanischer Gewehrschützen zu einem internationalen Schieß-Wettbewerb in die alte Welt: Zwölf wackere Mitglieder des United States F-Class Rifle Teams stapfen nach erfolgtem Schusswechsel zufrieden durch Blair Castle und besorgen sich im Souvenir-Shop Karten, Kilts und Kappen.

Nancy lebt in Prescott, Arizona, hat irische, englische, deutsche und schottische Wurzeln, „MacPherson and Douglas“, und sie ist schon zum dritten Mal in Schottland — weil’s so schön ist.

Der Stammbaum-Tourismus über den großen Teich hinweg hat sich im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Die meisten ausländischen Touristen kommen aus Nordamerika in den Norden des Vereinigten Königreichs. Dicht gefolgt von Reisenden aus Deutschland, die zwar eher selten schottische Vorfahren haben, von den Highlands aber restlos entzückt sind. Besonders gern fahren sie selbst von Castle zu Castle, am liebsten zwischen Mai und September.

253 000 Besuche von Deutschen in Schottland wurden 2010 gezählt, was diese Region Großbritanniens während des Sommers fast schon zu einem Massenziel macht.

In den Weiten der Highlands können sich Einzelreisende aber selbst in der Hochsaison ohne Mühe aus dem Weg gehen. Nur Zeit sollten sie mitbringen, denn selbst bei typisch schottischer, also rasanter, Fahrweise über die zwar guten, aber kurvenreichen Straßen reicht eine zehn- bis 14-tägige Mietwagen-Rundreise gerade einmal für einen ersten Eindruck der ungeheuer vielfältigen Szenarien.

Auf eigene Faust wird beispielsweise die Eroberung von Slains Castle, nördlich von Aberdeen, zum tatsächlich individuellen Abenteuer: Eine steinerne Turmtreppe führt ins Nichts und vor dem einstigen Portal geht es steil die Klippen hinab.

Woanders hätte man die Ruine längst gesperrt, in Schottland bleibt man ganz entspannt — schließlich handelt es sich bei Slains Castle beileibe nicht um die einzige dramatische Kulisse. Überall stellen sich dem Besucher alte Gemäuer in den Weg, manche superb erhalten wie in Inveraray, manche eben nur noch malerische Mauerreste wie die Ruine von Ardvreck Castle.

Dass Schottland mehr ist als Burgen, Highlands und Whisky, wird bei einer Rundreise schon nach den ersten Metern klar. Den feinen langen Sandstränden sollte unbedingt ein Besuch abgestattet werden, es lockt die unüberschaubare Menge hübscher Gewässer — von denen Loch Ness lediglich das bekannteste ist.

Landschaftlich reizvoller und nicht so überlaufen sind Loch Maree, Loch Lomond oder Loch Tummel.

Die ungeheure Schönheit des Inselreichs der Hebriden, von Mull über Skye bis nach Lewis, und weiter zu den Orkney Islands, ist jeweils eine eigene Reise wert. Vorzugsweise im Hochsommer, wenn die Tage endlos erscheinen und der Himmel erstaunlich oft Sonne spendiert.

Dann glitzern die Granitfassaden von Aberdeens „Silver City“ tatsächlich im Nachmittagslicht, dann strahlt Edinburgh Castle dem sattgrünen Hausberg „Arthur’s Seat“ entgegen, und vor dem Strand von North Berwick scheint sich die ehemalige Gefängnisinsel Bass Rock wie ein kreideweiß leuchtender Koloss in Richtung Küste zu bewegen.

Schöner ist es nicht in Australien. Dorthin fährt Nancy Tompkins aus Arizona bald mit ihren US-Schießfans und hofft auf triumphale Siege in neuen Wettbewerben. Doch auch unbewaffnet würde sie jederzeit wieder nach Schottland kommen: „Ich liebe die Highlands, es ist einfach wunderbar hier.“