Durch die Wüsten der Welt
1000 Kilometer in einem Jahr: Anne-Marie Flammersfeld läuft beim härtesten Rennen der Welt stets vorne mit.
Krefeld. Ausgetrocknete und sandige Böden, bis zu 60 Grad in der Sonne und bis zu minus zehn Grad in der Nacht — die Sahara ist die größte Trockenwüste der Erde und nicht gerade der ideale Ort, um sich sportlich zu betätigen. Für die Krefelderin Anne-Marie Flammersfeld ist es die pure Herausforderung, wenn sie am 28. Oktober im ägyptischen Fayoum, rund 100 Kilometers südwestlich von Kairo, ihren dritten Wüstenlauf in diesem Jahr startet.
Als erste deutsche Frau nimmt die 34-Jährige, eine Absolventin der Kölner Sporthochschule, in diesem Jahr am 1000-Kilometer-Lauf durch vier Wüsten der Erde teil. In vier Etappen von je 250 Kilometern durchqueren die Läufer des „4 Deserts“-Rennens die lebensfeindlichsten Gebiete auf diesem Planeten.
Schon die Atacama-Wüste in Chile im März und die Wüste Gobi in China im Juni bedeuteten für Anne-Marie Flammersfeld, an die Grenzen der körperlichen Belastungen zu gehen. Bei extremen Temperaturen legen die Teilnehmer täglich 40 bis 50 Kilometer zurück. Dabei tragen sie ihr Gepäck und ihre Verpflegung selbst.
„Ich finde es langweilig, morgens zu einem Marathon zu fahren und nach drei Stunden wieder nach Hause zu gehen. Ich brauche das Abenteuer“, sagt die Sportlerin, die in ihrer Wahlheimat Schweiz als Fitnesstrainerin arbeitet und eine ambitionierte Berg- und Marathonläuferin ist.
„In zwei von vier Rennen bin ich als erste Frau über die Ziellinie gekommen“, sagt Anne-Marie Flammersfeld. Und das, obwohl sie auf der Etappe durch die Wüste Gobi mit einem Magen-Darm-Virus zu kämpfen hatte. „Jedes Mal gab es eine neue Rekordzeit. Nur zwölf Männer waren schneller als ich. In der Gobi-Wüste konnten gerade mal drei Männer vor mir ins Ziel rennen.“ Damit ist 34-Jährige nach den zwei Rennen die führende Frau in der Gesamtwertung.
Für die letzten beiden Rennen durch die Sahara und ab dem 22. November durch die Antarktis hat sich Anne-Marie Flammersfeld klare Ziele gesetzt: „Natürlich möchte ich ganz vorne laufen, aber mein Hauptziel hat sich nicht verändert. Ich möchte in meinem Rhythmus, unverletzt und mit Freude bis zum letzten Laufschritt, diesen wahnsinnigen Wettbewerb durchhalten.“
Dafür trainiert die 34-Jährige in den Bergen rund um St. Moritz in der Schweiz. Diese Übungsstrecken sind steil und steinig, das Klima heiß und windig. „Da, wo ich lebe, gibt es keine flachen Straßen. Ich kann gar nicht flach laufen und schon gar nicht auf Asphalt. Das Engadin ist mein Trainingsparadies. Und da ich mit dem Joggen erst angefangen habe, als ich in die Berge gezogen bin, kann ich gar nicht sagen, wie es ist, nur auf der Straße zu trainieren“, beschreibt Anne-Marie Flammersfeld ihre Vorbereitungen.
Erst die vielfältigen und abwechslungsreichen Wege in den Bergen hätten ihre Leidenschaft zum Laufen geweckt. „Würde ich in einer Stadt wohnen, hätte ich mein Talent vielleicht gar nie entdeckt“, sagt sie.
Ab und zu zögen beim Training auch mal negative Gedanken ein. „Dann bekomme ich aber plötzlich von Radfahrern auf der Alm motivierenden Applaus oder ein Trainingspartner treibt mich an. Dann ist der Bann gerissen und ich verspüre wieder Spaß an der Bewegung, an dem, was ich da tue!“
Alle Gespräche führen früher oder später zum Thema Spitznamen. Denn durch ihre Siege trägt die Sportwissenschaftlerin mittlerweile unter den anderen Läufern den inoffiziellen Titel „Desert Queen“. Weniger gelungen findet Anne-Marie Flammersfeld die Bezeichnung als „Wüstenrennmaus“.
Ohnehin passt dieser Name nicht, wenn Anne-Marie Flammersfeld ihr Ziel erreichen will, ab dem 22. November in der kalten Antarktis die vierte Etappe zu absolvieren. Nur wer zuvor die drei heißen Wüsten geschafft hat, ist zugelassen, bei minus 20 Grad die restlichen 250 Kilometer des härtesten Rennens der Welt in eisiger Kälte zu vollenden.