Interview mit Willi Orban „Deutschland ist die kompletteste Mannschaft in der Gruppe“
Erst im Herbst 2018 debütierte Willi Orban für die ungarische Nationalmannschaft, ist inzwischen Abwehrchef bei den Magyaren. Im Interview spricht er über das bevorstehende Spiel gegen Deutschland.
Der ungarische Verband hatte zuvor lange um den in Kaiserslautern geborenen Bundesligaprofi von RB Leipzig gebuhlt, dessen Vater aus Ungarn stammt und dort lebt. In seiner Kindheit war Orban häufiger dort zu Besuch, versteht auch das Meiste auf Ungarisch, doch bei einem Medientermin nahe dem EM-Trainingscamp im Budapester Vorort Telki sprach der 28-Jährige ausschließlich Deutsch, eine Dolmetscherin übersetzte ins Ungarische.
Zur Bedeutung des Spiels für ihn:
„Natürlich ist das ein spezielles Spiel für mich, ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Es ist auch etwas Besonderes, dass es für uns um unheimlich viel geht. Wir können mit einer guten Leistung in einer unheimlich schweren Gruppe weiterkommen. Aus meiner Sicht gab es bei einer EM noch nie eine schwierigere Gruppe. Es ist erstmal herausragend, dass wir noch die Chance haben, ins Achtelfinale zu kommen. Hinzu kommt, dass ich viele Spieler persönlich kenne. Mit meinen Leipziger Mannschaftskameraden hatte ich vor der EM Späße gemacht, wer wen besiegt.“
Zu seiner Mitschuld an den Gegentoren gegen Portugal (0:3) und Frankreich (1:1):
„Es ist als Verteidiger nicht schön, wenn man an Gegentoren beteiligt ist, aber es ist irgendwo auch Teils des Jobs und lässt sich grundsätzlich nicht immer vermeiden. Aber grundsätzlich muss man der gesamten Mannschaft, und ich glaube auch mir, ein Kompliment machen, dass wir in den ersten zwei Spielen gegen Weltklasseoffensivleute gut verteidigt haben. Das wird auch der Schlüssel fürs Spiel gegen Deutschland.“
Zur Qualität des Gegners Deutschland
„Ich glaube, dass in der Gruppe Deutschland aktuell die kompletteste Mannschaft ist. Sie haben eine unheimlich gute Mentalität, sind sehr gut organisiert. Hinzu kommt individuelle Einzelspieler-Qualität, die auch herausragend ist. Gerade auch das Pressing ist außergewöhnlich. Die Deutschen sind auch bekannt dafür, dass sie im Kollektiv aggressiv nach vorne verteidigen. Deshalb müssen wir versuchen, im Offensivspiel Räume zu kreieren.“
Zur fehlenden Unterstützung durch das ungarische Publikum:
„Die Atmosphäre bei unseren Spielen gegen Portugal und Frankreich war herausragend. Großes Kompliment an unsere Fans, das war wirklich grandios. Am Anfang waren wir sogar überfordert, damit umzugehen, aber Portugiesen und Franzosen hatten mehr Probleme, nach langer Zeit wieder in einem vollen Stadion zu spielen. Deshalb macht das schon viel aus. Jetzt wird es natürlich eine andere Nummer in München: Es wird eine gute Stimmung sein, aber nicht vergleichbar mit Budapest.“
Zur Debatte um die Regenbogenbinde von Manuel Neuer und Regenbogenfarben der Arena:
„Ich habe das nur über die Medien mitbekommen. Mir persönlich würde es gefallen, wenn das Stadion bunt wäre. Ich habe es bisher nur blau gesehen in der zweiten Liga gegen 1860 München und rot gegen den FC Bayern. Von daher würde ich mich freuen, wenn die Lampen auch mal bunt leuchten dürfen.“
Zur historischen Komponente mit dem WM-Endspiel 1954 Deutschland gegen Ungarn:
„Das war definitiv ein großes Spiel, große Mannschaften, auch von Ungarn, die Namen sind uns alle ein Begriff. Aber aktuell spielt das WM-Endspiel von 1954 jetzt weniger eine Rolle, dafür ist zu viel Zeit vergangen. Damals war Ungarn der Favorit, in der heutigen Zeit ist es umgekehrt. Wir wollen versuchen, unsere eigene Geschichte schreiben und sehen dieses Spiel als große Chance, ein Ausrufezeichen zu setzen.“