Chinesen pfeifen aufs Verbot: Spucken ist gesund
Speichel-Laachen und Taxi-Odysseen - Reporter Michael Jonas schildert die für Ausländer befremdlichen Angewohnheiten der Chinesen, und die Kommunikationsprobleme mit Chauffeuren, die kein Wort Englisch sprechen.
Peking. In den Altstadtvierteln von Peking ist die Welt gänzlich anders als wenige Kilometer weiter auf dem modernen Olympiagelände. Dort, wo die einfachen Leute wohnen, wird noch gespuckt was das Zeug hält. Die Chinesen halten diese Art von Speichelentfernung für gesund. Es bringt eine Erleichterung, betonen sie.
Dabei hatten die Olympia-Organisatoren das Spucken während der Spiele strikt untersagt. Doch kaum jemand hält sich trotz der Androhung von Geldstrafen an das Verbot der Regierung. Ein Kollege, der in Peking beheimatet ist, schilderte etwas angewidert, wie er nach dem Einkaufen seine Tasche aufs Sofa stellte. Als er sie ausgeleert und hochgenommen hatte, befand sich auf dem Möbelstück eine eklige Speichellache.
Da kann einem schon mal der Appetit vergehen. Überall, wo sie gehen und stehen, bevorzugen Chinesen diese Art des befreienden Auswurfes. Die Manieren sind noch nicht auf dem erhofften internationalen Standard.
Warum auch? Das Spucken gehört zur chinesischen Tradition, und die ist partout unantastbar. Der einstige stellvertretende Parteichef und mächtige Mann Chinas, Deng Xiaoping, war ein begeisterter Spucker. In den 70er- und 80er-Jahren soll er beim Begrüßen von Staatsgästen in der Großen Halle des Volkes stets einen Spucknapf bei sich getragen haben. Das geräuschvolle Reinigen der Atemwege hängt wahrscheinlich auch mit dem trockenen Klima zusammen und der Verschleimung durch die schlechte Luft.
Spucken gilt als etwas, für das sich die Chinesen nicht schämen. Im Gegenteil: es macht Spaß. Schämen müssen sich eher bei uns die Leute, die ihre Kaugummis auf die Straße spucken. Das ist weder gesund noch hat es Tradition.
Die 67 000 Pekinger Taxifahrer sollten doch wenigsten ein paar Brocken Englisch lernen, hieß die Bestimmung der Behörden. Weit gefehlt. Wenn man irgendwo hin will, muss man sich den Namen des Reiseziels in chinesisch aufschreiben lassen. Als ich am Donnerstag zur deutschen Botschaft gebracht werden wollte und der Chauffeur fünfmal ausstieg und Passanten mit Händen und Füßen nach dem Weg fragte, war ich der Verzweifelung nahe.
Ohne Geduld ist man in Peking nichts. Der geplante Rückweg von der Botschaft geriet zu einer Odyssee. Kein Taxifahrer war bereit, mich mitzunehmen und zurück zum Internationalen Pressezentrum zu bringen. Selbst mit der Hilfe eines jungen chinesischen Helfers kam ich nicht weiter. Die Wagenlenker winkten ab. Der Grund: US-Präsident George W. Bush war in der Stadt und deshalb etliche Straßen gesperrt. Das Chaos hatte einen Namen.
Nach einem längeren Fußmarsch erklärte sich schließlich ein Taxifahrer bereit, mich in die Nähe des Pressezentrums zu kutschieren. Während der etwa dreiviertelstündigen Fahrt brabbelte er vor sich hin und lachte ohne Unterlass. Ein freundlicher Mann, leider ohne jegliche Englischkenntnisse. Nachdem sich der aufgeregte Fahrer mit dem lauten Organ durchgefragt hatte, war ich am Ziel und mit den Nerven fertig. Aber das ist Olympia in China - eine Wundertüte voller Überraschungen