Interview Teil II Kreutzer: „Auf die Mischung kommt es an“
Im zweiten des Interviews spricht DEG-Trainer Christoph über seinen Job, die Kaderzusammenstellung und den Abgang von Jochen A. Rotthaus.
Düsseldorf. Im zweiten des Interviews spricht DEG-Trainer Christoph Kreutzer über seinen Job, die Kaderzusammenstellung und den Abgang von Jochen A. Rotthaus.
Herr Kreutzer, lief ihre erste Saison als DEL-Cheftrainer so, wie Sie erwartet hatten? Oder gab es Überraschungen? Beispielsweise beim Zeitaufwand bei bestimmten Aufgaben.
Kreutzer: Manchmal sitze ich da mit Tobi Abstreiter, wir arbeiten und analysieren nach dem Training, und plötzlich schaust du auf die Uhr und denkst dir: Jetzt sollten wir wirklich mal nach Hause fahren, sonst können wir direkt hier bleiben. Aber das Schöne ist, dass es so viel Spaß macht. Wir arbeiten super zusammen, stecken viel Energie rein und werden belohnt.
Aber der Zeitaufwand ist trotzdem enorm. Sie hatten in der kompletten Saison fast durchgängig Sieben-Tage-Wochen.
Kreutzer: Vor der Saison war Lorenz Funk wegen des Winter Games häufiger und sagte mir: Du musst auch mal Pause machen, du wirst die Energie in der Saison brauchen. Ich hab nur ,jaja' gesagt. Jetzt muss ich aber sagen: Nach so einem Spiel, vor allem in den Play-offs, warst du abends leer. Es war schon hart. Das habe ich vielleicht etwas unterschätzt. Ich dachte, du bist als Trainer ja nicht so körperlich dabei..
...Sie schon
Kreutzer: (lacht) Aber du musst ja an tausende Dinge denken und manchmal innerhalb einer Sekunden entscheiden. Aber wenn alles gut geht, ist ja wunderbar.
Empfinden Sie Genugtuung, weil Ihnen niemand etwas zugetraut hatte?
Kreutzer: Ja, eindeutig. Ich finde es generell bitter, dass deutsche Trainer hier zu selten die Chance bekommen. Ich finde, wir haben viele gute Trainer.
Jetzt werden Sie gefeiert.
Kreutzer: Die Resonanz ist überragend. Jeder gratuliert einem. Manchmal habe ich gedacht, ich hätte jeden Tag Geburtstag. Das ist ja quatsch. Ich bin das nicht allein, ich arbeite fantastisch mit Tobi zusammen. Er ist ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil und ein Supertyp.
Über Jahre wurden bei der DEG erst mal teure Ausländer geholt, dann wurde der Kader mit Deutschen aufgefüllt. Jetzt haben Strodl, Prebisch und Fischbuch Verträge über mehrere Jahre.
Kreutzer: Wir haben früh verlängert, weil sie sich stetig weiterentwickelt haben. Das ist auch eine gewisse Belohnung. Die hätten woanders bestimmt den ein oder anderen Euro mehr bekommen. Aber sie wissen, dass sie hier ihre Eiszeit bekommen. Die wollen Nationalspieler werden. Und sie sollen es in Düsseldorf werden. Das ist auch ein Zeichen für andere. Wir kriegen Anrufe von Beratern, dass ihre jungen Spieler unbedingt zur DEG wollen, obwohl sie vielleicht bessere Angebote haben.
In Düsseldorf lässt es sich ja auch ganz gut leben, im Verein herrscht Aufbruchstimmung.
Kreutzer: Klar, aber auf der anderen Seite gibt es auch Spieler, die uns verlassen haben, da wurde gar nicht gekämpft. Ich habe mit einem Berater gesprochen und gesagt, dass es für den und den Spieler eng wird. Das war für den Berater sofort kein Thema mehr. Die sagen dann nicht, dass der Spieler aber bleiben will. Die haken das ab und fragen, was wir noch brauchen. ,Braucht ihr einen Verteidiger? Ich schicke dir mal 20 Unterlagen.' Da denkst du: ,Moment, ich dachte, wir diskutieren hier jetzt mal eine Stunde.' In Nordamerika ist das reines Business. Die Berater haben teilweise 500 Spieler unter Vertrag. Das ist fast Menschenhandel.
Wie lief das bei den deutschen Spielern, die jetzt kommen?
