DLV gönnt Topathleten Verschnaufpause
Dortmund (dpa) - Depressionen, Doping und Existenzängste unter Sportlern sind für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) Probleme, die seit Jahren intern behandelt und extern angeprangert werden.
„Wir fühlen uns in unserem Handeln und unserer strukturellen Ausrichtung durch die Sporthilfe-Studie bestätigt“, sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen bei den deutschen Hallen-Titelkämpfen in Dortmund. Ob psychologische Betreuung der Athleten, Förderung von dualen Karrieren und Forderungen nach strikteren Vorgehen gegen Doping: Der DLV macht es seit langem vor.
Dazu passt auch, dass der Verband Topathleten wie Robert Harting (Diskus), David Storl (Kugel) oder Silke Spiegelburg (Stabhochsprung) im nacholympischen Jahr eine Verschnaufpause gönnt. „Das Jahr 2013 sollte für einen ausgewählten Kreis unserer Leistungsträger auch eines sein, in dem psycho-physische Beanspruchungszustände berücksichtigt werden“, erklärte Kurschilgen. Vor dem Hintergrund der Sporthilfe-Studie, in der 9,3 Prozent der befragten Athleten angaben, unter Depressionen zu leiden, 11,4 Prozent unter Burn-out und 57,7 Prozent von Existenzängsten sprachen, sei das der richtige Weg. „Unsere Maxime und Botschaft für 2013 ist: Nicht das maximal Mögliche, sondern das individuell ausgerichtet Machbare“, sagte Kurschilgen.
Allerdings kann auch ein aufmerksamer Verband wie der DLV nicht alle Probleme lösen und alle Last abnehmen. „Der Leistungsdruck wird immer größer“, meinte der Kugelstoß-Halleneuropameister Ralf Bartels „Zugleich wird immer mehr eingespart, mit immer weniger Trainern und Mitteln wird immer mehr Leistung verlangt.“
Deshalb hat er weiter kein Verständnis über die Debatte um Zielvorgaben und geplanten Medaille bei Olympischen Spielen wie zuletzt in London: „Da werden Jahre vorher Prognosen abgegeben, die fernab jeder Realität sind.“ Ausbaden muss es meistens der Athlet, wenn der Erfolg ausbleibt. „Ich war zwei Jahre nicht ganz so gut gewesen und bin aus allen Förderungen rausgefallen“, berichtete er. Junge Athleten müssten von Jahr zu Jahr bangen, ob sie bei Bundeswehr oder -polizei weiterbeschäftigt würden. „Da kann man nicht drei, vier Jahre Aufbauarbeit machen“, so Bartels.
„Existenzangst? Die verspürst du jeden Tag. Sobald du verletzt bist, kriegst du kein Geld und bist dann auch irgendwann raus aus der Bundeswehr. Dann bist du weg“, sagte Kugelstoß-Hoffnung Christian Schwanitz. „Als normal arbeitender Mensch Hochleistungssport zu betreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit.“ Ein Studium oder eine Lehre seien schwer unter einen Hut zu bringen, gebe aber Sicherheit. „Ohne Ausbildung bist du erschossen“, sagte die angehende Verwaltungsfachangestellte.
Nicht viele haben es so gut wie Sebastian Bayer, der in Verein, der Bundeswehr und einem Sponsor gleich drei Geldquellen hat. „Es ist aber schon erschreckend zu sehen, dass immer alle nach Medaillen schreien“, sagte der Weitsprung-Europameister. „Das Verlangen nach Medaillen ist groß. Das, was dafür zu tun ist, ist nicht so groß.“
Dass der DLV sich seit 2005 um die dualen Karrieren seiner Athleten kümmert, seit drei Jahren Psychologen und Ernährungswissenschaftler in die Kader schickt, heißt nicht, dass der Verband eine Insel der Glückseligkeit ist. „Spitzensport ist keine himmelrote Reise, sondern eine harte Geschichte mit Druck“, erklärte Günther Lohre, der Vizepräsident Leistungssport des DLV und einstige Stabhochspringer. „Da müssen Athleten auch mit umgehen lernen. Aus dem Druck kommen wir nicht raus.“ Ziel des DLV ist es aber, Entlastungen zu schaffen und - wie Sportdirektor Kurschilgen betonte - eines im Blick zu behalten: „Wir arbeiten mit Menschen zusammen.“