Das Bundesliga-ABC zum Saisonabschluss

A wie attraktiv: Es kostet den einen oder anderen vielleicht Überwindung, aber man muss aufrichtig festhalten: Ja, die Bayern haben in den vergangenen Wochen nicht nur erfolgreich (wie fast immer), sondern auch attraktiv (wie fast nie) gespielt und 72 Tore erzielt.

Insofern ist das mit dem 22. Meistertitel schon o.k. Die meisten Tore als Meister schossen allerdings die Wolfsburger (80) im vergangenen Jahr.

B wie Berlin: Ein Jammertal, ab jetzt ohne Erstliga-Fußball. Die Hertha, im Vorjahr noch Tabellenvierter, schaffte es sogar, die legendär schlechte Tasmania der Saison 1965/66 zu toppen: Tasmania feierte zwei Heimsiege, Hertha nur einen.

C wie Champions League: Am 22. Mai trägt ganz Fußball-Deutschland Lederhose. Wenn Bayern München im Finale gegen Inter Mailand zumindest ins Elfmeterschießen kommt, dann steht der Bundesliga ab der Saison 2011/12 ein vierter Startplatz in der Königsklasse zu. Auf geht’s, Buam!

D wie Dumm gelaufen: 12.Dezember 2009, Mönchengladbach. Der Ivorer Constant Djakpa im Trikot von Hannover 96 erhält den Ball in der eigenen Hälfte. Djakpa befördert den Ball aus rund 30 Metern kunstvoll gezirkelt ins eigene Tor. Hannover, kaum zu fassen, erzielt in diesem Spiel noch zwei weitere Eigentore - Bundesliga-Rekord.

E wie Enke, Robert: Das Hannoversche Eigentor-Festival in Gladbach war auch Ausdruck der Verunsicherung nach der Selbsttötung von Robert Enke am 10. November. Das tragische Ende des von Depressionen geplagten 32-jährigen Torhüters löste einzigartige Anteilnahme aus. Die Teamkollegen in Hannover kämpften so lange mit der Bewältigung des Trauerfalls, bis sie beinahe abgestiegen wären. Kurioserweise steht das mit 6:1 gewonnene Rückspiel gegen Gladbach dafür, das Trauma überwunden zu haben.

F wie Feier-Biest: Louis van Gaal erlebte die wundersamste Metamorphose der Spielzeit, vom ungeliebten Trainer-Biest, das bei Bayern München im vergangenen Herbst schon kurz vorm Einmotten stand, zum Feier-Biest, das mit dem Triple den größten Triumph der Vereinsgeschichte schaffen könnte. Sogar sein biestiger Humor und sein kauziger niederländischer Akzent kamen einem am Ende irgendwie sympathisch vor.

G wie Ganz dumm gelaufen: 4. Oktober 2009, Berlin. Herthas Torhüter Ochs und Burchert laufen beim 1:3 gegen den HSV drei Mal aus dem Tor heraus, drei Mal segelt der Ball über sie hinweg ins Berliner Tor. Nach Kakas Eigentor treffen noch die Hamburger Jarolim und Zé Roberto per "Bumerang-Schuss", nachdem sie zwei per Kopf abgewehrte Bälle des für den verletzten Ochs eingewechselten Burchert postwendend zurück ins Berliner Tor schicken. Komisch und abstiegsreif.

H wie Heynckes, Jupp: Seiner Ruhe, mit der er Bayer Leverkusen lange Zeit auf Titelkurs zu halten schien, wurde ja ausgiebig gehuldigt. Aber vielleicht besteht seine größte Leistung darin, dass der notorische Absturz in der Rückrunde schon auf Platz vier, einem Europa-League-Platz, endete. Respekt!

I wie Interview: Der brave Philipp Lahm gab im November 2009 der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview, in dem er ziemlich unbrav die Transferpolitik und die fehlende Spielphilosophie der Bayern kritisierte. Es setzte eine gepfefferte Geldstrafe - und kurz darauf ging es mit den Münchnern nur noch bergauf.

J wie Jugend: Erfreulich viele Trainer vertrauten jungen Profis. Einige wurden gleich in ihrer ersten Saison Stammspieler und starteten gewaltig durch. Ein paar Beispiele: Holger Badstuber (Bayern München), Kevin Großkreutz (Borussia Dortmund), Christoph Moritz (Schalke 04), Marco Reus (Mönchengladbach), Daniel Schwaab (Bayer Leverkusen).

K wie Krawalle: Eine bedenkliche Saison. In Berlin stürmten Fans das Spielfeld. Kölner Anhänger warfen so lange mit Feuerwerkskörpern um sich, bis sie beim Auswärtsspiel in Hoffenheim ausgesperrt wurden. In Bochum rasteten Zuschauer nach dem Abstieg aus. Und in Stuttgart blockierten Randalierer den Mannschaftsbus und drohten Profis den Tod an. Ausgerechnet am Tag darauf entließ der VfB Trainer Markus Babbel - das mit Abstand schlechteste Timing der Saison.

L wie Leistungsträger: Der peruanische Stürmer Paolo Guerrero verblüffte beim HSV mit bemerkenswerten Leistungen jenseits des Spielfelds. Erst saß er wegen panischer Flugangst wochenlang in der Heimat fest, um dann doch wieder fröhlich in Hamburg zu landen. Dann platzierte er eine Trinkflasche beeindruckend exakt ins Gesicht eines unverschämten Fans. Gehörte sich natürlich nicht, fünf Spiele Sperre. Wegen nachgewiesener Zielsicherheit will der HSV Guerreros Vertrag nun verlängern.

