Moos — ihre botanische Liebe

Renate Fuchs war für die Doktorarbeit acht Jahre in Wald und Heide unterwegs. Jetzt bekam sie den Albert-Steeger-Preis.

Foto: privat

Krefeld. Gummistiefel und Regenhose gehörten acht Jahre lang zu ihrer Arbeitskleidung. In dieser Zeit war Renate Fuchs für ihre Doktorarbeit auf Knien mit der Lupe in Wald und Heide unterwegs, um Moose zu sammeln. Oft begleitete sie ihr jetzt vierjähriger Sohn Timon.

Tausende von Tüten hat die Naturwissenschaftlerin mit Proben der ebenso winzigen wie komplizierten Pflänzchen gefüllt und diese dann zu Hause getrocknet und mikroskopiert. Es sind so viele, dass eine Wand ihres Kellers komplett mit Kartons, in denen die Tütchen lagern, bedeckt ist. Oftmals wollte sie die Arbeit schmeißen. Nun ist die Wissenschaftlerin glücklich, durchgehalten zu haben. Die Botanikerin hat ihren Doktor, große Anerkennung und jetzt auch den mit 10 000 Euro dotierten Albert-Steeger-Preis bekommen.

Der Titel ihrer Doktorarbeit lautet: „Dynamik der Erlenbruchwälder, Moorbirken-Moorwälder und Gagel-Gebüsche im Übergang Niederrhein-Ruhrgebiet — Eine vegetationskundliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Moose.“ Zur Erklärung: Der Gagel ist ein stark verzweigter, sommergrüner Strauch.

Die 44-Jährige sagt: „Das Klima, der Nährstoff- und Wasserhaushalt des Bodens, die Lichtverhältnisse und die Konkurrenz der Pflanzen untereinander bestimmen, welche an einem Standort zusammen gedeihen und eine sogenannte Pflanzengesellschaft bilden.“ Die genannten Wälder seien typische Pflanzengesellschaften. Sie seien am Niederrhein stark gefährdet und überaus schützenswert.

Moose sind am Aufbau dieser Gesellschaften maßgeblich beteiligt. „Sie spielen eine große Rolle in den nährstoffarmen Wäldern“, erklärt die sympathische Frau. „Sie reagieren empfindlich auf Veränderungen des Standortes und eignen sich sehr gut als Anzeiger auf Umweltveränderungen.“ Rund 120 Moosarten hat sie unter die Lupe genommen und dabei auch seltene Pflanzen entdeckt, wie die Walzensegge, ein Sauergras.

Doch ihre botanische Liebe und Aufmerksamkeit gehört den Moosen. Schon in ihrer Diplomarbeit hat sie sich darum gekümmert. Auch wenn das am Anfang nicht ganz einfach war. „Fürs Mikroskopieren musste ich erst einmal die ganz feinen Moosblattschnitte lernen. Das klappte am besten mit einer Rasierklinge. Nach drei Wochen wusste ich, wie es geht, und konnte dann an Hand des Zellaufbaus erkennen, um welches Moos in Art und Familie es sich handelt.“

Sie hat aber ebenso erstmals den bisher fehlenden Indikatorwert für Stickstoff auch für Moosarten entwickelt. Bisher ging das nur für die so genannten Gefäßpflanzen, Pflanzen wie wir sie kennen. Jetzt kann der Zustand der Wälder und Gebüsche in ihrer Gesamtheit erforscht werden.

„Die wissenschaftlichen Untersuchungen von Pflanzen und Gelände zeigen, dass sich ihre Erhaltungsmöglichkeiten heute erschreckenderweise an einem Scheidepunkt befinden“, erklärt Fuchs. „Während der Flächenverbrauch bis in die 1930er Jahre Gefährdungsursache Nummer eins war, geht die größte Gefahr heute von Entwässerung und der allgegenwärtigen Nährstoffanreicherung — wie einem vierfach erhöhten Stickstoffwert — aus. Es sieht schlecht aus, auch für die Moose.“