Interview mit DOSB-Präsident Hörmann: „30 Medaillen sind realistisch“
Der DOSB-Präsident Alfons Hörmann über deutsche Ziele, die Kleiderordnung und Putin.
Herr Hörmann, auf welche Wettbewerbe in Sotschi freuen Sie sich besonders?
Hörmann (53): Mal schauen, wie es logistisch funktioniert, aber ich habe mir vorgenommen, dass ich jede Disziplin mindestens einmal besuche.
Sind 30 Medaillen als Ziel nicht zu hoch gegriffen?
Hörmann: Wir orientieren uns an den Zahlen von Vancouver. Da haben wir mit zehn Gold-, 13 Silber- und sieben Bronze-Medaillen eine Punktlandung hinbekommen. Warum sollten wir uns mit weniger begnügen? Ich halte 30 Medaillen für realistisch, aber auch für sehr ambitioniert.
Neureuther, Höfl-Riesch, Frenzel, Loch — die zählen nach den jüngsten Erfolgen zu den Gold-Kandidaten, oder?
Hörmann: Natürlich stimmen die letzten Weltcup-Resultate sehr zuversichtlich. Wobei man offen sagen muss, dass das Starterfeld in einigen Disziplinen nicht immer das stärkste war. Aber vom Grundsatz her haben unsere Top-Athleten gezeigt, dass sie auf einem guten Weg sind. Außerdem: Woher sollen die Medaillen kommen, wenn nicht von denen, die Sie genannt haben?
Warum setzen Sie sich so vehement für Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ein, die für zwei Jahre gesperrt worden war?
Hörmann: Ich habe Verständnis für Claudia Pechstein. Sie steckt in einer schwierigen Situation. Ich glaube, ihr Fall ist einer der komplexesten in der Sportgeschichte. Wir wollen alles dafür tun, um ihr die zehnte olympische Medaille zu ermöglichen.
Stimmt es, dass jedes Teammitglied eine ausführliche Kleidungsvorschrift mitbekommt?
Hörmann: Ganz genau, auf 40 Seiten ist dargestellt, wie wir ins Flugzeug steigen, wie wir rausgehen, was wir im Stadion tragen. Weil wir uns vor den Spielen mit unseren Ausrüstern zusammengesetzt haben. Im Scherz könnte man sagen, wir können in Sotschi fast keinen größeren Fehler machen als falsch gekleidet zu sein.
Sprechen Sie mit ihren Kollegen vor Ort über den kritisierten Gigantismus und die milliardenschweren Investitionen in Sotschi?
Hörmann: Das weiß ich noch nicht. Aber ich denke schon, dass wir Deutschen aus unserem Verständnis heraus mit einer solchen Umsetzung von Olympischen Spielen einige Probleme haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass Olympia künftig wieder anders aussehen muss.
Nämlich wie?
Hörmann: Wir hatten mit der Bewerbung Münchens für die Spiele 2022 einen Gegenentwurf vorgelegt. Minimale Eingriffe in die Natur, Zurückgreifen auf bestehende Anlagen, keine künstlich aufgeblasenen Spiele, sondern nachhaltige, mit gekonnter Weiterentwicklung der Wintersporttradition.
Winterspiele in Deutschland sind nach dem Bürgerentscheid gegen München in große Ferne gerückt. Halten Sie einen neuen Anlauf für sinnvoll?
Hörmann: Ganz ehrlich, ich sehe da so gut wie keinen Ansatz. Allen, die leidenschaftlich für München 2018 und 2022 gekämpft haben, fehlt momentan die Vorstellungskraft, wie wir die Menschen in München, Garmisch und den Regionen Traunstein und Berchtesgaden überzeugen könnten. Ich denke, das Thema ist durch.
Wenn Sie bei der Eröffnungsfeier Präsident Putin begegnen — was werden Sie ihm sagen?
Hörmann: Zuallererst würde ich ihn, wie es sich gehört, ordentlich begrüßen. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, ein paar Sätze auszutauschen, werde ich das tun. Aber da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.
Glauben Sie, dass sich deutsche Sportler vor Ort zu heiklen Themen äußern?
Hörmann: Jeder Athlet kann sich in Sotschi frei äußern. Es gibt bei uns kein Denkverbot und keinen Maulkorb. Auf der anderen Seite rate ich aber jedem, dass er sich mindestens zu 98 Prozent darauf besinnt, seine sportliche Leistung abzurufen.