Altes Duell mit Spontan-Einmischung
Nirgendwo sonst sind sich die beiden Hauptkandidaten so nah und fern zugleich. Warum?
Burscheid. Lässt sich Kommunalpolitik im Mai 2014 noch mit Ereignissen im September 2008 erklären? Zumindest ist der Blick zurück erhellend, um eine merkwürdige Kandidatenkonstellation zu verstehen im Rennen um das Bürgermeisteramt: zwei Bewerber, die sich einst nahe waren und das zumindest politisch im Grunde auch noch sind, dazu nur noch ein einziger Last-minute-Kandidat ohne eine bisher erkennbare kommunalpolitische Kontur.
Es ist der 24. September 2008, als die Burscheider CDU ihr parteiinternes Waterloo erlebt. Bei der offiziellen Mitgliederversammlung, die über den CDU-Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahl 2009 entscheiden soll, erhält der Parteivorsitzende Michael Baggeler nur 51 von 117 Stimmen.
Dabei hatte er eine vorgeschaltete Mitgliederbefragung mit 97:91 Stimmen gegen den damaligen Beigeordneten Stefan Caplan gewonnen und war folgerichtig nur der einzige Kandidat bei der Mitgliederversammlung gewesen.
Der Rest ist kommunalpolitische Geschichte: Baggeler und viele enttäuschte Gefolgsleute treten aus der Partei aus. Ende Januar 2009 wird von ihnen das Bündnis für Burscheid (BfB) aus der Taufe gehoben und unterstützt folgerichtig die Kandidatur Baggelers. Die CDU wiederum hebt zeitgleich Caplan auf den Schild.
Bei der Wahl 2009 sorgt diese Konstellation noch für knisternde Spannung: die beiden Weggefährten plötzlich als Kontrahenten, dazu gesellen sich Bodo Jakob (SPD) und der unabhängige Karl Ulrich Voss. Caplan (37,8 Prozent) liegt schließlich klar vor Baggeler (30,0), Jakob (21,4) und Voss (10,9).
Fünf Jahre später ist die emotionale Aufgeladenheit raus aus dem Duell Caplan-Baggeler. Was nicht heißt, dass alle Wunden verheilt wären. Im offiziellen Umgang haben Caplan und Baggeler Wege des sachlichen, durchaus auch verbindlichen Umgangs miteinander gefunden.
Abseits des Protokolls kann die gegenseitige Einschätzung schnell in Abneigung umschlagen, die im politischen Alltagsgeschäft wohl vor allem deswegen nicht allzu offensichtlich durchschlägt, weil das völlig konträr zum allseits gepflegten ausgleichenden Politikstil der vergangenen Wahlperiode stehen würde.
Aber Baggeler hat es diesmal schwerer. Caplan weiß neben der CDU inzwischen Grüne und FDP offiziell hinter sich, im Grunde aber auch SPD und UWG. Die im Gegensatz zu manchen Nachbarstädten sehr sachbezogene Kommunalpolitik mit der frühen Einbindung aller politischen Fraktionen durch den Bürgermeister hat viele Früchte getragen, das bestreitet auch das BfB nicht.
Aber der Preis zeigt sich jetzt im Wahlkampf: Wenn praktisch alle in dieselbe Richtung streben, wird es schwer, noch pointiert politische Unterschiede herauszuarbeiten. Das gilt für die Parteien, das gilt auch für die beiden dominierenden Kandidaten.
Zwar wird Baggeler nicht müde, die Kooperationsbereitschaft des Rates in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister zu betonen, um dem Politischen in der öffentlichen Wirkung wieder mehr Raum zu verschaffen. Auch sucht er nach Differenzen in der Innenstadt-Frage. Aber im Kern ist klar: An politischen Streitfragen wird sich diese Wahl nicht entscheiden.
Also soll es weniger eine Sache der Inhalte als der Persönlichkeit werden, eher eine Abstimmung über Sympathie und Antipathie als über vorweisbare Erfolge oder Misserfolge. Baggeler setzt in seiner kostenintensiven Kampagne auf das Adjektiv „Echt“, was natürlich suggeriert, dass es da auch einen gibt, der „unecht“, aufgesetzt, gekünstelt ist.
Das rührt zum Teil an den alten Differenzen vor sechs Jahren. Aber auch hier macht es ihm Caplan nicht leicht. Entgegen der Prognose, dass dem Verwaltungsfachmann das Bad in der Menge und all die Repräsentationstermine nicht liegen, hat der Wahlsieger dauerhaft eine kaum zu toppende Allzeitpräsenz an den Tag gelegt — bei Versammlungen, Vereinstreffen, Festen, im kleinen wie im großen Kreis. Das Bild vom Aktenfresser, der sich im Rathaus verschanzt, zieht nicht.
Hier kommt der Kandidat der Linken, Robby Simon, ins Spiel. Inhaltlich hat der Leichlinger kaum mehr zu bieten, als dass er in Burscheid aufgewachsen ist. Bei Facebook hat ihm seine Spontankandidatur schon viel Häme eingebracht.
Aber in seiner Not setzt Simon da an, wo auch Baggeler seine Wähler abholen will: bei einer allgemeinen Unzufriedenheit mit einem vermeintlichen, zum Teil auch tatsächlichen politischen Einheitsbrei, der vom Bürgermeister dominiert wird; bei einem grundsätzlichen Misstrauen gegen zu viel Einstielen hinter verschlossenen Türen. Die nichtöffentliche Konsensfindung bei interfraktionellen Sitzungen hat die wahrnehmbare politische Diskussion annähernd zum Erliegen gebracht.
So macht Simons Hauruck-Kandidatur womöglich Baggeler das Leben schwerer als Caplan. Schafft keiner am 25. Mai die 50-Prozent-Hürde, muss am 15. Juni die Stichwahl entscheiden. Egal, ob am Ende Erfolgsbilanzen oder Stilfragen den Ausschlag geben, Caplan und Baggeler werden auch sechs Jahre nach den Ereignissen vom September 2008 noch die alten Narben spüren.