Schalke mischt Fußball-Adel auf - Nun Manchester
Gelsenkirchen (dpa) - Real Madrid, FC Barcelona, Manchester United - und Schalke 04! Der Arbeiterclub aus dem Ruhrgebiet mischt Europas Fußball-Adel auf. „Das ist absoluter Wahnsinn“, schwärmte Benedikt Höwedes nach dem wundersamen Vorstoß ins Champions-League-Halbfinale.
Bisher kennt Schalkes Innenverteidiger den nächsten prominenten Gegner nur von der Spielekonsole: „Früher haben wir immer auf der Playstation in Old Trafford gespielt. Gewonnen haben meistens die, die Manchester hatten. Nun können wir in der Realität schauen, was möglich ist.“
Erst die unfassbare 5:2-Gala in San Siro, dann die souveräne 2:1-Vorstellung in der Arena gegen Titelverteidiger Inter Mailand. Und nun freut sich Schalke auf weitere Fußball-Festtage gegen den Topclub aus der Premier League. „Schalke gegen Manchester - das klingt besser als Musik“, frohlockte Hans Sarpei mit Blick auf das Heimspiel am 26. April und die Partie in England am 4. Mai.
Magath-Nachfolger Ralf Rangnick machte seiner Elf, die er in nur drei Wochen Trainingsarbeit zu einer verschworenen Gemeinschaft formte, ein Riesenkompliment. „Das ist ein richtig starkes Team. In Mailand haben wir mit einer hervorragenden Offensivleistung die Grundlage geschaffen, jetzt haben wir überragend verteidigt“, sagte Rangnick, der trotz der erneut klaren Außenseiterrolle gegen Wayne Rooney und Co. nichts mehr ausschließt. „Wenn alles optimal läuft, haben wir vielleicht auch gegen Manchester eine Chance, ins Finale einzuziehen.“
Selbst für Fußball-Ikone Raúl, der schon dreimal mit Real Madrid in der Königsklasse triumphierte, ist der unglaubliche Beutezug durch Europa etwas ganz Besonderes. „Das ist ein historischer Moment. Für solche Momente bin ich nach Schalke gekommen“, meinte der 33-Jährige, der nach dem Abpfiff die Nordkurve erklomm und mit dem Megafon eine Riesen-Party mit den Fans anzettelte. Nicht nur Rangnick ist fasziniert von dem Weltstar ohne Allüren. „Was mir besonders imponiert, ist, dass er sich wirklich als Teil der Mannschaft versteht und auch so spielt.“
Zuvor hatte Rekordtorjäger Raúl dem Team mit seinem 71. Treffer in der Königsklasse (45.) den Weg zum vierten Sieg unter Rangnick geebnet. Höwedes (81.) sorgte nach dem 1:1 von Thiago Motta (49.) für das Sahnehäubchen. Clemens Tönnies platzte fast vor Stolz nach dem größten Erfolg seit dem UEFA-Cup-Sieg 1997, mahnte aber auch: „Wir dürfen nur nicht anfangen zu spinnen.“ An ein mögliches Endspiel am 28. Mai in Wembley mag der Aufsichtsratschef noch nicht denken. „Ich träume nicht vom Finale. Wenn mann dann doch dahin kommt, kann man sich doppelt freuen.“ Gleichwohl wolle man dem Team von Tribünengast Alex Ferguson zeigen, „wo der Hammer hängt“.
Neben dem unermesslichen Imagegewinn ist die Champions League auch eine finanzielle Goldgrube. Der Revierclub kann inklusive der UEFA-Prämie von 4,2 Millionen Euro für den Halbfinaleinzug am Ende mit einer Gesamteinnahme vor rund 50 Millionen Euro rechnen. „Ein Teil fließt in die Tilgung der Verbindlichkeiten, ein Teil in die Mannschaft“, kündigte Tönnies an, der auch nicht vergaß, dass Ex-Coach Felix Magath Anteil am Erfolg gebührt. „Ich werde ihm niemals die Ehre nehmen. Er hat uns ins Viertelfinale geführt.“
Auch für Christoph Metzelder und Torhüter Manuel Neuer sind die Duelle mit ManU Meilensteine in Schalkes Historie. „Wir werden auf jeden Fall versuchen, noch mehr Geschichte zu schreiben“, sagte Kapitän Neuer, der schmunzelnd auf den Rivalen Borussia Dortmund verwies. Der BVB schaltete die Engländer 1997 auf dem Weg zum Titel im Halbfinale aus. „Wenn es die Dortmunder geschafft haben, dann müssen wir unbedingt nachziehen.“
Metzelder, der trotz Nasenbeinbruchs mit Maske auflief, war der Blick für die Realität nicht verstellt. „Ich glaube nicht, dass Manchester sich fünf Stück reinhauen lässt.“ Doch vielleicht genügt ja wieder ein genialer Moment von Raúl, der keinen Hehl aus seinem größten Wunsch macht: „Im Fußball ist ja nichts unmöglich. Ich träume vom Finale gegen Real Madrid.“
Die französische Sportzeitung „L'Equipe“ spöttelte in einer Karikatur über Schalkes Außenseiterrolle im Halbfinale: ManU, Real und Barcelona werden auf Seite 2 als Luxuskarossen dargestellt - darunter folgt Schalke als blaues, klappriges Eiswagen-Fahrrad.