M wie Meistermacher: Felix Magath nahm eine Auszeit von seiner Lieblingsdisziplin: Den Bayern die Meisterschale zu stibitzen. Aber wer den Fast-Pleite-Klub Schalke 04 rettet, indem er ihn in seinem ersten Trainerjahr mal eben ins Millionengeschäft Champions League hievt, dem ist auch das Unfassbare zuzutrauen. Der nächste Meister heißt: Schalke - versprochen!

N wie Nervosität: Mainz-Trainer Jörn Andersen, gerade aufgestiegen, erlebte nicht mal den ersten Spieltag. Dieter Hoeneß, gerade zum neuen Manager des VfL Wolfsburg gekürt, benötigte nur zehn Tage, um dort den Trainer (Armin Veh) zu feuern. Hat beiden Klubs nicht unbedingt geschadet, besonders Aufsteiger Mainz spielte mit Trainer Thomas Tuchel (Foto) eine starke Saison. Beim VfL Bochum beschäftigte man sogar vier "Übungsleiter" (Koller, Heinemann, Herrlich, Wosz) - das Ergebnis der Gemeinschaftsanstrengung: Abstieg.

O wie Oranje: Statt des landestypischen Spotts ("Ohne Holland fahren wir zur WM") herrschte in der Liga pure Begeisterung über unsere Nachbarn. Speziell über Bayern-Star Arjen Robben, der mit sensationellen Toren in Serie München verzückte. Nur die seltsamen langen Hosen, die der flinke Stürmer im Winter trug, trübten etwas den ästhetischen Gesamteindruck.

P wie Podolski, Lukas: Toller Transfer-Flop des Kölner Karnevalsvereins. Das Heimweh trieb den Bergheimer mit polnischen Wurzeln von München zurück an den Rhein, wo er für den FC stolze zwei Tore in 27Bundesligaspielen schaffte - und somit genauso viele wie in einem einzigen Länderspiel, dem 2:2 gegen die Elfenbeinküste.

Q wie Querkopf: Bruno "Er tanzt nur einen Sommer" Labbadia hat ein Problem. Nachdem er bereits im Vorjahr in Leverkusen nach einer schwachen Rückrunde im Streit geschieden war, trainierte er nun auch den mit Titelambitionen gestarteten Hamburger SV kurz und klein. Zu Buche steht immerhin die Halbfinal-Teilnahme in der Europa League, doch vor dem Rückspiel wurde Labbadia abserviert. Half aber auch nichts mehr.

R wie Rekordjahr: Bayer Leverkusen blieb die ersten 24Spiele ohne Niederlage. Bis dahin hielt Bayern München (23 in der Saison 1988/89) den Bestwert - ebenfalls mit Trainer Jupp Heynckes. Bemerkenswert außerdem: 95 Auswärtssiege gab es seit Einführung der Drei-Punkte-Regel noch nie.

S wie SMS, hier: Abkürzung für "Schiedsrichter Message Service". Egal, ob Homo oder Hetero, das war an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, was da rund um die vermeintliche Liebes-Affäre zwischen den Herren Amerell und Kempter in die Öffentlichkeit schwappte. Si tacuisses!, wie der Lateiner sagt. Aber Schweigen fällt nun mal schwer, wenn man sich des Echos in den Boulevard-Medien gewiss sein kann.

T wie Trilogie: Seltsam, Gladbach inszenierte seine Spiele oft nach einem kunstvollen und rätselhaften Muster. 3:0-Führung in Bochum, Endstand: 3:3. Drei Eigentore von Hannover. Drei Gegentore von Hoffenheim in den letzten sechs Minuten. 3:0-Führung gegen Werder Bremen nach 18 Minuten. Der Fußball schlug im Borussia-Park bisweilen Kapriolen, und die Gastgeber spielten zur Abwechslung mal eine solide Saison, waren heimstark, auswärts allerdings wieder die Deppen der Liga.

U wie Unterhaltungswert: Unglaubliche 78 Tore fielen im Stadion des Ex-Meisters, beim VfL Wolfsburg, also mindestens vier pro Spiel. Dummerweise erzielte Wolfsburg selbst nur 39, ebenso viele wie die Gäste. Immerhin wurde der bosnische Weltklasse-Stürmer Edin Dzeko (24) mit 22 Treffern trotzdem Torschützenkönig.

V wie Vizekusen: Wenn man schon verhöhnt wird, soll es sich wenigstens lohnen. Gute Idee also von Bayer Leverkusen, sich das Nutzungsrecht am Begriff "Vizekusen" beim Patent- und Markenamt schützen zu lassen. Ist ja alles in allem kein schlechtes Saisonziel. Und klingt auch besser als "Vizeschalke".

W wie Wettskandal: Schon vergessen? Eine international operierende Wett-Mafia ergaunert sich Millionen, indem sie Spieler, Trainer und Schiedsrichter besticht. Rund 200 Spiele in neun Ländern, darunter 32 in Deutschland, von der 2. Bundesliga an abwärts, stehen im Verdacht, verschoben worden zu sein. Die Ermittlungen laufen, Fortsetzung folgt.

X wie Xenophobie, auf Deutsch: Fremdenfeindlichkeit. Ist (nicht nur) im Profifußball fehl am Platze. Die 18 Bundesliga-Klubs beschäftigten 277ausländische Profis - und 302 Deutsche.

Y wie Yabo, Yalcin, Yahia, Ya Konan: Vier Profis mit wunderbar lautmalerischen Namen. Auf einen werden wir, sollte er nicht den Verein wechseln, in Zukunft verzichten: Anthar Yahia (28), algerisch-französischer Abwehrspieler des Absteigers VfLBochum.

Z wie Zitat der Saison: "Wir dürfen jetzt nicht abheben", sagte Kölns Manager Michael Meier - nach einem trostlosen 0:0 beim VfL Bochum.