"Helden für eine Halbzeit"

Pokalschlager: Trotz der Niederlage auf Schalke erlebte Wuppertal am Dienstag einen Feiertag. FOTOS vom SPIEL

Wuppertal. "Der WSV hat rausgeholt, was rauszuholen war." Wie Frank Grünberg (41) nahmen die meisten Fans die Niederlage gegen die übermächtigen Bayern recht gelassen. Eine Halbzeit lang träumte ganz Wuppertal von einer Sensation, ehe die Bayern-Stars ihr Team eiskalt zum 5:2-Sieg schossen. Dennoch feierten die Fans mit Sprechchören und der La-Ola-Welle ihre Elf. "Wuppertal ist der moralische Sieger", meinte Detlef Schill, der mit einer siebenköpfigen Fangruppe extra aus Hannover nach Schalke gereist war.

"In der ersten Halbzeit haben wir noch an das Wunder geglaubt", trauerte der Wuppertaler Fan Daniel Hartmann (33) noch ein wenig der verpassten Sensation hinterher. "Aber dann sind wir schnell auf dem Boden der Tatsachen gelandet." Dennoch bereute er den Pokalabend kein bisschen: "Als Wuppertaler muss man dabeigewesen sein."

Der rot-blaue Feiertag begann bereits gestern Nachmittag am Wuppertaler Hauptbahnhof. Spätestens ab halb vier trug der Döppersberg geschlossen die WSV-Farben. "Was für ein tolles Bild. Ganz Wuppertal ist auf den Beinen, um den WSV zu unterstützen", freute sich ein Fan vor der Abfahrt des ersten von fünf Sonderzügen.

Eine eigens aus St. Augustin angeforderte Hundertschaft der Polizei sicherte den Aufbruch der Fans ins Ruhrgebiet. Zu Zwischenfällen kam es nach bisherigen Erkenntnissen während des gesamten Pokalabends nicht - mit der unschönen Ausnahme gegen Spielende, als ein paar Wuppertaler Fans Gegenstände in Olli Kahns Strafraum warfen.

Insgesamt ließen sich die WSV-Anhänger aber während des gesamten Abends nicht die Jahrhundertspiel-Laune verderben. "Wer hätte gedacht, dass wir gegen den großen FC Bayern München überhaupt zwei Tore schießen? Ein Riesenspektakel war das heute", freute sich Karsten Noubours, WSV-Anhänger vom Sedansberg,

Titan trifft Lenchen Gerade lief in der Arena W.Zettis Hymne vom "Lehnchen am Tippen-Tappen-Tönchen" aus dem Lautsprecher, da betrat Bayerns Torwart-Titan Oliver Kahn den Rasen. Ob’s der Respekt vor der Keeper-Legende war - jedenfalls ebbte der Gesang der Rot-Blauen sofort merklich ab.

Auswärtsspiel Etwas irritiert ob der neuen Farbenlehre zeigten sich zwei Schalke-Fans in "ihrer" Arena: "Bisschen viel Rot hier!" - "Hier ist ja heute auch Wuppertal!"

Markierung Um das gestrige Hausrecht des WSV auf Schalke auch sichtbar zu markieren, hängten die Fans ein nicht ganz alltägliches Transparent vor die Nordkurve. Aufschrift: "Stadion am Zoo".

You’ll never Walk alone Schon der Weg zum Stadion wurde zum Drama - viele Fans ließen im Stau auf den Straßen zur Arena ihr Auto stehen und legten die letzten Meter zu Fuß zurück. Immerhin: Für die meisten reichte es noch, um den Ausgleich zum 2:2 zu feiern.

Rot-blaues Management Michael Breuer, als Verkehrsstationist Manager des Wuppertaler Hauptbahnhofs, ist eigentlich MSV-Duisburg-Fan. Gestern hatte er sich zur Verabschiedung der Wuppertaler Fans eine ganz besondere Solidaritätsbekundung ausgedacht und eigens ein blau-rotes Hemd angezogen. Kein Anschluss Der Ausnahmezustand gestern in der Stadt zeigte sich selbst am Telefon. Bereits um 15 Uhr waren in einigen Verwaltungen nur noch Notbesetzungen zu erreichen. Auch bei der Polizei beeilte man sich mit den täglichen Pressemitteilungen - und dem Hinweis, man sei am Nachmittag nicht mehr ganz so einfach zu erreichen. Selbst ein einsamer Anrufer in der WZ-Redaktion entschuldigte sich für seine Unverfrorenheit, während des Spiels anzurufen.

Ausgeschlafen Sogar bis in die Wuppertaler Klassenzimmer wirkt der Pokalschlager auf Schalke nach. In vielen Schulen müssen sich die Lehrer heute Vormittag auf unausgeschlafene Fans gefasst machen. Angesichts dieser müden Aussichten hatten einige Lehrkräfte Konsequenzen gezogen - wie zum Beispiel die Klassenlehrerin der 4a der Nordstadtschule in Schwelm, Ursula Honekamp. Sie hat ihren Schülern spontan heute die erste Stunde frei gegeben, als sie hörte, dass einige der Schützlinge zum WSV-Spiel fahren durften. "Ich will keine müden Schüler", kommentierte sie die Spontanaktion.

Glücksbringer Albert Röhre (44) und eine Handvoll Mitstreiter von den Sportfreunden Dönberg hatten sich extra einen besonderen Talisman mit ins Stadion genommen - eine Fahne von 1972, dem Jahr des ersten Bundesliga-Duells gegen Bayern im Zoostadion. Damals hieß es 1:1 - gestern sollte die Fahne zu einem 2:1-Sieg verhelfen.