Wenig Kult, keine Gewalt: Der Frauenfußball-Fan
Köln (dpa) - Weniger Fouls, keine Rudelbildung: Frauenfußball ist fairer als Männerfußball. Auch die Zuschauer der Frauen sind ruhiger, Hooligans und Schlägereien sind kein Thema.
Der Publikumsforscher Hans Stollenwerk von der Deutschen Sporthochschule in Köln erklärt, was die Fans im Frauenfußball ausmacht. Eine Fan-Typologie.
LIGA VS. TOP-SPIELE: In der Bundesliga der Männer sind die Stadien prall gefüllt. Bei den Frauen muss man aber zwischen der normalen Bundesliga und Top-Spielen unterscheiden. „Der Liga-Alltag ist vergleichsweise trist und erreicht nur wenig Zuschauerinteresse“, sagt Stollenwerk. In der Saison 2009/10 etwa seien pro Spiel im Schnitt nur 766 Besucher gekommen. Auf der anderen Seite stünden die Top-Partien, also die Pokalfinals und Spiele der Nationalelf. Hier kommen häufig zehntausende Zuschauer in die Stadien.
FRAUEN LOCKEN FRAUEN: Frauenfußball zieht mehr weibliche Fans ins Stadion als Männerfußball. Zwar dominieren auch in der Frauen-Bundesliga Männer die Zuschauerränge. „Der Anteil der Mädchen und Frauen ist hier aber höher“, sagt der Fan-Experte. Bei den Top-Partien sind die weiblichen Fans teils sogar in der Überzahl, wenn auch nur knapp. Rund 60 Prozent der Zuschauerinnen spielen selbst aktiv oder haben früher gekickt.
JUNG UND ALT: Beim Alter der Fans zeigen sich klare Unterschiede. Während im Männerfußball Zuschauer zwischen 21 und 40 Jahren mit rund 40 Prozent die größte Gruppe ausmachen, sind sie im Frauenfußball in der Minderheit. „Dafür kommen erheblich mehr ältere Besucher über 40 Jahren ins Stadion“, erklärt Stollenwerk. Auch jüngere Zuschauer unter 20 Jahren seien hier wesentlich häufiger anzutreffen. „Und von denen sind 70 bis 80 Prozent Mädchen.“
SPIELINTERESSE: Sowohl in der Männer- als auch in der Frauen-Bundesliga gehen die Besucher hauptsächlich aus einem Grund ins Stadion: Sie wollen das Spiel sehen. Anders sieht es bei den Top-Spielen der Frauen aus. Zwar steht auch hier das Spielgeschehen im Vordergrund. Aber die Stadionatmosphäre und das Rahmenprogramm nehmen einen größeren Stellenwert ein. Hier sei das Rahmenprogramm oft auf Familien ausgelegt. „Das nehmen viele Familien zum Anlass, sich ein Spiel anzusehen.“ Viele Stadionbesucher betreten bei den Top-Spielen sogar völliges Neuland. Beim Pokalfinale 2011 war knapp die Hälfte der 26 000 Zuschauer zum ersten Mal live bei einem Fußballspiel der Frauen dabei, wie Stollenwerk sagt.
WENIGER FANKULT: Der Anteil der Fans im klassischen Sinne ist im Frauenfußball deutlich geringer als bei den Männern. „Der ganze Fankult ist in der Frauenliga etliche Nummern kleiner“, sagt Stollenwerk. Selbst bei Top-Partien sei nur eine Minderheit mit Fan-Utensilien wie Trikots oder Schals ausgestattet. „Das taucht zwar langsam auf, ist aber noch ein minderheitliches Erscheinungsbild.“ Grund sei neben der Publikumsstruktur auch die fehlende Tradition in der Frauen-Bundesliga.
GEWALT UND ALKOHOL: „Natürlich trinken die Zuschauer beim Frauenfußball auch mal ein Bier in der Pause.“ Hooligan-Gruppen und Schlägereien kommen dem Publikumsforscher zufolge im Frauenfußball aber nicht vor, auch weil die „kritische Gruppe“ der 18- bis 35-jährigen männlichen Zuschauer hier in der Minderheit sei.