Bundestagswahl 2017 Kandidaten zwischen Angriff und Weiter so

Noch ein Monat bis zur Bundestagswahl — viel Zeit bleibt den Parteien nicht mehr, bis zum 24. September Unentschiedene zu überzeugen und die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Eine Bestandsaufnahme.

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Berlin. In genau einem Monat wird gewählt. 61,5 Millionen Wahlberechtigte sind dann aufgerufen, ihre Stimmen für einen neuen Bundestag abzugeben. Viel Zeit bleibt den Parteien nicht mehr, bis zum 24. September Unentschiedene zu überzeugen und die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Eine Bestandsaufnahme:

Die Kanzlerkandidaten.
Bis zum Wahltag werden Angela Merkel noch 35 und Martin Schulz noch 38 Kundgebungen abhalten. Die Amtsinhaberin erlebt etwas Neues: Buhrufe und Pfiffe, speziell von rechts. Das gab es vor vier Jahren nicht. Merkels Strategie bisher: Ein gepflegtes Weiter so, in Interviews ein bisschen menscheln und Privates verraten - Kartoffeln werden im Hause Merkel gestampft und nicht püriert.

Ihren Herausforderer erwähnt sie nicht. Sie verzichtet auf Polarisierung, die CDU-Chefin will Erreichtes bewahren. Martin Schulz hat hingegen seinen Stil verändert. Er ist aggressiver geworden, setzt stärker auf Abgrenzung von Merkel und auf Europa. In den vergangenen Wochen hat Schulz zu zahlreichen Themen Forderungskataloge präsentiert, die aber nicht verfangen. Es geht ihm wie dem Hasen, der schnell rennt, aber gegen den gewieften Igel nicht ankommt.

Die anderen.
Er überstrahlt alle anderen Spitzenkandidaten: Christian Lindner. Der FDP-Chef setzt sich auf den Plakaten wie ein Posterboy in Szene, die Kampagne wird im Netz gefeiert. Die FDP, eine Ein-Mann-Show. Diesen Vorwurf konnten die Liberalen bisher nicht entkräften. Vielleicht ist das ein Manko für den Schlussspurt. Demgegenüber hat das Grünen-Duo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt immer noch Mühe zu erklären, wofür es die Grünen braucht. Das muss noch deutlicher werden.

Die Linken Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht setzen wiederum auf Dauer-Opposition. Wie immer. Bleiben noch die Afd’ler Alexander Gauland und Alice Weidel. Sie kümmern sich vor allem um ihre rechte Klientel, um den Einzug in den Bundestag zu sichern. Im Wettkampf um Platz Drei müssen die Kleinen in den verbleibenden Wochen noch ordentlich Gas geben.

Die Themen. Sie poppen für ein paar Tage auf und verschwinden dann wieder. In diesem Wahlkampf gibt es bislang keinen überragenden Aufreger. Eine Sonderstellung nimmt der Dieselskandal ein, von dem viele Autofahrer betroffen sind. Darauf müssen die Wahlkämpfer zunehmend reagieren. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit, die Martin Schulz stellt, erzeugt hingegen nicht die Wallung, die sich die Genossen erhofft haben.

Merkel wiederum will gar keine thematische Rakete zünden. Sie setzt auf ihre Verlässlichkeit in allen Bereichen. Das Flüchtlingsthema spielt ebenfalls kaum eine Rolle, was den Rückgang der AfD in den Umfragen erklärt. Bildung, Digitalisierung, Umweltschutz, Klima, die großen Auseinandersetzungen fehlen auch hier. Immerhin gibt es den türkischen Präsidenten Erdogan und US-Präsident Trump, an denen sich die Parteien abarbeiten.

Die Wähler. Vier Wochen vor der Wahl wirken die Parteipräferenzen wie zementiert. Ändert sich nichts mehr, werden dem neuen Bundestag mit FDP und AfD zwei weitere Parteien angehören. Macht dann insgesamt sieben. Für die Mehrheit der Bürger scheint ausgemacht, dass Angela Merkel wieder Kanzlerin wird. Diese Auffassung trägt nach Meinung der Wahlforscher dazu bei, dass viele Bürger den Wahlkampf als uninteressant empfinden. Laut Institut Allensbach wissen jedoch 46 Prozent noch nicht, für wen sie am 24. September stimmen werden. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass es am Wahltag eine Überraschung geben könnte.

Die Entscheidung. Immer mehr Wähler entscheiden sich immer später. Auf die letzten Tage kommt es demnach an, Unentschlossene zu überzeugen und Anhänger zu mobilisieren. Darauf sind die Kampagnen der Parteien ausgerichtet. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie Merkel den Sieg noch vergeigen oder Schulz ihn noch einfahren könnte. Es gibt ein Ereignis, durch dass sich der Wind vielleicht noch etwas drehen wird — oder auch nicht: Das TV-Duell am 3. September.