Blatter weiter FIFA-Chef - Reform der WM-Vergabe

Zürich (dpa) - Trotz der schwersten Krise seiner Regentschaft hat sich FIFA-Präsident Joseph Blatter mit überwältigender Mehrheit die Macht erhalten und radikale Reformen für den Fußball-Weltverband präsentiert.

Bei der geheimen Abstimmung auf dem Kongress am Mittwoch in Zürich stimmten 186 der 203 abstimmenden Delegierten für eine weitere vierjährige Amtszeit des umstrittenen 75-jährigen Schweizers.

„Zusammen werden wir die nächsten vier Jahre bestreiten, vorausgesetzt, der liebe Gott gibt mir die Kraft, mein Werk fortzuführen“, sagte Blatter nach seiner Wiederwahl. „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Solidarität und Einheit wieder in die FIFA einziehen zu lassen. Wir werden dieses Schiff der FIFA wieder in ruhigere transparentere Gewässer führen.“

Zuvor hatte er längst überfällige Veränderungen angekündigt, um die FIFA vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. So wird in Zukunft nicht mehr das skandalumtoste Exekutivkomitee über die WM-Vergaben abstimmen, sondern alle Mitgliedsverbände beim Kongress. Der präsidiale Antrag wurde mit 97,8 Prozent Zustimmung genehmigt.

„Das war stark, das war konsequent. Dass in Zukunft der Kongress entscheidet, ist ein Schlag gegen mögliche Korruption. Darüber bin ich sehr froh“, sagte das neue Exekutivkomitee-Mitglied Theo Zwanziger. Der DFB-Präsident zieht als Nachfolger von „Kaiser“ Franz Beckenbauer in die vielgescholtene FIFA-„Regierung“ ein. Beckenbauer verabschiedete sich gewohnt launig mit den Worten: „Ich fühle mich jetzt frei wie ein Vogel. Ich werde Ihnen den Engel Aloisius schicken, der normalerweise die bayerische Regierung berät. Ich wünsche der FIFA für die Zukunft weise Entscheidungen.“

Als weiteren Schritt aus der Krise kündigte Blatter an, dass künftig bei Korruptionsvorwürfen erstmals auch externe Experten dabei helfen dürfen, in der FIFA aufzuräumen. Dass Veränderungen dringend nötig sind, weiß mittlerweile auch der neue und alte Präsident.

„Ich bin ein Kapitän in turbulenten Zeiten. Wir haben Schläge eingesteckt und ich persönlich einige Ohrfeigen, die Verwarnung hat gut getan“, sagte Blatter in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede. Der Antrag seiner englischen Kritiker, die Wahl des Präsidenten zu verschieben, war zuvor mit klarer Mehrheit abgeschmettert worden. Der erneuten Inthronisierung des angeschlagenen Königs stand nichts mehr im Weg.

Um 18.03 Uhr verkündete FIFA-Vize Julio Grondona das Ergebnis der geheimen Wahl durch die 206 stimmberechtigten Verbände, von denen 203 ihre Stimme abgaben. Die Verbände aus Brunei-Darussalam sowie São Tomé und Príncipe durften nicht mit abstimmen.

Mit einem flammenden Appell hatte Blatter das Auditorium beschworen, ihm wieder das Vertrauen auszusprechen. „Unser Schiff ist in Schieflage geraten, vielleicht hat es sogar etwas Wasser. Wir müssen alles daran setzen, dass wir auf Kurs bleiben und der Präsident ist dafür bereit“, sagte er in seiner kämpferischen Ansprache. Auf dem riesigen Podium im Hallenstadion auf dem Züricher Messegelände wirkte der kleine Walliser fast ein wenig verloren, doch lange nicht mehr so angespannt wie noch in den vergangenen Tagen, als er eine Pressekonferenz erbost abbrach und nach hitzigen Diskussionen mit Journalisten aus dem Saal stürmte.

All die Vorwürfe der Korruption gegen seine Person, gegen hochrangige Mitglieder des Exekutivkomitees, all die Gerüchte um Bestechung bei der Vergabe der WM 2022 an Katar hatten wie Bleigewichte auf den Schultern des kleinen Mannes gelastet. Kritik von Sponsoren, der Öffentlichkeit, einigen Regierungen und die Rufe nach einer kompletten personellen Erneuerung in der schlimmsten Krise der 107-jährigen FIFA-Geschichte hatten Blatter geschwächt.

Am zweiten Kongresstag aber präsentierte sich der ehemalige Mittelstürmer entschlossen und überraschte endlich mit dem einen oder anderen Reformvorschlag. „Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der FIFA beschlossen wird“, sagte er. Also nicht mehr im obskuren Hinterzimmer-Gemauschel des 24-köpfigen Exekutivkomitees, das immer wieder von Korruptionsvorwürfen erschüttert wird und deren Mitglieder Mohamed bin Hammam und Jack Warner zuletzt vorläufig suspendiert wurden. „Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen“, sagte Blatter.

Weitere Punkte auf der Blatterschen Reformagenda: im Kampf gegen Korruption und Bestechung eine „Lösungskommission“, eine Art Rat der Weisen mit Experten aus verschiedenen Bereichen. Dafür will er unter anderen die niederländische Fußball-Legende Johan Cruyff und den früheren amerikanischen Außenminister Henry Kissinger, der bereits zugestimmt haben soll, gewinnen. „Es soll ein FIFA-Komitee sein, aber der Vorsitzende kann natürlich auch externe Berater hinzuziehen“, sagte Blatter. Das neue Gremium soll sobald wie möglich „untersuchen, was bei der FIFA passiert ist“.

Einer echten externen Untersuchungskommission, wie sie das Internationale Olympische Komitee nach dem 1998 bekanntgewordenen Skandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele an Salt Lake City 2002 ins Leben gerufen hatte und wie sie der dänische Verbandspräsident Allan Hansen in einem Redebeitrag forderte, versperrt sich Blatter allerdings noch.