Arena: 50 Meter über dem Fortuna-Rasen
Das Dach der Arena erinnert von oben betrachtet eher an einen futuristischen Container-Hafen als an ein Stadion.
Düsseldorf. Die Zuschauerränge der Arena sind leer, als Michael Korst durch die schwere Stahltüre tritt, die vom Gäste-Foyer in das Innere des Stadions führt. Es ist für ihn ein gewohnter Anblick, nahezu jeden Tag ist er hier, kennt jeden Winkel. Er ist der Facility Manager der Arena — „man könnte es auch Hausmeister nennen“, sagt er und lacht.
Er geht die steile Treppe nach oben, vorbei an vielen verlassenen Sitzschalen, bis hin zu den obersten Plätzen und noch ein kleines Stückchen weiter. Eine graue Stahltreppe ist sein Ziel, abgesperrt ist sie mit einem hohen Gitter, ein Klinke gibt es hier erst gar nicht. „Hier kommt sonst keiner rein“, sagt Korst, sucht einen seiner zahlreichen Schlüssel heraus, schließt die Tür auf.
Er geht hinauf, steht auf einem schmalen, dunklen Podest kurz unter der Stadiondecke, einige weiße Türen befinden sich an dessen Rand, in einer Ecke brummt ein Stromkasten vor sich hin. Es riecht etwas muffig hier oben, Staub liegt auf dem Geländer, ein unscheinbares Podest, das doch wider Erwarten zu einem Ort führt, der sich weit über dem Spielfeld der Arena befindet, in luftiger Höhe — auf das Dach der Düsseldorfer Arena.
Durch eine schwere Luke führt der Weg auf das Dach, es ist später Nachmittag, die Sonne beginnt langsam zu sinken. Sie blendet Korst, als er auf die insgesamt 8000 Tonnen schwere Dachkonstruktion tritt. Sobald er den ersten Fuß von der metallenen Treppe auf das Dach setzt, federt der Boden jeden seiner Schritte ab, ein paar Zentimeter versinkt er in dem Material des Daches.
Es ist eine spezielle Dämmschicht, die die Oberfläche bedeckt, die Schall und Wärme gleichermaßen im Innenraum der Arena halten soll. Versiegelt ist die Schicht mit einer schwarzen und widerstandsfähigen Folie. Selbst die spitzen Schnäbel von Möwen könnten ihr nichts anhaben, sie habe nur einen wahren Feind, sagt Michael Korst. Wer mit Stöckelschuhen auf ihr herumwandere, richte großen Schaden an. „Jeden Monat wird kontrolliert, ob sich Risse in der Folie befinden, wenn ja, werden sie sofort ausgebessert“, sagt Korst.
Auf der Folie bahnt sich ein System aus dicken Drähten seinen Weg, bildet Quadrate, bizarre Formen auf dem Dach. Es sind die Drähte des Blitzableiters, wie ein Netz überziehen die das Arena-Dach. Rund 40 Meter über dem Spielfeld befindet sich Korst hier, eine andere Treppe führt weitere zehn Höhenmeter hinauf zu einer Empore, einer Galerie. Sie wirkt von unten wie eine Ansammlung von Lastenkränen eines futuristischen Container-Hafens, weiß sind die Säulen, verkreuzt die Streben zwischen ihnen.
Korst geht die steile Treppe hinauf, als er oben angelangt ist, offenbart sich ihm der Blick durch die Öffnung im Dach auf den Rasen der Arena weit unter ihm, alles wirkt wie in einem Spielzeugland. Die meiste Zeit ist das Dach geöffnet — zu speziellen Anlässen kann es jedoch auch geschlossen werden. „Das kommt aber relativ selten vor“, sagt Korst, hauptsächlich sei das bei Konzerten der Fall.
Auf dicken schwarzen Schienen lagern die massiven zwei Dachteile, die mithilfe von drei Antriebsmotoren auf jeder Seite zusammengeschoben werden können. 800 Tonnen wiegt eine der Dachhälften, bis die Arena ganz geschlossen ist vergeht eine halbe Stunde. Von einer anderen Seite des Daches kann man in die Hälften hineingehen, geradezu in ihnen herumwandern. Zahlreiche Stangen stützen die Dachhälften, ansonsten sind sie in ihrem Inneren aber hohl.
Korst geht an der anderen Seite des Steges hinunter, befindet sich nun wieder unmittelbar auf dem Dach der Arena. Von hier aus hat er einen Ausblick über die ganze Innenstadt, in südliche Richtung bis zur Fleher Brücke, gen Norden bis zum Flughafen und noch weiter bis nach Duisburg, wenn die Sicht klar ist. „Ein bisschen Gipfelatmosphäre hier oben“, sagt der Arena-Kenner und schmunzelt.
Tritt er bis ganz an den Rand des Daches, kann er das gesamte Messe-Gelände überblicken, nur einen Steinwurf entfernt liegt die erste Messehalle. Doch noch etwas ist von hier aus gut zu erkennen: die Struktur der Verkleidung des Arena-Gebäudes. Die einzelnen Stangen, die aus der Ferne von unten betrachtet stets so filigran und dünn erscheinen, sind in Wirklichkeit so dick wie ein Altbier-Glas. „Das hat natürlich seine Gründe“, sagt Michael Korst. Die Fassade könne so als Projektionsfläche genutzt werden, dank der runden Röhrchen entstehe der Eindruck eines zusammenhängenden Bildes.
So imposant das Bauwerk von oben auch wirkt, eine Wanderung über das Dach berge auch Gefahren, sagt Korst. Bei Dunkelheit lässt er niemanden mehr hier hinauf — wer stolpert oder ausrutscht, begebe sich in Lebensgefahr, könne nämlich ganz schnell vom Dach fallen.
Er selbst arbeitet seit knapp acht Jahren in dem Job, hat in der Arena sein neues Zuhause gefunden, wie er sagt. Manch großes Erlebnis habe er schon miterlebt, mach rührende Stunde sei bereits vergangen. Das wohl größte Erlebnis habe er jedoch kurz nach seiner Einstellung 2007 gehabt, als die Band Genesis in der Stockumer Arena zu Gast war. „Als ich in die Halle kam, standen links und rechts ein paar Wachmänner, in der Mitte war die Bühne, auf ihr standen die Jungs von Genesis und haben ihren Auftritt geprobt. Ich war der einzige Mensch in der Mitte der Halle, es war praktisch ein Privatkonzert für mich.“