Jubiläum: Mit den Wöchnerinnen fing es an

Verein für Haus- und Krankenpflege feiert 50-jährigesBestehen.

Krefeld. Im Jahr 2020 leben in Krefeld 7719 pflegebedürftige Menschen, 1406 mehr als vor sieben Jahren. Diese Zahlen einer Untersuchung des Landes nannte Angelika Gemkow (59), Behindertenbeauftragte der Landesregierung, als sie im "Campus 44" in Fichtenhain dem Krefelder Verein für Haus- und Krankenpflege die Glückwünsche von Sozialminister Karl-Josef Laumann zum 50-jährigen Bestehen übermittelte. Gemkow: "Das ist eine Herausforderung an alle."

Der Herausforderung zur häuslichen Pflege für Kranke und Wöchnerinnen, wie es damals hieß, und der Versorgung mit Mahlzeiten stellten sich vor 50 Jahren sieben Krefelder. Darunter ist als einziger noch lebender der Rechtsanwalt Dr. Gottfried Teipel (79), dem Oberbürgermeister Gregor Kathstede bei der Feier mit zahlreichen Gästen das vom Stadtrat verliehene Krefelder Stadtsiegel überreichte.

Die Initialzündung war aus dem Rathaus gekommen: Der damalige Sozialdezernent Walter Nettelbeck (1901 - 1975), als Kommunist von den Nazis inhaftiert und ab 1946 für die SDP im Stadtrat und dann in der Verwaltungsspitze, hatte die Idee, eine ambulante Pflege zu organisieren. Er konnte Magdalene Schwietzke, die erste Vorsitzende wurde, die Mennonitin Lore Cattepol, spätere Ehrenbürgerin, die Ärztin Dr. Anny Frerk, Emmy Kehrmann, Annemarie Paulsen und Teipel zur Vereinsgründung begeistern. Schon drei Wochen später, am 1. Dezember 1958, startete der Verein mit drei Pflegerinnen seinen ambulanten Pflegedienst.

Die Idee für "Essen auf Rädern" brachte Schwietzke 1961 aus England mit. Für eine älter werdende Gesellschaft bedürfe es besonders der Wertebeachtung, betonte Angelika Gemkow: "Geld alleine pflegt nicht. Wir müssen Menschen schützen und ihnen Würde geben."

Zum Jubiläum konnte die amtierende Vorsitzende, Andrea Blomen, auch ihre beiden Vorgängerinnen, Ruth Rozdzinski (ab 1970) und Gisela Erlenbach (von 1983 bis 1993) begrüßen. Sie dankte allen Spendern, darunter der Sparkasse, die ein nagelneues Pflegefahrzeug vor die Tür gestellte hatte, und der Bürgergesellschaft Stadtmitte, die seit 1965 mit der Benefiz-Veranstaltung "Wohltun und Freude spenden" erhebliche Mittel für "Essen auf Rädern" beschafft.

Elke Schmidt-Sawatzki vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW hatte nachgesehen: Der Krefelder Pflegedienst war schon 1959 Mitglied der Dachorganisation, der in Krefeld alleine 45 Vereine mit rund 1000 Mitarbeitern angehören.

Kathstede bezeichnete die Gründung des ersten nicht konfessionellen Pflegevereins als "Pioniertat, die weit über Krefeld hinaus wirkt" und zu der man die Bürger der Stadt beglückwünschen könne.

Auf den oft konfliktgeladenen Alltag der häuslichen Pflege ging die Gastrednerin, die Professorin der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, Dr. Helene Kohlen, in einem wissenschaftlichen Vortrag ein, die einen Verfall der fürsorglichen Praxis bemängelte: "Oft wird mehr über die Patienten gesprochen und dokumentiert als mit ihnen geredet."