Kreutzer: Tim Schüle hat mich seit Dezember ständig angerufen. Der kennt mich und weiß, was er hier vorfindet. Der wird uns sehr gut zu Gesicht stehen, weil er wirklich Potenzial hat. An der Defensive muss er arbeiten, das weiß er aber auch. Ich habe ihm ganz klar gesagt: Wenn das nicht funktioniert, schmeiße ich dich wieder raus. Ich rede mit denen offen. Auch Gawlik habe ich gesagt, was er zu erwarten hat und was nicht. Dann kann er entscheiden, ob er das will. Auch bei Alex Thiel war das so. Er glaubt, in Augsburg mehr Chancen zu haben, sich weiter zu entwickeln.
Worauf haben Sie bei der Kaderzusammenstellung am meisten Wert gelegt?
Kreutzer: Auf eine gute Mischung. Wir wollen junge Leute haben, die auf Konkurrenz aus sind und um ihren Platz kämpfen. Davon haben wir dieses Jahr viel mehr. Dann kommen ein paar Leute, die im gestandenen Alter sind, die sich aber noch weiterentwickeln können. Zum Beispiel Gawlik, der kann eigentlich alles, aber da geht noch mehr. Das weiß er. Er ist ehrgeizig und will zurück in die Nationalmannschaft, und ich glaube, dass er das schaffen kann. Die dritte Gruppe sind die Erfahrenen, die hohe Qualität haben und Leader sind, die in kritischen Phasen Sicherheit geben.
Zu denen gehört auch Zugang Norm Milley, der 35 ist.
Kreutzer: Der ist ein Topspieler, der hat seit sieben Jahren fast jedes Spiel einen Punkt gemacht. Aber der ist noch so frisch und ehrgeizig. Der hat noch Ziele und will mit den jungen Leuten etwas machen. Solche Spieler brauchst du. Wenn du den gegen Andreas Martinsen nimmst, haben wir sicherlich einen torgefährlichen Spieler verloren, der am Ende aber auch nicht mehr so gut war, was mehrere Gründe hatte. Aber dagegen haben wir nun einen erfahrenen Spieler, der auch scort, sehr klug spielen kann und die Mannschaft führt. Der hätte uns in den Play-offs sicherlich mehr gebracht.
Was war am Ende mit Martinsen los?
Kreutzer: Für ihn persönlich ist es gut, dass er es jetzt in der NHL versucht. Er wollte das unbedingt und hatte das seit langem im Kopf. Jetzt kriegt er die Chance. Entweder er schafft, dann ist es gut. Wenn er nicht schafft, weiß er es wenigstens.
Eine weitere heiß diskutierte Personalie war Ihre Entscheidung für Kurt Davis gegen Drew Schiestel. Woran lag das?
Kreutzer: Ich finde Kurt besser. Ich arbeite mit denen jeden Tag. Manche Fans sehen natürlich, dass Kurt manchmal einen brutalen Schnitzer hat. Aber er hat sich im Laufe der Saison wirklich weiterentwickelt. Ich bin überzeugt, dass er nächste Saison eine viel größere Rolle spielt, weil er sich an die DEL gewöhnt hat. Er weiß, dass er nicht so viel Zeit hat wie in Norwegen und hier nicht so hohes Risiko gehen kann. Aber er hat ein wahnsinniges Potenzial und ist ein Supertyp.
Was sprach gegen Schiestel?
Kreutzer: Am Ende hat er gut gespielt, aber er ist ein typischer Spieler, der null Ahnung hatte, was hier in Deutschland abgeht. Er hat gedacht: ,Ok, dann spiele ich jetzt eben in Deutschland, das Geld stimmt.' Er hatte aber null Ahnung, dass wir hier so ein gutes Niveau haben.
Also frei nach dem Satz „Die Saison beginnt im April“?
Kreutzer: Nein, das war beim Drew nicht das Entscheidende. Er war einfach überfordert. Am Ende wusste er, dass er keinen Vertrag kriegt und wollte sich zeigen. Er hat sich dann auch wirklich gesteigert und angenommen, was wir fordern. Am Anfang war er noch perplex: ,Wie? Ich komme hier rüber und spiele keine Überzahl?' Da habe ich gesagt: ,Ja, weil du zu schlecht bist.' Teilweise habe ich ihn dann ja mit Corey Mapes abgewechselt. Er musste lernen. Das hat er dann auch gemacht. Auch alles ohne sauer zu sein. Er hat einen guten Charakter, wir haben uns gut verstanden. Wir waren immer sachlich. Aber er hat das Spiel hier unterschätzt. Auch Kurt hatte sicher seine Phasen, deswegen habe ich ihn hinterher aus dem Power Play genommen. Er wusste, dass er sich wieder ändern musste. Und das hat er getan.
