Loveparade: Schuldfrage ist eine offene Wunde

Vor drei Monaten starben in Duisburg 21 Menschen. Es gibt 318 Strafanzeigen.

Duisburg. Die 21 Toten bleiben unvergessen. Die jungen Menschen starben vor drei Monaten am 24. Juli in Duisburg bei der Loveparade oder Tage später auf der Intensivstation. Zu Technomusik wollten sie tanzen, Spaß haben, dabei sein - und kamen nicht mehr zurück: Tödlich war das Gedränge im Zugangsbereich zum Partygelände. Mehrere hundert andere wurden verletzt, manche sehr schwer.

Wer für all das wie viel Verantwortung zu tragen hat, ist weiter offen: Die Stadt, der Veranstalter oder die Polizei? In den Wochen danach hatte es ebenso viele Schuldzuweisungen wie Beteuerungen, alles richtig gemacht zu haben, gegeben. Ermittelt wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung "gegen Unbekannt". Wie lange noch, steht in den Sternen.

Mehr als 80 Beamte und vier Staatsanwälte arbeiten an der Mammutaufgabe, die Katastrophe aufzuklären. "Es sind weit über 700 Vernehmungen, unter anderem von Geschädigten, Polizeibeamten, Sicherheits- und Rettungskräften, Mitarbeitern der Stadt Duisburg und des Veranstalters durchgeführt worden", berichtet Oberstaatsanwalt Rolf Haferkamp von der Staatsanwaltschaft Duisburg. Wie viele noch folgen, kann er nicht sagen.

Gesichtet werden müssen überdies Berge von Aktenordnern, ganze 50 Terabyte elektronische Daten und fast 1000 Stunden Videos. Von Fotos, E-Mails und SMS ganz zu schweigen. Der öffentliche Druck ist immens: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sprach Anfang Oktober von 318 Strafanzeigen gegen Unbekannt oder namentlich benannte Personen.

Zivilklagen etwa wegen Schmerzensgeld sind zwar angekündigt. Beim Landgericht eingegangen ist allerdings erst eine einzige mit einem Streitwert von 5500 Euro, wie ein Sprecher berichtet. Sie richte sich gegen den Veranstalter Lopavent und dessen Chef Rainer Schaller. Zeitungen hatten berichtet, der Anwalt fordere für seinen Mandanten Ersatz für die Schäden, die ihm körperlich und seelisch zugefügt worden seien. Er wolle auch erreichen, dass "die Verantwortlichen endlich Farbe bekennen".

Hinterbliebene, Verletzte und ihre Angehörigen stehen nach wie vor in Kontakt mit Notfallseelsorgern. Ein gemeinsames Treffen ist für dieses Wochenende geplant. 40 Betroffene werden erwartet. "Für die Menschen ist wichtig, dass ihr großes Leid wahrgenommen wird", sagt Notfallseelsorgerin Jutta Unruh aus Solingen. Die Erfahrung, nicht allein zu sein in seiner Trauer, helfe. Bei der Loveparade gebe es mehrere sehr belastende Umstände, sagt sie. Die nicht geklärte Schuldfrage des Unglücks gehöre dazu. Sie sei für die Angehörigen wie "eine offene Wunde".

In Duisburg geht das Leben derweil weiter. Nachdem Mitte September im Rat ein Abwahlantrag gegen den umstrittenen Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) scheiterte, scheint langsam wieder Normalität einzukehren. Auf dem Loveparade-Unglücksgelände sollen bis 2013 zwei Möbelhäuser entstehen.