Seoul: Die Stadt, die niemals schläft
Shopping, Bars und glänzende Wolkenkratzer: Südkoreas Hauptstadt boomt.
Wolkenkratzer, so weit das Auge reicht, glitzernde Leuchtreklamen, teure Designerläden, hippe Szenetreffs, stylische Bars und Restaurants — New York, Tokio, Shanghai? Nein, die Rede ist von Seoul (sprich: Soul), dieser in Europa vor allem durch die Olympischen Sommerspiele 1988 bekannten Millionenstadt.
Sie hat sich klammheimlich in die Top Ten der weltweit angesagtesten Trendstädte geschoben. Wer durch die Straßen der südkoreanischen Hauptstadt läuft, ist sich sicher: Hier findet die Zukunft statt.
Noch vor 50 Jahren war Südkorea ärmer als Pakistan. Heute lockt die Wirtschaftsmetropole mit Weltkonzernen wie Samsung, LG oder Hyundai, besitzt den fünftgrößten Containerhafen der Welt und ein exzellentes Bildungssystem.
Dass sich die Südkoreaner dabei auch von deutscher Kultur leiten lassen, beweist das Beispiel von Shin Kyuk-Ho: Der Gründer eines heute 50 Milliarden Dollar schweren Konzerns ließ sich 1967 beim Namen für sein Unternehmen von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ inspirieren: Und so heißen heute in Südkorea Supermärkte, Hotelketten, aber auch IT-Konzerne gänzlich unasiatisch „Lotte“, benannt nach der Charlotte in Goethes Werk.
Am Abend zeigt sich die 13-Millionen-Einwohner-Stadt von ihrer imposantesten Seite. Einen besonders guten Überblick bietet der Jongno-Tower: Ganz Seoul scheint zu glitzern. Über die Brücken das Han-Flusses schlängeln sich die Fahrzeugkolonnen, bis die roten und weißen Lichter der Autos von den Häuserschluchten verschluckt werden. Zwischen den glänzenden Bürotürmen leuchten alte Paläste.
Wer die Stadt entdecken will, läuft am besten einfach los, stürzt sich ins pralle Leben dieser Metropole, die mehr als andere asiatische Großstädte Lebendigkeit und pralles Leben verkörpert. Im Prinzip gibt es überall etwas zu entdecken: Im Altstadtviertel Bukchon flaniert man durch verwinkelte Gassen vorbei an traditionellen Häusern.
Im Szeneviertel Insadong drängen sich in engen Sträßchen Galerien, Kunsthandwerksläden, Boutiquen und Bistros. Entlang den großen achtspurigen Straßen schieben sich die Menschenmassen — hungrig nach Konsum und Vergnügen.
„Seoul schläft nie“, sagt Reiseführerin Sonja Hong. Wer das für einen Werbespruch hält, wird bald eines Besseren belehrt. Nachts um drei Uhr stöckeln top-gestylte Asiatinnen durch die Kaufhäuser der Metropole auf der Suche nach Designschnäppchen. Die großen Kaufhäuser haben quasi rund um die Uhr geöffnet, lediglich gegen fünf Uhr morgens wird eine kurze Aufräumpause eingelegt.
Und schon kurz darauf drängen sich die nächsten Shoppingfans entlang der sorgsam gehängten Designer-Ware. Begehrt sind wie überall in Asien westliche Marken wie Chanel, Prada oder Dior — doch fallen auch die vielen koreanischen Labels ins Auge, die von avangardistisch-schlichten Entwürfen bis hin zu bunter Glitzermode spannende Kontraste bieten.
Wer nach dem Shopping noch richtig feiern will, zieht weiter ins Studentenviertel rund um die Hongik-Universität. Sonja empfiehlt ein Taxi: Das ist vergleichsweise billig — sofern man die normalen, gelben Taxen und nicht die schwarzen Luxus-Taxen nutzt. Und es ist vor allem einfacher als mit der U-Bahn, erklärt sie: Das Netz sei zwar gut ausgebaut und modern; doch für Europäer, die die koreanischen Schriftzeichen nicht entziffern können, könne die Fahrt schnell zu einem Abenteuer mit unbekanntem Ziel werden.
Das Studentenviertel quillt besonders an den Wochenenden über — gut gelaunte, hip gekleidete Jugendliche bevölkern Bars und Clubs. Dort tanzen die coolsten Typen in Formationen — zu Korea-Pop, jenem leicht süßlich-kitschigen Pop, der durchgestylte Boys- oder Girls-Gruppen in Korea zu Helden macht.
Tradition und Moderne liegen überall in Seoul eng beieinander: Auch beim Essen üben die Südkoreaner den Spagat, sagt Sonja: Burger, Pizza, Muffins und Kaffee haben bei der Jugend der klassischen Küche längst den Rang abgelaufen. Doch gute koreanische Küche gibt es dennoch an jeder Straßenecke: Die Koreaner lieben gegrilltes Fleisch, das meist am Tisch auf einem heißen Stein gebraten wird. Dazu wird eingelegtes Gemüse serviert, immer mit Sesamöl, Knoblauch und ganz viel Chili.
Überhaupt nicht wegzudenken ist Kimchie, quasi ein Nationalheiligtum: Der angegorene Kohl, mit viel Chili und Knoblauch eingelegt, wird zu allem serviert — selbst zum Frühstück. Noch heute bereiten ihn viele Familien zu Hause zu. Gelagert wird er in Tonfässern oder in eigenen Kühlschränken, erklärt Sonja.
Kimchie ist quasi in aller Munde. Daher rufen die Südkoreaner, wenn sie sich fotografieren lassen, auch „Kimchie“ — statt „Cheese“, wie die Amerikaner. Und weil sich die Südkoreaner wie alle Asiaten sehr gern und am liebsten überall fotografieren, spielt sich diese Szene an jeder Ecke ab: Aufstellung, „Kimchiiiiiie“, Klick, Kichern . . .