WM 2022: Fußball-Fieber in besinnlicher Adventszeit?

Berlin (dpa) - Public Viewing im Schnee? Torjubel mit Glühweinbecher? Das könnte in neun Jahren wahr werden. Geht es nach FIFA-Präsident Joseph Blatter, soll das Finale der extrem umstrittenen Fußball-WM 2022 in Katar 13 Tage vor Heiligabend gespielt werden.

Das stößt nicht nur bei vielen Fußball-Fans oder Funktionären einiger großer Fußball-Ligen auf Kritik, sondern auch bei Kirchenvertretern und Verantwortlichen von großen Weihnachtsmärkten. Bierbrauer müssen mit Umsatzeinbußen rechnen.

Bei der Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees in Zürich wird die brisante Terminfrage von den wichtigsten Fußball-Funktionären diskutiert. Blatter hat dabei Gegenspieler. UEFA-Boss Michel Platini will lieber im Januar spielen lassen. Das deutsche Exko-Mitglied Theo Zwanziger findet die WM in Katar generell nicht gut.

An den Fans läuft die Diskussion noch vorbei, dabei könnten gerade die Fußball-Freunde in der Heimat die Konsequenzen einer Winter-WM zu spüren bekommen. „Für die vielen Fans in Deutschland, die nicht nach Katar reisen, bedeutet eine Winter-WM Public Viewing auf Schlittschuhen bei Minusgraden“, sagte der frühere DFB-Präsident Zwanziger.

„Fußball unterm Weihnachtsbaum - keine optimale Kombination“, findet auch Manfred Piana. Er ist Geschäftsführer der Märkte und Aktionskreis City e.V. (MAC) in Aachen, der jährlich den Aachener Weihnachtsmarkt organisiert. Mitfiebern mit der Nationalmannschaft und die besinnliche Stimmung der Adventszeit passen für Piana nicht gut zusammen. „Public Viewing wird auf dem Aachener Weihnachtsmarkt bestimmt nicht stattfinden“, sagt er mit Blick auf die WM 2022.

Eine Absage kommt auch von einem der bekanntesten Weihnachtsmärkte Deutschlands. Rudelgucken auf dem traditionellen Nürnberger Christkindlesmarkt schließt Helmut Nordhardt aus. Laut dem Geschäftsführer des Marktamtes Nürnberg soll die Atmosphäre dort auch in Zukunft besinnlich und anheimelnd bleiben.

„Ich finde, die Adventszeit ist ein kulturelles Gut. Am dritten Advent sollte dann das Finale stattfinden. Also abstruser kann man die Weltgeschichte nicht durcheinanderbringen“, sagt Pfarrer Thomas Nonte. Der Sportseelsorger der Deutschen Bischofskonferenz mahnt zudem an: Man sollte den Spielern und Fans in der Vorweihnachtszeit einmal im Jahr die Chance geben, sich ein bisschen auszuruhen.

Nonte kann auch nicht verstehen, „warum man dann nicht in den Januar geht“. Die Konkurrenz zu den Olympischen Winterspielen, die Anfang 2022 stattfinden, sei nicht so groß wie zur christlichen Adventszeit. „Dieser Termin kollidiert mit Weihnachten, das haben wir schon seit 2000 Jahren“, stimmt auch Manfred Piana vom MAC Aachen zu.

In Katar wird es zwischen Juni und August extrem heiß. Das stößt auch bei Kritikern auf Verständnis. „Für die Spieler freut es mich natürlich“, sagt Hans-Werner Rixe von der Agentur Dortmund. Die Agentur veranstaltet seit 2006 Public Viewings zu jeder WM und EM. Doch im Winter kann auch Rixe sich das nicht vorstellen. „Höchstens Indoor, zum Beispiel in den Westfalenhallen.“

Für andere könnte die Winter-WM eine Chance zum Geldverdienen sein. „Das wird eine ganz neue Erfahrung. Die Gastronomen sind sehr findig darin, spezielle Angebote zu schaffen. Ich denke, dass das gut funktionieren wird“, schätzt Benedikt Wolbeck. Der Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) setzt darauf, dass die Fans wegen der Kälte in die Kneipen gehen. Mehr Platz könnten die Gastronomen - da, wo es möglich ist - mit beheizten Zelten schaffen.

Bei einer WM im Sommer reiben sich auch Brauereien die Hände. Bei gutem Wetter sei der Andrang bei Public Viewings groß und der Bierkonsum entsprechend hoch, sagt Peter Hahn, Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass der Getränkeverzehr im Winter keinesfalls mit dem im Sommer draußen mithalten könne.

„Das Mehr an Verzehr und damit auch an Umsatz wird sicherlich nicht so groß sein wie bei einer WM im Sommer“, schätzt Hahn. Einen Umsatzeinbruch erwartet er aber nicht. „Auch die Brauwirtschaft hat für die kalte Jahreszeit spezielle Produkte“, ergänzt Hahn. Warmes Bier, etwa als Alternative zum Glühwein, gehöre aber nicht dazu.

Dehoga-Sprecher Wolbeck ist hingegen zuversichtlich, dass es auch im Winter unter den Fans genügend Abnehmer für kühles Bier geben wird: „Natürlich! Wenn ich im Warmen sitze, kann ich auch kaltes Bier trinken. Eis geht ja auch immer.“ Für die Fußballfans und deren Familien wäre auch ein geteiltes Freizeitprogramm denkbar: Die Leute könnten „an einem Abend mitfiebern und an einem anderen auf den Weihnachtsmarkt gehen“, schlägt Helmut Nordhardt als Kompromiss vor.