Ernennung Fritz Keller ist der erhoffte Alleskönner beim DFB

Frankfurt · Mit der Ernennung von Fritz Keller zum neuen DFB-Präsidenten will der größte deutsche Sportverband seinen Vertrauensverlust bekämpfen. Der Hotelier, Gastronom und Winzer spricht alle Facetten an.

Der neue DFB-Präsident Fritz Keller (l.) im Gespräch mit seinem Vorgänger Reinhard Grindel.

Foto: dpa/Boris Roessler

Fritz Keller saß bereits fertig verkabelt weit rechts in der dritten Reihe, aber war beim 43. Ordentlichen Bundestag noch gar nicht zum neuen Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt, als bereits die Messlatte gelegt wurde: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sprach von der „eiermilchlegenden Wollmilchsau“, die das neue DFB-Gesicht geben müsse. Eine Einschätzung, die den 62-Jährigen dazu verleitete, sein vorbereitetes Redemanuskript für die Bewerbungsrede einfach mal beiseite zu legen. Und so stellte sich der einzige Kandidat eben spontaner, aber auch ein bisschen fahriger vor als geplant.

An einer überwältigenden Zustimmung im großen Saal des Congress Centers der Frankfurter Messe hat das nichts geändert: Ohne Enthaltung und ohne Gegenstimme wurde der südbadische Hotelier und Gastronom um 12.27 Uhr von den 257 stimmberechtigten Delegierten zum 13. Amtsinhaber in der 119-jährigen Geschichte des krisengeplagten Verbandes gekürt zu werden. Sein Versprechen: „Ich bedanke mich für ihr Vertrauen. Ich gebe alles!“

Vertrauen an der Basis und in der Gesellschaft zurückgewinnen

Seine Wahl für die nächsten drei Jahr geht einher mit der Hoffnung, dass eine allseits respektierte Persönlichkeit zum Versöhner taugt, damit der auch im internationalen Ansehen erheblich beschädigte DFB wieder „zu einem glaubwürdigen Partner wird“, wie Interimspräsident Rainer Koch herausstellte. Der als Liga-Präsident bereits verabschiedete Reinhard Rauball redete Klartext: „Es ist an der Zeit, endlich den DFB in ruhigeres Fahrwasser zu führen.“

Fritz Keller, der neu gewählte Präsident des DFB, strebt nach dem Motto: Nur gemeinsam geht’s und verspricht: „Ich gebe alles“.

Foto: dpa/Boris Roessler

Kellers vorgestelltes Motto lautet: „Nur gemeinsam geht‘s.“ Er will Vertrauen an der Basis und in der Gesellschaft zurückgewinnen. Der Verband vertrete immerhin mehr als sieben Millionen Mitglieder, 25 000 Vereine, „bei diesen Zahlen wird mir jedesmal schwindlig“, sagte Keller, der den DFB zum „seriösen Anwalt und Dienstleister“ machen will. Seine Lebensplanung habe eigentlich anders ausgesehen, verriet der Genussmensch vom Kaiserstuhl, ein Wohnmobil habe er sich angeschafft, aber die neue Aufgabe sei eine „Herzensangelegenheit“. Sein Versprechen: „Wenn sie mich wählen, dann bekommen sie eine effektive Generalinventur.“ Dabei klatschte auch der im April zurückgetretene Präsident Reinhard Grindel, der die Veranstaltung von einem Außenplatz in der vierten Reihe verfolgte.

Sein Nachfolger sprach mehrere Punkte an, um die große Kluft wieder ein bisschen kleiner zu machen. „Wir sind das letzte Lagerfeuer, der Kitt der Gesellschaft, eine Integrationsmaschine.“ An die Politik richtete er den Appell, das Vereinsrecht aus der „Wilhelminischen Zeit“ endlich zu reformieren. Warum nicht verdienten Ehrenamtlichen „einige Rentenpunkte“ gutschreiben? Sogar auf den Klimawandel ging der Winzer ein: „Wir sind mit dem Wein sechs Wochen früher dran als früher. Es ist fünf vor zwölf.“

In diesem Streifzug durfte der Verweis auf die Gleichberechtigung nicht fehlen: Als Präsident beim SC Freiburg hat er es ja vorgemacht, dass eine nachhaltige (Nachwuchs)-Förderung des Männer und Frauenfußballs funktioniert. Und so steht der DFB-Boss auf dem Standpunkt, dass Lizenzvereine sich der Förderung beider Geschlechter nicht mehr länger verweigern können.

Keller muss es schaffen, von den vielfältigen Aufgaben nicht wie seine Vorgänger wie Weizen in einer Getreidemühle zermalmt zu werden. Der geschäftliche und ideelle Bereich werden künftig in der DFB GmbH und im DFB e.V. als „alternativloser Schritt zum Erhalt der Gemeinnützigkeit“ (Schatzmeister Stephan Osnabrügge) getrennt. Keller sagte: „Neben der neuen Organisationsstruktur kommt mit mir eine neue Umgangsform.“ Und dann geht es ihm auch noch um den Anschluss an die Weltspitze.

Bierhoffs Kritik nach der Förderung des Nachwuchses

Der Abschwung des Fußballstandortes Deutschland wird manifestiert durch das Abrutschen der Männer-Nationalmannschaft auf Fifa-Weltranglistenplatz 16 und das Ausscheiden der Frauen-Nationalmannschaft im WM-Viertelfinale. Wer die männlichen U-Nationalteams nach Toptalenten durchforstet, stellt fest: Da kommt nicht mehr viel. Oliver Bierhoff, Direktor für Nationalmannschaften und Fußball-Entwicklung, rüttelte mit seinem Vortrag „Projekt Zukunft – für die Weltmeister von morgen“ auf. Der 51-Jährige fordert „einen beherzten Schritt“ von DFB und DFL. Das Problem: zu viel Ergebnisorientierung, zu frühes Selektieren der Talente, zu wenig Freiräume für die persönliche Entwicklung und letztlich fehlende Möglichkeiten auf höchsten Niveau. Bierhoff: „Momentan steht die persönliche Entwicklung nicht im Vordergrund.“ Die Bundesligisten können dieses Manko durch den Zukauf von Talenten aus dem Ausland, neuerdings vorzugsweise aus Frankreich, kaschieren, aber beim Aushängeschild zeichnet sich bereits zur Euro 2024 in Deutschland ein gravierendes Problem ab.

Interessant, dass der nur mit zehn Gegenstimmen bestätigte Amateurvertreter Koch mit dem Auslaufen des Grundlagenvertrags 2023, der die Zahlungsströme zwischen Profi- und Amateurfußball regelt, eine neue Stoßrichtung vorschlug. Aus seiner Sicht besitzt der DFB „keinen geborene Rechtsanspruch auf die Einnahmen aus dem Profifußball“. Statt pauschal einen Prozentbetrag der Milliarden-Erlöse einzufordern, schlug er nun vor, „zweckgebundene Leistungen einzufordern, um die Mädchen und Buben zu fördern, die unsere Zukunft bilden.“