Warten im Regen - Boomender Fernbusmarkt stößt an Grenzen
Frankfurt/Main (dpa) - Nach der Liberalisierung des Marktes bommen Reisen mit Fernlinienbussen. Doch die Infrastruktur hält nicht mit. In vielen Städten fehlt es an geeigneten Busstationen.
Am Südausgang des Frankfurter Hauptbahnhofs zeigen sich die negativen Seiten des Fernbus-Booms in Deutschland. Rund um einen riesigen Auto-Parkplatz warten Fahrgäste im Regen, Busse in zweiter Reihe blockieren die Straßenbahn, verlässliche Informationen über Abfahrtzeiten und -orte sind eigentlich nur mit Hilfe eines Smartphones zu bekommen. „Frankfurt hat eigentlich gar keine Fernbusstation“, sagt der Verkehrsforscher Christoph Gipp. Und die Bankenstadt am Main steht damit im boomenden Fernbusmarkt keineswegs allein da.
Der zum Jahresbeginn liberalisierte Fernbusverkehr ist nicht nur nach Meinung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Erfolgsgeschichte: Die Zahl der Strecken sei bis Ende Juni um 84 Prozent auf 158 gestiegen, weitere 61 Genehmigungsanträge lägen auf dem Tisch. Noch gibt es keine genauen Zahlen über die Fahrgäste, weil die zahlreichen neu gegründeten Unternehmen noch nicht in der jüngsten amtlichen Statistik enthalten sind. Doch auch bei den alten Platzhirschen mit der Deutschen Bahn an der Spitze stieg die Zahl der Passagiere im ersten Halbjahr um 12,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtete.
Zwar gibt es in Deutschland 53 Busbahnhöfe im engeren Sinne, doch höchsten Ansprüchen auch nach einem barrierefreien Zutritt für Behinderte genügen nur die Stationen in Hamburg und Mannheim, klagt der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Auch Berlin und München erhalten noch recht gute Noten von den Fernbusbetreibern, in Hannover ist gerade ein großer Umbau im Gange. Doch abseits dieser Städte herrscht meist Tristesse. „In den Innenstädten fehlt es einfach am Platz“, beschreibt BDO-Sprecher Matthias Schröter die Lage. Besonders unzufrieden ist man unter anderem in Dortmund, Köln, Saarbrücken, Ulm, Bielefeld oder eben auch Frankfurt.
Die Sicht der Linienbetreiber ist einfach: In größeren Städten wollen sie ihre Gäste möglichst in die City fahren, in kleineren am liebsten schnell in Autobahnnähe halten, sagt MeinFernbus-Sprecher Gregor Hintz. Neben einer guten ÖPNV-Anbindung sollten Wetterschutz, Toiletten, Ticket- und Lebensmittelverkauf sowie eine Versorgungs-Infrastruktur für die Busse vorhanden sein.
Die meisten Kommunen scheuen bislang den Ausbau ihrer Busbahnhöfe, zumal Finanzhilfen etwa durch die Länder auf sich warten lassen. „Jeder versucht, möglichst nicht aufzufallen“, spottet der Verkehrsforscher Gipp. Doch Fakt bleibt: Trotz aller Anfangserfolge weiß noch niemand, wie nachhaltig der Erfolg der Linienbusse sein wird. Bahnchef Rüdiger Grube, selbst größter Busbetreiber der Republik, warnt vor überzogenen Erwartungen. „Da wird sich noch manch einer eine blutige Nase holen“, sagte er kürzlich vor Journalisten in Frankfurt.
Eine Ausnahme macht die Stadt Hannover, die gerade ihren in die Jahre gekommenen Busbahnhof aufwendig saniert. Den Betrieb wird die eigentlich auf internationalen Linienverkehr spezialisierte Deutsche Touring übernehmen, die eine entsprechende Ausschreibung gewonnen hat. „Wir zahlen eine Pacht und müssen einen Teil unseres Gewinns an die Stadt abführen“, beschreibt Touring-Chef Frank Zehle das Konstrukt, das auch in anderen Städten Schule machen könnte. Letztlich, so meint der Experte Gipp, könne man eine Busstation genauso wirtschaftlich betreiben wie einen Flughafen.
Der Verband BDO macht sich bereits Sorgen um die Vielfalt am Markt. Vor allem der Markteintritt der Deutschen Post AG im Verein mit dem ADAC zum 1. Oktober erzürnt die privaten Busunternehmer, die sich bereits mit der Deutschen Bahn AG und dem spanisch-britischen Transportriesen National (City2City) messen müssen. Gipp räumt den Angreifern wegen ihrer starken Marke gute Chancen ein. Sie hätten zudem die Möglichkeit, Millionen ADAC-Mitglieder über Rabatte zu locken. Dazu kommen noch zahlreiche Start-Ups, von denen die Berliner MeinFernbus bislang das expansivste Modell etabliert hat. Nach Untersuchungen der Beratungsgesellschaft Iges entfielen im August 36,3 Prozent der Fernbusverbindungen auf die grell-grün lackierten Busse, die damit die Deutsche Bahn (28,4 Prozent) überflügelten.