Selbstgemachte Frühlingsrollen schmecken am besten

Es liegt nicht nur daran, dass die freundliche Frau von der Rezeption mir dabei hilft, innerhalb von unglaublichen 24 Stunden meinen zurückgelassenen Pass wiederzubekommen - ich laufe von der Busstation ziellos ein paar hundert Meter in das Marktviertel von Hoi An und bin schon verknallt.

Foto: Juliane Kinast

Die Altstadt dieses Städtchens am Thu-Bon-Fluss ist - so langsam dürfte es jetzt wirklich niemanden mehr wundern - Unesco-Weltkulturerbe. Mein drittes in etwas mehr als einer Woche nach Halong Bay und Hue. Über 800 Häuser aus vergangenen Jahrhunderten sind hier erhalten, und da man vor Ort um die Wirkung dieser alten Architektur und ihrer Atmosphäre weiß, strahlen hunderte Lampions des Abends die Fassaden an, verkaufen alte Frauen am Fluss Papierlaternen mit Kerzen, die Touristen mit einem Wunsch ins dunkle Wasser setzen und auf die Reise schicken können. Das Wort "pittoresk" wurde ganz offensichtlich für Hoi An erfunden.

Foto: Juliane Kinast

Ich bin an meinem ersten Abend mit einer zufälligen Mischung aus Menschen zusammen - ein belgisches Paar aus dem Bus von Hue, ein norwegisches Paar vom Strand, mein neuer Zimmernachbar Arthur aus Deutschland, Italiener Daniele von der Halong-Bay-Cruise, in den ich zufällig hineingerannt bin. Und wir lernen gleich eine wichtige Lektion über Tourismus in Hoi An: Auf der Flussseite der Altstadt schauen wir auf eine Speisekarte mit Hauptgerichten für bis zu 500.000 Dong (umgerechnet annähernd 25 Euro). Genau auf der anderen Seite der hübsch illuminierten Brücke indes speisen und trinken wir zu siebt für diesen Betrag. Ein toller Abend.

Foto: Juliane Kinast

Nachdem ich mich am kommenden Morgen mit einem klapprigen Fahrrad ohne Bremsen zwischen Dörfern und Reisfeldern verloren habe, wie ich es inzwischen am liebsten mag, treffe ich endlich meine kanadischen Damen am Strand von An Bang. Und nicht nur sie. Zwei vietnamesische Mädchen, die Strandliegen vermieten, setzen sich bald zu uns. Wir haben einen netten Plausch und versprechen, am nächsten Tag wiederzukommen. Das tun wir auch - und tatsächlich haben die beiden vier nebeneinanderstehende Liegen für uns reserviert. Nach ein paar gemütlichen Stunden wollen wir aufbrechen - und die zwei 15 und 19 Jahre alten Vietnamesinnen fragen, ob wir nicht am Abend mit ihnen ausgehen möchten. Natürlich möchten wir. Was für eine Chance, Hoi An aus der Perspektive der Locals zu erleben!

Foto: Juliane Kinast

Die zwei Mädchen nehmen uns mit in eine kleine Garküche an der Straße, wo Cao Lau serviert wird - Nudeln mit Grünzeug und gegrilltem Schwein; für mich gibt es sogar die Vegetarier-Extrawurst mit Tofu. Es schmeckt, es wird gelacht - und als wir nach der Rechnung fragen wollen, winkt eine unserer vietnamesischen Begleiterinnen ab: "Ich hab' doch schon bezahlt!" Leesha, Domi, Megan und ich schauen uns verdutzt an. Damit hatte keine von uns gerechnet. Auch nicht damit, dass das junge Ding auf dem Weg zum Fluss in einem Geschäft verschwindet und mit Lollies für uns alle wieder herauskommt.

Foto: Juliane Kinast

Am Ufer - abseits der touristenüberfüllten Altstadt - sitzen wir dann in einem lokalen Biergarten auf - natürlich - kleinen Plastikstühlen und versuchen uns der immer neuen Snacks und Getränke zu erwehren, welche die zwei Mädchen von überall her anschleppen. Als sie uns danach auf dem Heimweg noch Armbänder kaufen mit den Worten "Weil wir euch vermissen werden, wenn ihr weiterreist", ist es um uns endgültig geschehen, jede von uns überlegt, wann ihr so viel Nettigkeit und Güte schon mal wiederfahren ist - und ob sie selbst im Alter dieser zwei Vietnamesinnen auch nur halb so liebenswert war.

Foto: Juliane Kinast

Und weil wir gerade dabei sind, so viel zu lernen, melden wir uns zurück im Hotel spontan für einen Kochkurs am nächsten Tag an.

Foto: Juliane Kinast

Mit ein bisschen Schnippeln und Brutzeln ist der allerdings nicht erledigt, stellen wir am nächsten Morgen fest, als Tuyet vor dem Hotel mit Fahrrädern auf uns wartet. "Ich nehme euch jetzt mit in ein Dorf, wo frisches Gemüse auf ganz traditionelle Weise angebaut wird", erklärt sie. Und schon sitzen wir auf den Rädern und radeln aus Hoi An hinaus. Sobald wir im Dorf absteigen, kommt die gebückte Silhouette einer Frau auf uns zu - das Gesicht eine Kraterlandschaft aus tiefen Runzeln, kein einziger Zahn im lachenden Mund, die knochigen Arme winken. Auf dem Fuße folgt ihr Mann, ebenso gebückt und runzelig. "Die beiden sind über 90 Jahre alt", erklärt Tuyet. Aber wie aufs Stichwort greift der Mann zu einem Gestänge mit zwei Gießkannen, befüllt sie, hievt sie auf die Schultern, und stapft wacker zu seinem Feld, um die Chillipflanzen zu bewässern. Dann lässt er uns alle mal probieren und lacht sich zusammen mit seiner Frau zahnlos kaputt. Es ist faszinierend, dass ihr hartes Leben die vietnamesische Landbevölkerung nicht ebenso hart macht, sondern so fröhlich und offen.

Zurückgeradelt nach Hoi An nimmt Tuyet uns mit auf den Markt, wo wir Papayas und Karotten, Nudeln, Hühnchen und frisches Tofu kaufen, Knoblauch und allerlei Gewürze. Dann stehen wir auf der Terrasse des Om-Restaurants und schnibbeln unser Gemüse. Nach zwanzig Minuten habe ich meine ersten vietnamesischen Frühlingsrollen gepackt und gerollt, einen Papayasalat mit Erdnüssen und Chilli zusammengehäuft und in einem Tontopf for mir brutzelt scharf gewürztes Tofu mit Knoblauch vor sich hin, während Leesha und Domi abwechselnd in einem Lemongrass-Hühnchen rühren. Lecker!

Hoi An war geschichtlich, landschaftlich, menschlich und kulinarisch ein Hochgenuss, der die Weiterreise schwer macht. Zumal es jetzt auf meine längste Bustour geht: 18 Stunden bis Dalat. Aber: Dort soll ich angeblich endlich mal frieren können. Ich kann es nicht glauben. Und nicht erwarten!