Krimi im Forstwald: Der „Täter“ stammt aus St. Tönis
Sebastian Stammsen hat es getan: Der Familienvater hat seinen ersten Krimi geschrieben. Opfer ist ein Schüler. Das Buch erscheint am 23. September.
Krefeld/St.Tönis. Der junge Mann im blauen Hemd schaut sich verstohlen um. Er scheint jemanden zu erwarten. Immer wieder schaut er nach rechts und links die Hochstraße entlang. Der Gedanke, bei diesem heißen Wetter ins Café zu gehen, kommt ihm offenbar nicht.
Ich gehe ihm entgegen. "Herr Stammsen? Sebastian Stammsen?" Der Fremde nickt. Sein Händedruck ist freundlich, aber nicht zupackend. Er ist kein Schimanski-Typ, einer von der ruhigen Sorte, abwartend, aber mit verschmitztem Lächeln.
Das Lächeln vergeht seinem Gegenüber, als er auspackt: "Der Junge, der im Forstwald tot aufgefunden wird, ist der Schüler Tobias, 17 Jahre alt. Er wurde von hinten erstochen." Einen Kampf habe es nicht gegeben. Der Täterkreis ist groß, sagt Sebastian Stammsen. Mitschüler, Freunde aus der Band, sogar eine Lehrerin werden verdächtigt. "Tobias war ein Computerfreak. Er hat bei einem E-Mail-Spiel mitgemacht, bei dem es darauf ankommt, seine Mitspieler zu hintergehen, ein virtueller Dolchstoß sozusagen."
Nur, dass der Dolchstoß hier nicht in der virtuellen Welt verblieb. "Gegen jede Regel!" Sebastian Stammsen muss es wissen. Er hat diese Geschichte von A bis Z erfunden, sie konstruiert, ihr Gesichter und Inhalte aufgehalst, die Kapitel aufeinander abgestimmt und schließlich mit einer 30-Seiten-Leseprobe Verlage auf sich und die Story aufmerksam gemacht.
Der Grafit-Verlag hat Ernst gemacht. Mit Stammsens Traum, Schriftsteller zu werden, zu sein und davon irgendwann einmal leben zu können. Der "moderne Polizeikrimi" erscheint Ende September, Spannung und Unterhaltung auf 380 Seiten. Stammsen: "Mein Kommissar Markus Wegener ist 41, frisch geschieden, aber er kommt gut zurecht. Er hat eine humorvolle, bissige Weltsicht. Ich mag die melancholischen Krimis mit Novemberstimmung gar nicht."
Überhaupt sei er kein Krimi-Leser. Tatort-Fan schon gar nicht. Trotzdem zog ihn nach einer dreijährigen Schreibpause ("eine wichtige Phase") die Hauptperson in dieses Genre. "Dieser Kriminalkommissar ist mir im Kopf begegnet, und ich wusste, da will ich jetzt was schreiben."
Monatelang ermittelte das Team Stammsen und Wegener abends zwischen 20 und 22 Uhr. Stammsen schrieb an fünf Tagen in der Woche, setzte Wegener in der Krefelder Kripo noch die Kollegin Nina Gerling an die Seite, die der Schriftsteller in St.Tönis wohnen lässt.
"Als ich dachte, ich bin fertig, habe ich den Krimi erst einmal sechs Wochen liegen lassen." Danach knöpfte sich Stammsen seine Seiten noch einmal vor, ließ den Krimi von seiner Frau und Freunden lesen. Professionellen Freunden, "einer Rechtsanwältin, einem Kollegen, der Krimifreund ist und von Sebastian Wessel, Leiter des Kommissariats Staatsschutz in Krefeld. Das war sehr hilfreich, sehr konstruktiv."
Lektoren des Verlages hätten ihn danach überrascht, "was man noch aus so einem Text herausholen kann". An einer Stelle, sagt Stammsen, habe er gedacht: "Jetzt hat die Lektorin meinen Schreibstil besser drauf als ich."
Eine Zeit bangen Wartens musste Stammsen hinter sich bringen, nachdem der Verlag das komplette Manuskript verlangt und sich danach wochenlang nicht gemeldet hatte: "Da fragt man sich, ob man kurz vor dem Weltruhm steht oder ob alle im Verlag noch einmal drüber lachen wollen." Seine Frau habe von Anfang an an die Geschichte geglaubt: "Du wirst sehen."
Lesen kann man das Buch bald. Am 23. September erscheint das Taschenbuch im Handel. Hören kann man Sebastian Stammsen am 5. Oktober, 20.30 Uhr, in St. Tönis. Dann liest er über den Mordfall im Forstwald im Ratssaal.
Geleitet hat den Schriftsteller ein Vorsatz: "Ein Polizist sollte das Buch lesen können, ohne in Ohnmacht zu fallen." Den Fall dürfte er ausschließen können. Was sagte doch der echte Kriminalpolizist Wessel an der ein oder anderen Stelle: "Das ist nicht realistisch. Aber das macht nichts."