70 Jahre NRW Uta Raaschs Umweg: Über Italien zurück an den Rhein
Im Frühjahr 1979 wurde die Mode der Düsseldorferin geadelt - mit Fotos von Helmut Newton unter dem Brandenburger Tor.
Düsseldorf. Die Düsseldorfer Mode-Designerin Uta Raasch ist ein Early Bird, eine Frühaufsteherin. „Morgens ist das Licht am schönsten, da kann ich besser Farben aussuchen als unter Neonlicht“, sagt sie.
Mittwochs ist die Nacht besonders früh um. Da geht Uta Raasch von 9 bis 10 Uhr im TV-Verkaufskanal QVC live auf Sendung. Und hat zuvor schon Gymnastik und Körperpflege, Haarwäsche, Frühstück und Rhein-Spaziergang mit ihren beiden Jack-Russel-Hunden hinter sich gebracht. Eine Frau im Turbo-Modus.
Ihr Vater wollte, dass Tochter Uta etwas Solides lernt — eine Banklehre. Daran schloss sich ein Sprachstudium in Englisch und Französisch an. „Sprachen öffnen Tore zur Welt“, wusste der Herr Papa.
Und dann öffnete sich das Tor: Uta, die schon lange ihre Liebe zum Zeichnen und zur Mode entdeckt hatte, jobbte als Übersetzerin auf Modemessen, wurde Model bei „Miss Britt“, ging in Paris über den Laufsteg und designte ihr erstes kreatives Produkt, Seidentücher, die sie auf der Schuhmesse in Düsseldorf verkaufte.
Im Herbst 1978, Uta Raasch hatte inzwischen zwei kleine Kinder, gab ihr Ehemann Jonas die Initialzündung: „Du gründest Deine eigene Firma.“ Die erste Uta-Raasch-Kollektion wurde im Frühjahr auf der Igedo in Düsseldorf präsentiert — Spitzentops und kleine Kostüme aus Abendstoffen für den Tag.
„Und dann kam Rixa von Treuenfels auf unseren Messestand, die Chefredakteurin der neuen Vogue Deutschland. Meine Mode auf der Titelseite der Erstausgabe — fotografiert vor dem Brandenburger Tor vom weltberühmten Helmut Newton. Das war der Durchbruch.“
Uta Raasch bekam Designverträge für Umberto Ginochetti und Malgari in Italien. Bei der Gelegenheit lernte sie auch gleich noch Italienisch. Sie arbeitete für internationale Kollektionen und ihr eigenes Label. Sie eröffnete Läden auf Sylt, an der Kö, in Hamburg. 1994 wurde ihr eine Gastprofessur am Royal College of Art in London verliehen. Fachbereich Fashion Knitwear Design, Kollegin von Karl Lagerfeld und Vivian Westwood.
Die Liste der Modefirmen, für die Uta Raasch in mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten arbeitete, ist lang. Im Jahr 2013 bot sich die Chance, kürzer zu treten. Sie verkaufte ihre Marke und wollte künftig in ihrer Ideenwerkstatt „Uta Raasch Couture & Haute Couture“ an der Luegallee in Düsseldorf an ihren modischen Kür-Programmen feilen.
Es kam anders. Der deutschsprachige Ableger des amerikanische Konzerns QVC bot Uta Raasch einen Lizenz- und einen Künstlervertrag für die Produktlinie „Strandfein“ an. Uta Raasch: „Wir entwerfen, die produzieren. Und ich bin die Protagonistin vor der Kamera.“ Die Philosophie: „Am Strand fühlt man sich entspannt, spürt feinen Sand unter den Füßen und Salz auf der Haut. Und dann die frische Luft — durchatmen — man erweitert den Blick.“
Auf Mode übertragen: „Für Damen viel Strick und Jersey, sportlich-elegant, bequem und hochwertig — mit Elastan-Anteilen, damit man sich wohlfühlt.“
Nun mal nachgehakt: Die Verkaufssendungen sehen so echt aus, der Hinweis, dass nur noch soundsoviele Teile zu haben sind, scheint so zeitnah... Uta Raasch lässt keinen Zweifel aufkommen: „Alles zu hundert Prozent live, nichts ist gefaked. Wir dürfen gar nicht weiter verkaufen, wenn ein Artikel nicht mehr zu haben ist.“ Dann gibt es noch eine Warteliste, falls Teile noch mal nachproduziert werden.
Drei Leute arbeiten eine ganze Woche lang von morgens bis abends an einem Kollektions-Entwurf. Es beginnt mit Skizzen, Arbeitsproben, am Ende steht ein Musterstück. „In jedes Muster schlüpfe ich selbst rein“, versichert Uta Raasch. Einer der Gründe, warum sie darauf achtet, dass sie ihre Konfektionsgröße 36 beibehält — mit bewusster Ernährung, viel Bewegung, Gymnastik, Ayurveda.
Wo fühlt sich Uta Raasch am wohlsten? Da ist einmal ihre große Familie — ihre Tochter (Tierärztin), ihr Sohn (Kameramann), vier eigene Enkel und fünf Enkel, die ihr jetziger Lebensgefährte mit in die Patchwork-Familie gebracht hat. Dann ist da noch ihr grüner Rückzugsort in der Eifel, weit weg von Parfüm und Modewelt.
Aber Heimat, das ist für Uta Raasch Düsseldorf. „Mit Betonung auf -dorf!“ Die Stichworte sprudeln nur so aus ihr heraus: die Rheinaue vor der Tür, den Schiffen zuschauen, fußläufig über die Brücke in die Altstadt, ihre vertraute Clique, Uerige- oder Füchschen-Alt, Killepitsch, Hausmannskost, Circus Roncalli - „und sonntagmorgens die Glocken der Maxkirche in der Carlstadt, deren Klang bis nach Oberkassel herübergeweht wird.“