Kreis Viersen Politisch rechts und konservativ
Der Hamburger Kay Gottschalk tritt für die AfD im Kreis Viersen an. Von Parteifreunden in der „Rechtsauslage“ grenzt er sich ab.
Kreis Viersen. Am Niederrhein kennt ihn kaum jemand: Der Hamburger Kay Gottschalk (51) tritt als Kandidat der Alternative für Deutschland (AfD) im Kreis Viersen bei der Bundestagswahl an. Warum sollten die Wähler ausgerechnet ihn als Abgeordneten nach Berlin schicken? Gottschalk gibt sich bescheiden: „Ich möchte keinen Personenkult haben, sondern mit dem Programm der AfD überzeugen. Wir möchten Dinge anders machen als andere.“
Was Gottschalk dann als Programmpunkte nennt, klingt nicht unbedingt neu, aber auch nicht nach AfD: Es sei Zeit, den Menschen „etwas von ihrem Geld zurückzugeben“. Sozialabgaben und Steuern seien zu hoch, sagt der Hanseat. Dann müsse es in Deutschland mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild geben. „Bei der Einführung des Euro zum Beispiel ist hier niemand gefragt worden.“ Und auch das Rentensystem müsse man komplett umbauen: „Auch Manager von Dax-Unternehmen sollten in die Rentenkasse einzahlen müssen.“ Das sei eine Gerechtigkeitsfrage. Staatsfonds wie in Norwegen nennt der Jurist, der für einen großen Versicherungskonzern arbeitet, als mögliche Rentenlösung.
Kay Gottschalk zur umstrittenen Äußerung von Alexander Gauland, der die Staatsministerin nach Anatolien „entsorgen“ möchte.
Mehr Gerechtigkeit — das hört sich ein bisschen nach SPD an. „Von 1982 bis 1991 war ich dort Mitglied“, sagt Gottschalk. Aber dann sei er als Nazi beschimpft worden, weil er sich für ein Einwanderungsmodell nach kanadischem Vorbild eingesetzt habe. Wozu dann zum Beispiel auch das zwingende Erlernen der deutschen Sprache für Einwanderer gehöre. „Jeder, der hierher kommt, muss sich assimilieren.“ Wenn man so etwas fordere, sei man doch kein Rassist oder Nazi.
Nun ist Gottschalk in einer Partei aktiv, in der Spitzenkandidat Alexander Gauland die Staatsministerin Aydan Özoguz nach Anatolien „entsorgen“ möchte — und Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ nennt. Hat der AfD-Kandidat aus Hamburg damit keine Probleme? „Generell hätte ich zum Fall Özoguz andere Worte gewählt. Die Dame ist überfordert und eine Fehlbesetzung, die die Begriffe Integration und Laissez-faire verwechselt“, antwortet Gottschalk. Und kritisiert die „Doppelmoral der Medien“, denn schon 2013 habe der SPD-Politiker Johannes Kahrs Kanzlerin Merkel „entsorgen“ wollen.
Kay Gottschalk zum Streit mit einem AfD-Politiker in Hamburg
Ganz allgemein räumt er ein, dass die AfD einige Mitglieder in der extremen „Rechtsauslage“ habe. Björn Höckes Aussage wolle er nicht näher kommentieren. Aus seiner Sicht, so Gottschalk, dürfe man die deutsche Geschichte aber nicht auf zwölf Jahre Nationalsozialismus reduzieren. Deutschland dürfe sich nicht länger hinter der „Schuldfrage“ verstecken.
Sind es solche Punkte, die ihn zur AfD gebracht haben? „Ich bin Gründungsmitglied mit der Nummer 75“, erzählt der 51-Jährige. Die Ablehnung des Euro sei ein Motiv für den Eintritt gewesen, aber auch die Tatsache, dass es in Deutschland zu viel Täterschutz gebe. Mehr Opferschutz müsse erreicht werden. Und in der Asyldebatte sei deutsches Recht verletzt worden.
Einen „Rechtsruck“ in der AfD nach der Entmachtung von Parteigründer Bernd Lucke im Juli 2015 kann Kay Gottschalk nicht ausmachen: Frauke Petry sei nicht rechter als Lucke. Der habe versucht, die AfD nach seinem Gusto zu formen, doch diese sei kein „Kanzlerwahlverein“ wie die CDU. Und wo würde sich Gottschalk selbst einordnen? „Politisch eher rechts, liberal und konservativ“ stehe er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sagt er und nennt sich einen „konservativen Revoluzzer“.
Warum tritt der redegewandte 51-Jährige, der kürzlich ein Haus in Breyell gekauft hat, überhaupt im Kreis Viersen und nicht in seiner Heimatstadt Hamburg an? „Ich habe mich seinerzeit für Frauke Petry aus dem Fenster gelegt und gegen Lucke getrommelt.“ Das habe seiner politischen Karriere geschadet, da in der Hamburger AfD die alten Parteistrukturen überlebt hätten. So sei es auch zu erklären, dass ihm der Chef der AfD-Hamburg-Mitte, Detlef Ehlebracht, öffentlich „fortgesetzte politische Untätigkeit“ vorgeworfen hatte. „Da gehe ich nicht drauf ein. Mit Schmutz wird in jeder Partei geworfen“, sagt Gottschalk. Nach der Wahl wolle er seinen Sitz in der Bezirksfraktion abgeben.
Seinen Lebensmittelpunkt will er nun mehr an den Niederrhein verlegen: „Ich fühle mich wohl hier, schätze das wärmere Klima.“ Die Region kenne er schon seit Jahren, da er hier Freunde habe, mit denen er auch schon im Dülkener Karnevalszug mitgezogen sei. Mit 60 Jahren wolle er dann vollständig an den Niederrhein ziehen, sagt Gottschalk, dessen Mutter in Hamburg lebt.
Welche politischen Ziele will Gottschalk für den Kreis Viersen umsetzen? Man müsse sich über den Verkehr der Zukunft Gedanken machen, sagt dieser: „Güter gehören verpflichtend auf die Schiene.“ Zusätzliche Güterstrecken müssten gebaut, andere Strecken wiederbelebt werden. Die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs, die Re-Vitalisierung von Flächen, die Begrenzung von Landflucht und den Ausbau der Digitalisierung zählt er auf.
Einige Lieblingsplätze im Kreis Viersen hat er schon gefunden: „Brüggen und Kempen sind schön.“ Und auch im Eiscafé am Kreisverkehr in Lobberich fühle er sich sehr wohl.