Digitale Verunsicherung Von Bewertungen, die auf den Punkt kommen

Kein Punkt für den Gegner: Beurteilungen von Menschen und Meinungen lassen sich in Social Media weitgehend auf Punktesysteme reduzieren. Ob Sternchen, Likes oder Ampeln, es muss nur simpel sein: Hier gut, da böse.

Foto: Sergej Lepke

Wer ungenügend punktet, versagt. So gestaltet sich das Leben im Internet, in dem jede Wertschätzung ihre Skala hat. Händler und Käufer, Arbeitgeber und Kollegen, Freunde und Fremde, sie bewerfen sich gegenseitig mit den Gummipunkten des Geltungsbedürfnisses.

Rache ist süß und effektiv: Wer sich uns nicht gefügig zeigt, dem verweigern wir den wertenden Mausklick oder setzen ihn demütigend niedrig an. Zu teuer, zu langsam, zu langweilig? Als Angreifer sind wir im Vorteil. Der abqualifizierte Feind — geldgeil, lahm und öde — ist sofort in der Verteidigungsposition. Darauf gründen inhaltsfreie Dienste wie Fahrerbewertung.de, wo sich Autofahrer als Raser, Drängler und Falschparker diffamieren. Hier lässt sich jedem gefahrlos in die Karre fahren, ob Nachbar, Lehrer oder Chef. Fahrverhalten nebensächlich: Kennt man das Kennzeichen, kann man sich anonym am Halter rächen. Das ist reputative Fahrerflucht.

Ganz anders soll jedoch die Bewertungsplattform „Peeple“ sein, wenn es nach den Gründern des Startups geht. Das Sympathie-Punkte-Portal, in dem Menschen einander respektvoll bewerten, soll Ende November kommen. Noch vor dem Start aber überholt die herzlose Wirklichkeit die herzige Idee. Der Vorwurf: Wer auf der Plattform nicht punktet, fällt im allgemeinen Urteil durch. Zentrale Frage daher, in wessen Hand es liegt, Stimmen und Punkte zur Person freizuschalten.

Ohne Notbremse, kann die drohende Abwertung rasch zur subtilen Form der Erpressung werden. Wenn aber andererseits nur ich selbst entscheide, was andere zu mir zu sagen haben und ob sie mich mögen, lautet die schnelle Gleichung: Magst Du mich, dann mag ich Dich. So nett das klingt, es ist nicht ehrlich. Und das ist — unter Freunden — ein echter Punkt.