Warum musste Michael Davies gehen?
Kreutzer: Kein schlechter Spieler, hat am Anfang super gescort. Dann kommt die Doping-Geschichte und er hat fast die komplette Saison gefehlt. Aber wir hatten auch ohne ihn Erfolg.
Aber da konnte der Spieler ja nicht so viel für.
Kreutzer: Nein, konnte er nicht, aber das war nicht das Thema. Wir konnten nicht planen. Und wie es teilweise aussah, dachten wir, wenn wir Glück haben, bekommt der ein Jahr Sperre. Dann gibt es Spieler, auf die du schon länger ein Auge geworfen hast, die plötzlich zu haben sind. Deswegen haben wir früh zugeschlagen und ihm gesagt, dass wir nicht so lange auf ihn warten können. Wir hätten ihn natürlich trotzdem behalten können, aber wir brauchen die eine Ausländerlizenz noch für einen Verteidiger. Da müssen wir an die Mannschaft denken. Auf der einen Seite tut der Junge mir tierisch leid, aber es war nicht mehr zu ändern.
Wenn es die Sperre nicht gegeben hätte, wäre er geblieben?
Kreutzer: Natürlich, wenn er sich gut weiterentwickelt hätte. Es kommt auch immer drauf an, wie er in der Mannschaft ankommt, wie setzt er das um, was die Trainer wollen. Und vor allem: Wie sieht es mit den Lizenzen aus.
Das heißt, Sie glauben daran, dass die Torhüter Bobby Goepfert und Tyler Beskorowany beide nächste Saison hier spielen und sie die Lizenzen brauchen?
Kreutzer: Ja, wir müssen zwar sehen, wie Bobby wirklich unter Belastung und Wettbewerb spielt. Aber er ist einer, dem wir die Chance einfach geben müssen. Tyler hat eine Ausstiegsklausel bis zu einem gewissen Datum, aber wir glauben, dass er bei uns spielen wird.
Keine leichte Situation, falls er doch noch absagt.
Kreutzer: Klar ist das schwierig. Aber wir hatten die Chance, ihn unter der Voraussetzung zu halten. Und es wird wohl keiner bestreiten, dass er keine ganz schlechte Saison gespielt hat. Er kann gehen, wenn er ein Angebot aus Nordamerika bekommt.
Nur für die NHL oder auch für die Farmteam-Liga AHL?
Kreutzer: Als Torwart einen reinen NHL-Vertrag zu bekommen, ist sehr, sehr schwierig. Dann würde ich mir gar keine Sorgen machen. Aber er kann auch gehen, wenn er einen für beide Ligen bekommt. Das mussten wir ihm zugestehen. Er ist 24 und kommt aus Nordamerika. Aber wenn er ein Angebot bekommt, muss er uns tausend Mal danken. Ohne uns wäre das nicht passiert.
Die Frage ist, ob er überhaupt Lust auf die AHL hat. Drei Spiele an drei Tagen und stundenlange Bus- statt Flugreisen sind dort die Regel.
Kreutzer: Ja, er muss sich dann genau überlegen, welche Chancen er sich ausrechnet. Er muss realistisch sehen, ob es sich lohnt und wie viele Torhüter vor ihm sind, ehe er es in die NHL schaffen könnte. Und lohnt es finanziell?
Ja, er würde in der DEL wohl mehr verdienen.
Kreutzer: Es kommt drauf an. Es gibt Spieler, die einen reinen AHL-Vertrag haben und dann auch gutes Geld verdienen. Wenn die aber eine Zwei-Wege-Vertrag haben, ist es ein krasser Unterschied zwischen den Ligen. In der NHL verdient man dann beispielsweise 500.000 Dollar, in der AHL nur noch ein Zehntel. Und das brutto.
Apropos Verträge. Wie sehr trifft Sie der Abgang von Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus zu Bayer Leverkusen?
