MSV Duisburg Der MSV wandelt am Abgrund

DUISBURG · Platz 18, Trainerwechsel verpufft und die Kassen leer: Der MSV Duisburg steckt in der 3. Liga im Sumpf. Der Bestand des Vereins scheint gefährdet.

Beim MSV Duisburg schrillen alle Alarmglocken: Erst vor wenigen Tagen hat man den neuen Trainer Gino Lettieri vorgestellt (r.). Mit dabei: MSV-Präsident Ingo Wald (l.) und Sportdirektor Ivica Grlic (M.).

Foto: dpa/Roland Weihrauch

 Nicht auszudenken, wenn Zuschauer im Stadion gewesen wären. Zwar gelten die Fans des MSV Duisburg als treu und leidensfähig, am vergangenen Freitag allerdings wäre es in der Nordkurve des Wedaustadions zu wütenden Beschimpfungen gekommen. Dies bedarf nur wenig Fantasie, 0:4 hieß es nach 90 erschütternden Minuten gegen den SC Verl. Das Team vom gerade erst geholten Trainer Gino Lettieri wurde vom Aufsteiger aus Ostwestfalen vorgeführt. „Es ist schwer zu erklären. Wir waren überhaupt nicht da. So kannst Du nicht bestehen“, sagte Lettieri nach dem Abpfiff.

Zwei Siege, drei Unentschieden und sechs Niederlagen bedeuten in Liga drei nach elf Spieltagen den drittletzten Platz. In den vergangenen fünf Partien konnte lediglich ein Zähler auf das Konto gebucht werden, zu Hause sind die „Zebras“ auch nach sechs Begegnungen noch immer ohne Sieg. Dabei sollte getreu dem Standort in der Stahlstadt hart und zäh um den in der vergangenen Saison nur knapp verpassten Aufstieg gekämpft werden. Stattdessen aber schrillen nun vor Beginn der englischen Woche mit Partien beim SV Waldhof Mannheim (Dienstag, 19 Uhr) sowie gegen Dynamo Dresden (Sonntag, 13 Uhr) die Alarmglocken. Es droht der Abstieg in die viertklassige Regionalliga, es wäre ein Absturz ins Bodenlose.

Aktuell reicht das
Geld nur bis Februar

Dies nicht nur, weil es in der seit 1902 währenden Vereinshistorie die erste Viertklassigleit wäre. Auch, weil es die Blau-Weißen wohl wirtschaftlich in den Ruin treiben würde. Präsident Ingo Wald hat am Rande des Spiels gegen Verl noch einmal ehrlich erklärt, dass die laufende Saison derzeit lediglich bis Februar durchfinanziert sei. Zum Vergleich: Der gleichfalls nicht auf Rosen gebettete Liga-Konkurrent 1860 München ist laut Aussage seines Geschäftsführers Günter Gorenzel im dritten Programm des Bayerischen Rundfunks trotz Corona-Problematik bis zum Ende der Spielzeit 2021/22 abgesichert.

Der Klassenerhalt ist für den MSV Duisburg daher quasi alternativlos. „Jedem muss klar sein, dass es um den Fortbestand eines Traditionsvereins geht“, sagte Wald gegenüber der WAZ und ergänzte: „Wir müssen aus dieser Abwärtsspirale raus und das Tabellenbild korrigieren.“ Doch wie? Die Defensive hat sich bislang oft überfordert gezeigt. Ohne Torhüter Leo Weinkauf hätte es mehr als die ohnehin schon 19 Gegentreffer gegeben. Das 0:0 gegen Halle rettete der 24-Jährige ganz allein, weil er sein Privatduell mit dem immer wieder frei vor ihm auftauchenden HFC-Stürmer Terrence Boyd 7:0 gewann.

„Schande“, „Bankrotterklärung“, „Offenbarungseid“. In den sozialen Medien rechnen die Fans mit der Mannschaft gnadenlos ab. Doch inzwischen steht auch Manager Ivo Grlic massiv in der Kritik. Hatte der seit 2011 für den MSV tätige Sportdirektor bisher stets ein glückliches Händchen bewiesen, mit dem wenigen Geld auf dem Transfermarkt gute Einkäufe zu tätigen, so blieben die Zugänge dieser Saison bisher den Beweis schuldig, die Abgänge kompensieren zu können. Läuferisch, kämpferisch und taktisch fehlt es derzeit an der nötigen Qualität.

Zuletzt arbeitete
Lettieri in Polen

Der ob Corona abgekühlte Markt sowie die geringen finanziellen Mittel haben Grlic die Auswahl an Akteuren natürlich erschwert, seine Entscheidung in der Trainerfindung jedoch hat bei den Fans einen Sturm der Entrüstung entfacht. Nach dem Motto „Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen“ schlägt Grlic und Lettieri heftiger Gegenwind ins Gesicht. Zwar führte der 53-Jährige die „Zebras“ 2015 in Liga zwei, wie gut aber kennt er die dritte Liga aktuell? Von 2017 bis 2019 arbeitete Lettieri in Polen, dann über ein Jahr gar nicht. Als neuer Besen des MSV kehrte er nun in zwei Spielen eher schlecht. Eine weitere Pleite darf es diese Woche nicht geben. Sonst stehen alle Beteiligten so nackt da wie einst „Kommissar Schimanski“ 1984 im Tatort „Zweierlei Blut“ auf dem Rasen des Wedaustadions.