Bundesliga Tuchels Pläne für den Bayern-Sturz

Auf einmal ist der Meisterschaftskampf wieder spannender, weil Borussia Dortmund das Vorspiel vor dem Topspiel gegen die Bayern für sich entscheidet / Thomas Tuchel: „Der Ball liegt bei uns“

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Darmstadt. Es ist gar nicht allzu lange her, da hat Martin Schmidt in der zehnten Reihe auf der Haupttribüne der Mainzer Arena gesessen, um lautstark jede Szene, jeden Passweg, jeden Zweikampf zu kommentieren. Unten am Spielfeldrand stand ein gewisser Thomas Tuchel und begleitete nicht weniger emotional das Geschehen. Knapp zwei Jahre ist es her, dass der Schweizer und der Schwabe, zwei nicht unähnliche Überzeugungstäter, beim FSV Mainz 05 die erste und zweite Mannschaft trainierten. Nun sind es die beiden, die Anfang März auf einmal die Fußball-Bundesliga wieder spannend gemacht haben.

Nachdem Schmidt mit Mainz beim FC Bayern siegte und Tuchel sich zeitgleich mit Borussia Dortmund der Pflichtaufgabe beim SV Darmstadt 98 (2:0) entledigte, ist auf einmal eine unerwartete Konstellation eingetreten. Der Meisterschaftskampf ist doch noch nicht entschieden. Zumindest bis zum ultimativen Showdown am Samstagabend (18.30 Uhr). Bis auf zwei Zähler kann der Zweite herankommen. „Der Vorsprung ist geschmolzen. Jetzt haben wir eine Ausgangslage, die noch besser ist“, sagt Tuchel. „Der Ball liegt bei uns, den nächsten Schritt zu machen.“ Nämlich den Branchenführer aus München aufs Kreuz zu legen.

Und dafür muss Tuchel gar nicht Kumpel Schmidt anrufen, um sich schnell finale Tipps abzuholen. „Das werde ich nicht tun, wir spielen auch noch gegen Mainz“, beschied der 42-Jährige und wirkte bereits so, als sei seine Strategie längst ausgeheckt. Schon in Mainzer Zeiten hatte sich Tuchel beinahe akribisch in die Herausforderung vertieft, die Bayern herauszufordern. Seine Taktik mit teilweise drei verschiedenen Grundformationen in einer Partie wirkte teilweise so verblüffend wie gewagt, dass Pep Guardiola irgendwann höchsten Respekt vor diesem Fußballlehrer gewann.

In seinen fünf Mainzer Spielzeiten schaffte Tuchel immerhin drei Siege gegen die Münchner Übermacht: gleich zu Beginn seiner Trainerkarriere am dritten Spieltag der Saison 2009/2010 (2:1-Heimsieg), am sechsten Spieltag 2010/2011 (2:1-Auswärtssieg) und am 14. Spieltag 2011/2012 (3:2-Heimsieg). Jedesmal hatte er sich einen eigenen maßgeschneiderten Matchplan ausgedacht. Mit dem BVB missriet freilich der erste Anlauf: das 1:5 im Hinspiel muss auch Tuchel als Lektion empfunden haben.

Nun aber sind die Vorzeichen vor dem Evergreen andere: Im Vorfeld ist der BVB als klarer Punktsieger aus der englischen Woche gekommen. Dortmunds Startelf auf acht Positionen zu verändern, den Ersatztorwart Roman Weidenfeller und den 17-Jährigen Novizen Felix Passlack zu nominieren, dafür aber den kranken Keeper Roman Bürki oder den belasteten Topstar Marco Reus („Es war der ideale Zeitpunkt, ihm eine Pause zu geben“) zu schonen, schadete nicht. Im Gegenteil.

Das „Wrestling-Match im Matsch“ (Verteidiger Neven Subotic) ging der Gast „seriös, aufmerksam und fokussiert“ (Tuchel) an; mehr war unter den Bedingungen, für die sich Kollege Dirk Schuster sogar explizit entschuldigte, „nicht herauszuholen“, wie der BVB-Trainer weiter ausführte. Unter dem Strich hatte der Stratege alles richtig gemacht, weil sich die Torschützen Adrian Ramos und vor allem Erik Durm („Wir und die Bayern wissen, dass es jetzt noch mal eng werden kann“) wieder ein Stück weit mehr zur schwarz-gelben Gemeinschaft zugehörig fühlen. „Wir sind die Mannschaft, die die meisten Spiele gemacht hat“, erläuterte Tuchel. „Daher wollte ich mehreren frischen Spielern die Chance geben.“ Experiment vollumfänglich geglückt.

Die BVB-Brust ist nach sieben Siegen in Serie für den deutschen „Clásico“ sogar bildlich breit: Als Mats Hummels im zugigen Bereich unter der Betontribüne des Stadions am Böllenfalltor die Interviews gab, spannte das gelbe Unterziehhemd am Oberkörper. Seine Ansage: „Wir wollen es jetzt noch einmal spannend machen.“ Motto: Warum eigentlich nur Zweiter?

Im Kader scheint seit geraumer Zeit eine Selbstüberzeugung verankert, auf der Zielgeraden noch einmal zuschlagen zu können. Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang hatte schon häufiger von der Schale gesprochen, nun legte Taktgeber Henrikh Mkhitaryan nach, dass nicht Platz zwei, sondern der Titel das Ziel sei. Tuchel formuliert es lieber noch etwas vorsichtiger. „Wir spüren große Energie, unsere beste Leistung abzurufen. Nur jetzt freuen wir uns noch ein bisschen mehr.“