Kreutzer: Kalt lässt mich gar nichts, wenn es um die DEG geht. Ich habe sehr, sehr gut mit ihm zusammengearbeitet, es wurden in dem einen Jahr viele Strukturen geschaffen. Den Abgang kann man jetzt natürlich gar nicht brauchen. Durch den sportlichen Erfolg hätten wir jetzt sehr, sehr viel Arbeit. Jetzt muss etwas aufgebaut werden. Aber man kann es verstehen, er kommt aus dem Fußball und hat wahrscheinlich ein sehr, sehr gutes Angebot erhalten. Für einen Verlust auf dieser Position gibt es wohl nie einen guten Zeitpunkt. Es wäre natürlich gut gewesen, wenn er erst ausgeschieden wäre, wenn wir einen Nachfolger gehabt hätten. Jedem ist bewusst, dass wir jetzt nicht viel Zeit verlieren dürfen. Bei der nächsten Gesellschafterversammlung wird das ein großes Thema sein.
Soll der Nachfolger dieses Mal wieder aus dem Eishockey sein? Wäre Lorenz Funk dann ein Kandidat? Er hat das Winter Game organisiert, kennt Stadt und Verein.
Kreutzer: Ich weiß es nicht. Selbst wenn ich es wüsste, würde niemand etwas von mir hören (lacht).
Wir wollten nur gucken, wie Sie reagieren.
Kreutzer: Wieder einen aus dem Fußball zu nehmen, ist vielleicht nicht das beste. Weil es dann wieder die Gefahr gibt, dass er nach einem Jahr weg ist. Wir sollten jemandem eine Plattform bieten, der sich und uns verbessern kann. Wir müssen jemanden haben, der zur DEG passt und sagt, er will langfristig etwas mit der DEG schaffen. Das brauchen wir beim Eishockey. Wir sind nicht der Fußball, wir müssen um jeden Sponsor kämpfen und eine gute Beziehung aufbauen.
Verändert sich der Etat?
Kreutzer: Nein, alles bleibt gleich. Das ist auch gar nicht schlimm. Wir wollen keine großen Unterschiede in der Mannschaft haben und jetzt große Gehälter zahlen. Klar verdienen Spieler wie Strodl und Preibisch jetzt mehr als letztes Jahr. Das haben sie sich auch verdient. Die Spanne zu den anderen ist jetzt nicht mehr groß. Am liebsten wollen wir gar keine Spanne haben. Wir können jetzt nicht sagen, ein guter Spieler wie Gawlik verdient soundso viel, und dann kommt einer, der vielleicht einen kleinen Ticken besser ist und verdient dann gleich 100.000 Euro mehr. Das ist schlecht für eine Mannschaft. Wenn die ganze Liga einen Sprung macht wie beim Fußball, weil das Fernsehgeld immer mehr wird, machen wir den Sprung mit. Aber ich bin kein Freund von einzelnen Großverdienern.
Die TV-Präsenz hat sich aber auch beim Eishockey gut entwickelt.
Kreutzer: Ich finde das sensationell. Früher haben viele gesagt, dass man sich Eishockey nicht im Fernsehen anschauen kann, weil man es nicht richtig mitbekommt. Gerade Leute, die noch nie beim Eishockey waren und die Taktik nicht verstehen. Früher gab es zwei Kameras, jetzt stehen die überall, bei „Servus TV“ kannst du alles perfekt verfolgen.
Erleichtert das auch Ihren Job als Trainer?
Kreutzer: Das hat alles eine sehr gute Entwicklung genommen. Früher mussten wir immer DVDs austauschen, es war aber keiner verpflichtet, die dir auch zu geben. Bei den Spielen musste man immer verhandeln: ,Schick du mir mal Hamburg, dann bekommst du von mir Köln.' Jetzt gibt es eine Online-Datenbank, da kann ich mir jedes Spiel herunterladen und schneiden. Wenn wir jetzt nächste Woche gegen Köln spielen, schneide ich mir das so zusammen, dass ich sehe: So spielen die Überzahl, so spielen die Unterzahl, so bauen die ihr Spiel auf. Das ist professionell.
Sie fahren nun nach Prag zur WM. Wann beginnt die neue Saison für die Spieler?
Kreutzer: Das Trockentraining beginnt am 1. Juli. Zwei Spieler werden allerdings später kommen: Travis Turnbull wird Vater, Tyler Beskorowany heiratet. Er sagte bei der Vertragsunterzeichnung: ,Das ist nicht verhandelbar.' Da sagte ich: ,Da hast du recht.'
Wann geht es aufs Eis?
Kreutzer: Zum Glück kriegen wir früher Eis, wohl am 27. Juli. Nach zwei Wochen Training geht es dann in die Schweiz. Und am 22., 23. August haben wir das erste Heimspiel in der Champions League.